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Trotz verbesserten – zumindest langfristigen – Rahmenbedingungen ist die deutsche Offshore-Industrie unzufrieden. Jetzt wurden »Handlungsfelder« für die Bundespolitik definiert.

[ds_preview]Der jüngste Vorstoß ist eine gemeinsame Initiative der Verbände und Organisationen BWE, BWO, VDMA Power Systems, WAB, Stiftung Offshore-Windenergie und Deutsche WindGuard. Sie stellen gestern die Ausbauzahlen für die Offshore-Windenergie 2020 durch die deutsche Offshore-Windbranche vor. Demnach gingen im vergangenen Jahr 32 Anlagen mit einer Leistung von 219 MW erstmalig ans Netz. Insgesamt speisen damit in der deutschen Nord- und Ostsee 1.501 Offshore-Windenergieanlagen mit einer Leistung von 7.770 MW Strom ein.

Sodann gab es allerdings auch deutliche Kritik: »Aufgrund falsch gesetzter politischer Rahmenbedingungen konnten im 2. Halbjahr 2020 keine neuen Anlagen gebaut werden«, heißt es. »Während sich die langfristigen Rahmenbedingungen für die Offshore-Windindustrie im vergangenen Jahr mit dem ‚Green Deal‘ der EU und den neuen Langfristzielen der Bundesregierung bis 2040 verbessert haben, bleibt die kurzfristige Situation der Branche mit dem sehr schwachen Heimatmarkt herausfordernd«, kommentieren die Branchenorganisationen.

PK WaS Pressefoto Copyright Siemens Tennet 2021 01 21

Zahlreiche Unternehmen der Offshore-Windindustrie seien nicht nur mit den Herausforderungen der Internationalisierung und der Corona-Krise konfrontiert, sondern auch mit dem Ausblick, dass in deutschen Gewässern im kommenden Jahr keine einzige Offshore-Windkraftanlage installiert werden soll – nachdem der Ausbau bereits 2020 nur 15% des Niveaus von 2017 entsprach.

»Kurzfristiger Impuls notwendig«

Die gravierenden Folgen des fehlenden Ausbaus der Windenergie in Nord- und Ostsee, wie Unternehmensschließungen, Beschäftigungsverluste und Abwanderungen aus dem deutschen Markt, vor denen die Branche in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewarnt hatte, müsse schnellstmöglich überwunden werden. »Es ist sinnvoll, jetzt einen Investitionsschub auszulösen. Das sichert die deutsche Offshore-Wind-Wertschöpfungskette. Dafür ist es erforderlich, die durch die Branche vorgeschlagene Küstenmeerregelung schnell umzusetzen und die Ausbauspitze in den Jahren 2029 und 2030 nach vorne zu entzerren«, schreiben die Organisationen. Notwendig ist ihrer Meinung nach ein kurzfristiger Impuls für den kosteneffizienten Zubau.

Mehr Zubau sollte vor dem Ende der Dekade stattfinden. So lasse sich das Ausbauziel der Bundesregierung von 20 GW bis 2030 sicher erreichen. »Jetzt Investitionen vorzuziehen hilft Konjunktur und Klimaschutz gleichermaßen. Offshore-Windkraft ist als Fundament der Energiewende für deutsche und europäische Klimaziele essenziell«, heißt es.

»Offshore-Ausbauziele räumlich sichern«

Sich abzeichnende Nutzungskonflikte mit Schifffahrt, Marine und Naturschutz sollten pragmatisch gelöst werden, damit das Erreichen der definierten Ziele nicht »durch die Hintertür« verhindert wird.

Um Nutzungskonflikte ein Stück weit zu entschärfen, hat die EU-Kommission den Ko-Nutzungsansatz entwickelt. Der knappe Meeresraum soll demnach – wenn möglich – von mehreren Akteuren gleichzeitig genutzt werden. »Diese Idee sollte weiterentwickelt werden und auch in Deutschland vermehrt zur Anwendung kommen. Es ist richtig, dass der Zubau von Windenergieanlagen auf See bestehende Nutzungsformen berücksichtigen und auch naturverträglich erfolgen muss. Richtig ist aber auch, dass wir eine Verschiebung oder Verknappung der Lebensräume vieler Arten langfristig nur dann verhindern können, wenn die Ziele des Pariser Klimaabkommens erfüllt werden«, meint die Offshore-Industrie.

Wasserstoff im Fokus

Nicht zuletzt nimmt die Branche Wasserstoff ins Visier. Die nächste Legislaturperiode müsse dringend genutzt werden, um eine grundlegende Reform des Strommarktdesigns und der Refinanzierung von Offshore-Windprojekten auf den Weg zu bringen. Das aktuelle Marktdesign ist für die Finanzierung von konventionellen Erzeugungsanlagen mit Brennstoffkosten ausgelegt. Daher setzt sich die Branche weiterhin für die Weiterentwicklung des Marktdesigns ein, »mit dem Ziel, Verbraucher und Wirtschaft zu entlasten und einen attraktiven Investitionsrahmen für nationale und internationale Investoren aller Akteursgruppen zu schaffen. In diesem Zusammenhang ist auch die Einführung von Differenzverträgen zu prüfen.«

Da eine direkte Elektrifizierung nicht in allen Bereichen der Wirtschaft möglich ist, seien synthetische Energieträger auf Basis erneuerbarer Energien »ein unverzichtbares Element« zur vollständigen Dekarbonisierung. Die Branchenorganisationen begrüßen ausdrücklich die Nationale Wasserstoffstrategie und den damit verbundenen Ansatz, eine umfassende energiewirtschaftliche und industriepolitische Strategie zu entwickeln, welche die gesamte Wertschöpfungskette aus Technologien, Komponenten, Erzeugung, Speicherung, Infrastruktur und Logistik in den Blick nimmt. Grüner Wasserstoff brauche eine marktwirtschaftliche Grundlage. Die CO2-Bepreisung in den Sektoren Verkehr und Wärme bei gleichzeitiger Reduktion oder Umschichtung der EEG-Umlage sowie finanzieller Belastungen durch weitere Umlagen und Steuern werden als Schritte in die richtige Richtung bewertet.

Für eine bessere Planbarkeit von Wasserstoffprojekten würden darüber hinaus ein konkretes und verbindliches Mengenziel zur Erzeugung von »grünem« Wasserstoff aus Offshore-Windenergie sowie verlässliche Vergabemechanismen benötigt. Zudem seien die bislang für die Erzeugung von »grünem« Wasserstoff auf See vorgesehenen und nicht angebundenen Flächen nicht ausreichend und müssten schnellstmöglich erweitert werden.

Die EU will die Offshore-Windenergie bis 2050 auf 300 GW ausbauen. »Dies zeigt das große Exportpotenzial. Die Ankündigung, das EU-Klimaziel für 2030 nachzubessern, muss mit einem schnelleren Ausbau der Offshore-Windenergie unterlegt werden«, so das Statement weiter. Um die Ausbauziele dauerhaft abzusichern und eine europäische Planung zu ermöglichen, benötige auch Deutschland ein Ausbauziel für 2050. Zudem sollten europäische und internationale Kooperationen – wie zuletzt von der Nordseeenergiekooperation unter deutschem Vorsitz gefordert – weiterentwickelt werden.