Oskar Levander
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Keine Revolution mehr, sondern Evolution – der Maritime Future Summit hat aufgezeigt, was Künstliche Intelligenz in der Schifffahrt leisten könnte und wie Top-Experten die Chancen für autonome Schiffe heute bewerten.

Der Maritime Future Summit (MFS) bildete auch bei der digitalen Ausgabe der SMM 2021 den Auftakt zum Konferenzprogramm. Bei der dritten Ausgabe des MFS war »alles ein bisschen anders«, wie Moderator Volker Bertram von der World Maritime University zum Auftakt bemerkte. Abgesehen davon, dass die Veranstaltung dieses Jahr frei im Stream als Online-Konferenz zu sehen war, war auch eine andere Sicht auf Künstliche Intelligenz (A.I.) und autonome Schifffahrt neu.

Wo bei diesen Themen in den vergangenen Jahren sonst kühne Zukunftsvisionen und Enthusiasmus vorherrschten, war dieses Mal eher Nüchternheit und der Blick auf die nächsten – eher als auf die übernächsten – Schritte der technologischen Entwicklung angesagt.

»Enhanced Awareness« und »Sensor Fusion«

Der als »Guru« der autonomen Schifffahrt bekannte Oskar Levander, vormals bei Rolls-Royce, heute SVP Business Concept, Kongsberg Maritime, meinte, nachdem man bereits funktionierende »Autocrossing«-Lösungen vorgelegt habe, sei ferngesteuerter Schiffsbetrieb nicht mehr weit. »Wir haben schon die Kontrolle über das Schiff, jetzt müssen wir noch wissen, was um das Schiff herum passiert«, sagte er. »Enhanced Awareness« heißt das Stichwort, die altmodischen Hilfsmittel wie Radar sollen um Kameras und andere Sensoren ergänzt werden, um die Schiffsumgebung in allen Dimensionen zu erfassen. »Sensor Fusion«, nennt es Levander. Mit der Verbidnung eines solchen Systems zur Landstation sei der nächste Schritt getan.

Entscheidend für alle Diskussionen um den Einsatz von A.I. und letztlich ferngesteuerten oder autonomen Schiffen sei aber der Business Case. Der sei für kleine Schiffe in lokalen Gewässern eeher gegeben als für große. »Was sind die ökonomischen Treiber?«, fragt Levander. Einen Business Case sieht er für ein Drittel der weltweiten Flotte. Viele Schiffe würden in der Zukunft Künstliche Intelligenz und Decision-Support nutzen, für unbemannte Schifffahrt seien 2/3 der Flotte aber wegen der Operationsmuster oder aus technischen Gründen nicht geeignet.

Großes Potenzial für neue Lösungen

Pierre Sames, Group Technology and Research Director bei DNV GL – Maritime, sieht in der Nutzung von KI große Chancen für die Entwicklung neuer Lösungen und Dienstleistungen.  Im Jahr 2019 hatte die Klassifikationsgesellschaft eine eigene Abteilung für A.I.-Lösungen gegründet. »Wir verbessern bestehende Lösungen, und etwickeln ganz neue und Dienstleistungen. Wir setzen maschinelles Lernen ein, um die Customer Experience zu verbessern«, so Sames.

Aber: »Ein zentraler K.I.-Algorithmus ist nicht genug, Sie müssen ihn in Ihre Arbeitsprozesse einbetten. K.I.-basierte Lösungen bringen neue Risiken mit sich. Sind sie entsprechend trainiert und getestet worden? Ein Problem ist, dass wir den Algorithmus nicht fragen können, warum er eine bestimmte Antwort gegeben hat«, sagte Sames. Daher habe die Klassifikationsgesellschaft einen vierstufingen Assurance-Ansatz für K.I.-Algorithmen erarbeitet.

»Vom Bauchgefühl zu Daten und vernetzen Schiffen«

Pierre Guillemin, VP Technology, Wärtsilä Voyage, meinte, dass bislang Bandbreite, Lantenz und Kosten für Datenbverbindungen Hürden für den A.I.-Einsatz auf See darstellen. Allerdings würden sie ständig kleiner. Ein weiteres Hindernis sei die Frage nach den Eigentumsrechten an den Daten, die von Sensoren erhoben werden. Fehlende Standards und Gesetze und das »fragmentierte Ökosystem« seien weitere Hürden.

Dabei biete Künstliche Intelligenz die Chance, den Schritt »vom Bauchgefühl zu Daten und vernetzen Schiffen« zu tun. Guillemin sieht Chancen für die Dekarbonisierung der Schifffahrt, Compliance und Reporting, verbesserte Sicherheit, Kostenoptimierung und Wartung.

Kollaboration ist nötig, um A.I. zum Game Changer zu machen

Um technische Standards und angepasste Gesetze zu entwickeln wäre es nach Guillemins Einschätzung gut, wenn sich die verscheidenen Akteure untereinander verständigen, der Gesetzgeber könne unterstützen. Dabei solle man mit dem arbeiten, was man heute habe, so Sames, und darauf aufbauen. Die Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten sei aber unbedingt nötig, um ein A.I.-Ökosystem zu schaffen, meinte Levander. »Jetzt geht es wirklich darum, die Dinge zusammenzuführen«, so Levander.

AI ist in vielerlei Hinsicht ein Game Changer, auch für die maritime Industrie. Eine neue Welt, in der Maschinen uns das Denken und die Kontrolle abnehmen, ist aber vorerst nicht zu befürchten, meinte  auchModerator Volker Bertram. »K.I. ist nicht intelligent im menschlichen Sinne. Sie hat keine klugen Ideen, keine Neugierde. KI wurde früher numerische Statistik genannt – unsexy. Heute heißt es K.I., aber es ist immer noch numerische Statistik. Sehr sinnvoll, sehr nützlich. Lassen Sie sich nicht beeindrucken, haben Sie keine Angst, K.I. ist ein Idiot, aber ein nützlicher. Wir wären dumm, wenn wir sie nicht nutzen würden.«

Einen ausführlichen Nachbericht vom Maritime Future Summit 2021 lesen Sie in der kommenden Ausgabe des HANSA-Monatsmagazins.