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Schiffshaftpflicht dürfte nach mehreren stabilen Jahren teurer werden. Die Clubs der International Group kündigen »general increases« von bis zu 10% an, dazu wird auch der Selbstbehalt angehoben.

Das Corona-Jahr brachte für große Teile der Schifffahrt schwere Einbußen. Auch 2021 wird holprig bleiben. Während die Erlösaussichten ungewiss[ds_preview] sind, steht schon fest, dass die Kosten im Schiffsbetrieb weiter steigen. Zu den Treibern zählt die Versicherung. Erst zogen die Seekaskoprämien steil an, jetzt sollen auch die P&I-Beiträge steigen. Die von den großen Gegenseitigkeitsversicherern der International Group angekündigten General Increases nehmen sich gegenüber den Kostensprüngen bei Seekasko relativ bescheiden aus, aber sie sind nichtsdestotrotz signifikant. Lagen die offiziellen Beitragserhöhungen für das jetzt zur Neige gehende Jahr 2020/21 bei durchschnittlich rund 5,8%, so fordern die Clubs für das nächste Jahr per 20. Februar durchschnittlich +7,8%. Die Increases bewegen sich zwischen 5 und 10%, wobei drei von 13 Clubs die Prämien rein individuell anpassen wollen.

Neben Skuld und Britannia hat sich auch der Marktführer Gard für diesen Ansatz entschieden. Was nicht bedeutet, dass deren Mitglieder günstiger davonkommen. In ersten Gesprächen sollen die Underwriter ebenso energisch die Notwendigkeit deutlicher Erhöhungen unterstrichen haben wie ihre Wettbewerber. Insgesamt steht zu erwarten, dass die kommende P&I-Runde viel härter wird als es eine Gegenüberstellung der durchschnittlichen General Increases beider Jahre vermuten lässt. Denn die offiziellen Beitragserhöhungen liefen im vergangenen Jahr weitgehend ins Leere.

Verluste, Verluste, Verluste…

Makler berichteten unisono von einer Seitwärtsbewegung der Prämien, was für Verwunderung sorgte. Diesmal ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass die P&I-Underwriter Angst vor der eigenen Courage bekommen und aus Sorge um ihre Wettbewerbsfähigkeit einen Rückzieher bei Prämienerhöhungen machen. Grund: Die Clubs stehen finanziell stärker unter Druck. Die Schadenquoten sind noch einmal beträchtlich angestiegen. Im Underwriting fallen noch größere Verluste an, die anders als in den Vorjahren nicht mehr durch sprudelnde Kapitalerträge ausgeglichen werden können. Obwohl sich die Börsen nach dem Corona-Crash wieder gefangen haben, sind die Investments keine sichere Bank mehr.

So meldete der norwegische Club Gard – der mit Abstand größte der International Group – für das erste Halbjahr einen Verlust von 62Mio. $, nach 65Mio. $ Gewinn im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Beim Skuld fiel ein Fehlbetrag von 14,3Mio. $ an (H1/19: +2Mio. $). Der Swedish Club machte 3,4Mio. $ Verlust (+16,9Mio. $), der Shipowners‘ Club -1,8Mio. $ (+26,4Mio. $). Der zweitgrößte Club North P&I und die Nummer drei, der UK P&I Club, geben keine detaillierten Zwischenergebnisse bekannt. In den jüngsten Updates zu den bevorstehenden Renewals warnen die Manager aber vor Verlusten im Gesamtjahr.

»Wir erwarten, dass die freien Reserven abnehmen werden«, begründete North’s Chief Executive Officer Paul Jennings die avisierte Anhebung der Prämien um 10%. Auch der UK P&I Club fordert 10%. Die freien Reserven lägen noch bei über 500Mio. $, hatte es die Managementfirma Thomas Miller im November wohl bewusst vage formuliert. Anfang 2020 betrug das Kapitalpolster noch über 559Mio. $.

Die wachsenden Finanzlöcher haben längst die Ratingagenturen auf den Plan gerufen, von deren Bonitätsnoten die Refinanzierungskosten der Clubs abhängen. Standard & Poor’s feuerte bereits mehrere Warnschüsse ab und setzte seit August 2019 den Ausblick für die Ratings dreier Clubs – London P&I Club (BBB), Standard (A) und UK P&I Club (A) – von stabil auf negativ.

»Wenn die Clubs es nicht schaffen, die Prämien auf ein risikoadäquates Niveau zu bringen, drohen in den nächsten zwei Jahren Downgrades«, sagt Christian Ross, geschäftsführender Gesellschafter des Versicherungsmaklers Georg Duncker, auch mit Blick auf andere Clubs. Bei kombinierten Schaden-Kosten-Quoten von bis zu 140% sei klar, dass das auf Dauer nicht gutgehen kann. Mit den jetzt geplanten Beitragsanhebungen zeigten die Clubs immerhin Entschlossenheit, ihre Ertragslage wieder ins Lot zu bringen. Und dank der nach wie sehr guten Kapitalisierung mit freien Reserven von zusammen über 5,5Mrd. $ seien die erforderlichen Maßnahmen alles in allem zumutbar. »Die Zahlen sind zwar nicht gut, und ja, es gibt Handlungsbedarf. Aber das Gesamtsystem P&I ist so gut finanziert, dass die Balance mit relativ kleinen Eingriffen von +5 bis 10% wiederhergestellt werden kann«, unterstreicht Ross. Er selbst erwartet, dass die ausgehandelten Anpassungen effektiv am unteren Ende dieser Spanne liegen werden.

