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Der Markt für biozidhaltige Antifouling-Farben ist im Umbruch. Auch wenn die Farben noch für mindestens ein Jahrzehnt dominieren werden, bringen sich bereits potenzielle Nachfolger in Position, für die Rolle des Kronprinzen.

Doch zunächst einmal zum jetzigen König Antifouling – warum sollte dieser überhaupt abdanken? Zum einen wegen seines Wirkungsprinzips sowie veränderten umweltpolitischen[ds_preview] Anschauungen in der Gesellschaft. Denn Biozidfarben lösen sich in Wasser auf und hinterlassen Biozide (Schwermetalle) und Farbpartikel (von der IMO seit 2019 als Mikroplastik aufgeführt) im Wasser zurück. Und wenn Bürsten während der Reinigung hohe Reibungskräfte ausüben, ist die Abnutzung der Farben mit Einbringung von Bioziden und Farbpartikeln noch wesentlich höher.

Gesellschaft, Politik und einige Regierungen sehen dies zunehmend kritisch. Die EU hat bereits hohe Hürden geschaffen, um neue Biozide in Farben einzusetzen, und mehr Biozide auf die schwarze Liste gesetzt als die IMO. Immer weniger Häfen erlauben die traditionelle Unterwasserreinigung von Schiffen. Einerseits aus Sorge vor freigesetzten invasiven Organismen und andererseits, weil ein mit Bioziden und Farbpartikeln versetzter Hafenschlick beim nächsten Ausbaggern teuer zu entsorgen wäre.

Aus Reederssicht wiegt schwerer, dass die jetzigen Farben einen Bewuchs über fünf Jahre meist nicht effektiv verhindern. Dies liegt nicht zuletzt an den zunehmend unvorhersehbaren Fahrprofilen. Mit dem Bewuchs sind dann höhere Treibstoffkosten verbunden, aber auch mögliche Auflagen von Hafenstaaten. So haben einige Regionen in den letzten Jahren neue Vorschriften zum Biofouling-Management implementiert, um die Verschleppung problematischer Organismen zu verhindern. Hierzu gehören Australien, Neuseeland und Kalifornien. Ähnliche Diskussionen betreffen zurzeit die Ostküste der USA, die EU und einige asiatische Häfen.

Was wäre die Lösung?

Die aktuelle politische Diskussion muss sachlich geführt und fachkundig mitgestaltet werden. Gleichzeitig werden realistische, das heißt auch bezahlbare Alternativen gebraucht. Einige gibt es bereits, andere sind noch in Entwicklung oder Erprobung. Einige interessante Entwicklungen werden hier im Folgenden zusammengefasst. Weitere Informationen lieferten die PortPIC- und HIPER-Konferenzen 2020, auf deren Webseiten die Proceedings frei heruntergeladen werden können.

Ein Ansatz besteht aus biozidfreien Beschichtungen mit speziellen Oberflächen­eigenschaften, die die Haftung erschweren. Sogenannte Silikon-Farben ähneln in ihrer Struktur einer Teflonpfanne. Auch wenn ein Bewuchs nicht vollständig verhindert werden kann, erleichtern solche »Antihaftbeschichtungen« die Reinigung der Oberflächen, zum Beispiel durch leichtes Abwischen oder Niederdruckspülen. Problematisch bleiben Nischen (zum Beispiel Seekästen) und ein gradueller Verlust der Wirksamkeit durch Zerkratzen und Altern der Beschichtung.

Auch die Oberflächenstruktur von natürlichen Materialien, zum Beispiel Haihaut oder Lotusblättern, erschwert mechanisch die Haftung von Organismen. Es gibt Bemühungen, diese Effekte industriell für Schiffsbeschichtungen nachzubilden. Einige dieser Farben werden als Nanobeschichtungen vermarktet. Sie sind mit »Anti-Graffiti«-Beschichtungen für Häuser vergleichbar. Nanobeschichtungen werden auch auf Schiffen immer beliebter und gewinnen Marktanteile, meist auf Kosten der Silikon-Farben.

Superhydrophile Oberflächen täuschen Wasserorganismen vor, dass eine Oberfläche eigentlich nur Wasser ist und verhindern damit, dass sich Organismen festsetzen. Das bekannteste Beispiel ist Hempels Hempaguard, das auch als »Fouling Defence« vermarktet wird. Bei diesem Ansatz wird behauptet, dass sich der Biozid-Eintrag in Kombination mit einem Mechanismus zum Festhalten der Biozide in einem chemischen Netz ins Wasser um den Faktor 10-20 gegenüber herkömmlichen Antifouling-Beschichtungen mit nahezu konstanter Leistung reduzieren lässt.

»Häufiges« Reinigen

Interessant ist auch die Zusammenarbeit von Philipps und AkzoNobel zur Entwicklung von sehr dünnen Plättchen mit LED-Lampen, die durch UV-Licht Fouling bereits im Keim ersticken, deren Entwicklungen bereits als Prototyp vorliegen.

Experten auf dem Gebiet erwarten allerdings einen komplett anderen Ansatz als wahrscheinlichsten Kronprinzen zur Nachfolge der Antifoulingfarben: Häufiges Reinigen, in den USA als »Grooming« und in der EU als »Proactive Cleaning« bezeichnet. »Häufig« bedeutet in diesem Zusammenhang etwa alle zwei Wochen, da dann ein Bewuchs bereits in der Biofil-Phase verhindert wird. Makrofouling mit Muscheln oder Seetang kann sich also gar nicht erst ausbilden. Sanfte Reinigungstechniken verhindern zudem, dass konventionelle Antifoulingfarben abgetragen werden. Zwei Leitfäden zur richtigen Reinigung von Schiffen sind hier zu empfehlen: Bimco hat einen Report über die richtige Reinigung von Schiffen mit Makrofouling entwickelt und Jotun thematisiert in seinem Leitfaden die Unterwasserreinigung in der Biofilmphase.

Roboter auf dem Vormarsch?

Die automatisierte Reinigungstechnologie entwickelt sich auch weiter. Ferngesteuerte oder teilweise autonome Roboter sind bereits auf dem Markt, etwa HullWiper in Dubai, FleetCleaner in den Niederlanden, oder ECOsubsea in Norwegen. Jotuns Hull Skating Solution vereint Roboterreinigung, eine darauf abgestimmte Farbe und Performance Monitoring, um die optimalen Reinigungstermine festzulegen. Eine intelligente Lösung, die von vielen Fachleuten als wegweisend eingeschätzt wurde. Weniger beachtet, aber durchaus interessant ist ShipShave aus Norwegen: Während der Fahrt reinigt ein Roboter die Schiffseiten. Da dieser Ansatz allerdings (noch) nicht auf Schiffsenden und -boden anwendbar ist, bietet er sich. vor allem für große Außenhautflächen an. Für Nischen bedarf es noch einer Komplementärtechnologie, wie beispielsweise Ultraschall, deren angebotene Systeme zertifiziert sind und seit Jahren erfolgreich eingesetzt werden.


Volker Bertram