Vor allem für Flotten mit sehr niedrigen Schadenquoten müsse es weiterhin möglich sein, die Prämien stabil zu halten, hatte Christian Kockentiedt, Leiter Kundenbetreuung und Vertrieb des Emder Maklers Heinrich Elbracht, in einer Web-Talkrunde gefordert. »Wenn ein Kunde ein Loss Ratio von nur 10% hat, sind auch +5% Beitragserhöhung aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt.«

Manch kleinere Reederei beschreitet inzwischen neue Wege, um sich eine bessere Verhandlungsposition zu verschaffen. So sei es inzwischen keine Seltenheit mehr, dass sich Firmen mit kleineren Flotten in Einkaufsgemeinschaften zusammenfinden, heißt es bei Georg Duncker.

Mehr Großschäden

Wie hoch der Prämienanpassungsbedarf in Zukunft noch sein wird, hängt entscheidend von den weiteren Schadentrends ab. Besorgniserregend für die Clubs ist der steile Anstieg der Großschäden über 10Mio. $, die unter den 13 Mitgliedern der International Group gepoolt werden. Im ersten Halbjahr (20.02.-20.08.) kletterten sie auf knapp 300Mio. $ – den höchsten Stand seit mindestens 25 Jahren,. Zu den Kostentreibern zählten Wrackbeseitigungen großer Bulk Carrier wie der »Stellar Banner« und der »Wakashio«. Angesichts weiterer zu erwartender Großschäden in den bevorstehenden Wintermonaten und der typischen Kosteneskalation über die Jahre stehe zu befürchten, dass 2020 eines der teuersten Jahre überhaupt für den Pool werde, warnt North.

Das war noch vor den schweren Containerverlusten und Ladungsschäden an Bord des Containerschiffs »ONE Apus« Anfang Dezember im Pazifik, die den Pool ebenfalls schwer belasten dürften. Der Trend begann bereits 2019 mit dem Untergang des Auto-Carriers »Golden Ray« – »dem ersten Riesenschaden seit 2021«, wie der Makler Aon bemerkt. Die P&I-Kosten hätten sich mittlerweile auf knapp 450Mio. $ summiert. Entwickeln sich die Poolschäden weiter in diese Richtung, dürften die Clubs nicht umhinkommen, weitere Prämienerhöhungen einzufordern.

Unklare Corona-Schäden

Ohnehin haben die Clubs aufgrund der »Erosion« der Einnahmen in den vergangenen Jahren einiges aufzuholen, selbst wenn die Flut der Poolschäden abebben sollte. Bei Gard erreichten die P&I-Prämieneinnahmen im ersten Halbjahr 250Mio. $, vor vier Jahren waren es noch 307Mio. $. Neben dem allgemeinen Druck wirkten sich dabei Auflieger-Rabatte und die Erneuerung von Flotten (»Churn«-Effekt: junges Schiff = geringeres Risiko = niedrigere Prämie) nachteilig auf die Umsätze aus.

Unklar ist noch, inwieweit Schäden in Zusammenhang mit Corona die Bilanzen belasten werden. Die Kreuzfahrtbranche sorgte mit großen Rückführungsaktionen für Passagiere für ein paar schwere Schäden. Darüber hinaus gebe es immer wieder Fälle von Handelsschiffen, die wegen Infektionen für 14 Tage zwecks Quarantäne auf Reede gehen müssen, berichtet Christian Ross. Solche Betriebsunterbrechungen kosteten in der Regel zwischen 100.000 und 250.000$. »Die Kosten werden zum Teil vom P&I Club und zum Teil vom Reeder getragen. Der Club übernimmt die meisten operationellen Kosten, der Reeder trägt den Ausfall der Chartereinnahmen. Wir haben noch keine Ahnung, was für ein Gesamtvolumen das ist«, so Ross.

Günstig für die P&I Clubs – und somit auch für Mitglieder – wirkt sich bei den anstehenden Renewals aus, dass die Rückversicherungsdeckung der Clubs nicht neu verhandelt wird. Diese Kosten werden Schiffen gesondert in Rechnung gestellt. Die Abmachung mit den Rückversicherern aus 2019 muss erst Ende 2021 neu verhandelt werden. Damit sind die International Group Clubs abgeschirmt von der aktuellen Durchhärtung im Rückversicherungsmarkt. Den kommerziellen Festprämienversicherern für P&I (British Marine, Amlin, Thomas Miller Specialty etc.), die den Clubs mit günstigen Konditionen für kleinere Tonnage über Jahre das Wasser abgruben, ergeht es da anders. Ihre Rückdeckungen werden jetzt teurer und durch Corona-Ausschlussklauseln im Umfang begrenzt. »Das bereitet den Festprämienanbietern gewaltige Kopfschmerzen«, konstatiert Björn Völkner, Director und Supervisor für Placing und Broking bei Georg Duncker. »Da wird der eine oder andere sicher Reedereien an International Group Clubs verlieren, bei denen es diese Deckungseinschränkung nicht gibt.«


Michael Hollmann