VSM Reinhard Lüken
VSM-Hauptgeschäftsführer Reinhard Lüken (Foto: VSM)
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Der Geschäftsführer des deutschen Schiffbau- und Zuliefererverbands VSM sieht großes Potenzial in der Binnennachfrage in Europa – wenn nur die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen würden. Die aktuelle Krise sei der beste Zeitpunk für einen Kurswechsel.

[ds_preview]Das kurzfristige Ratenhoch in der Containerschifffahrt könne nicht über die schwache Verfassung des maritimen Wirtschaftsstandorts Deutschland hinwegtäuschen, schreibt Reinhard Lüken, Geschäftsführer des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) in einem Verbandsbrief. Die Ursachen dafür lägen aber weit vor 2020. Der schlagartige Einbruch des Kreuzfahrttourismus habe auf der zivilen Seite der Schiffbauindustrie den wichtigsten Markt »für mehrere Jahre trockengelegt«.

»Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir im Neubau kaum noch andere kommerzielle Kunden bedienen. Unsere Kostenstruktur lässt nur noch die Kronjuwelen der Branche zu, neben Kreuzfahrern im Wesentlichen Superyachten, Behörden- und Marineschiffe«, so der VSM-Chef. Auch im Küsten- und Binnenbereich zählten Frachtschiffe im Grunde nicht mehr zur inländischen Angebotspalette. In der Zulieferindustrie sei man hierzulande zwar noch deutlich breiter aufgestellt, aber auch hier produziere man im High-end Bereich und auch längst nicht mehr alles in Deutschland.

»Schifffahrtsförderung ohne jegliche Verbindung zur industriellen Wertschöpfung«

»Es geht aber nicht nur um Kosten, es geht auch um staatliche Rahmenbedingungen«, so Lüken. Jahrzehnte der intensiven Schifffahrtsförderung »ohne jegliche Verbindung zur industriellen Wertschöpfung« würden sich nun rächen. »Was ist unterm Strich geblieben? Wie steht es um die vielen, insbesondere kleinen Reedereien? Wie ist es um die deutsche Flotte bestellt? Nur zur Erinnerung, einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag für versenkte Schiffsfinanzierungen, allein in den Landesbanken, durften die Steuerzahler bereits tragen. Gebaut wurde fast alles in Fernost«, schreibt Lüken.

In der Summe habe man einen »gewaltigen Kapital- und Know-how-Transfer nach Asien organisiert« und gleichzeitig enormen Substanzverlust zu Hause hingenommen. Die Ursachenanalyse sei vielschichtig, wichtig sei jetzt, »gemeinsam einen neuen Weg einzuschlagen und Aufbruchsstimmung zu generieren«. »Das maritime Deutschland verfügt immer noch über enorm viel Know-how. Das Potential müssen wir abrufen. Wir können immer noch vieles besser als unsere Wettbewerber«, so Lüken.

»Unglaublich viel Binnennachfrage« wenn Rahmenbedingungen stimmen

Dabei gebe es mehr als genug zu tun: »Wir müssen die Schifffahrt dekarbonisieren, wir haben v.a. im Binnen- und Küstenverkehr eine überalterte Flotte; wir haben noch große Ausbaupotentiale in der Offshore-Windenergie; wir brauchen eine Wasserstoffinfrastruktur, inklusive schiffsgebundener Logistik, wir haben große Aufgaben vor uns im Bereich Offshore-Rückbau, wir müssen dringend die tickende Zeitbombe der Munitionsaltlasten im Meer beseitigen, um nur einiges zu nennen.«

Europa sei »der maritimste aller Kontinente«. Es gebe »unglaublich viel Binnennachfrage«, wenn man dafür die richtigen Rahmenbedingungen schaffe. Mit verlässlicher Grundlast könne man investieren, Technologieentwicklung schneller vorantreiben, Skaleneffekte realisieren, Know-how und Fähigkeiten sichern und die Schifffahrt deutlich schneller dekarbonisieren, als es im Rahmen der IMO realistisch sei.

»Unser Ziel 2021 lautet: Lasst uns eine Maritime Agenda in Angriff nehmen, die wieder klare Wachstumsperspektiven für unseren maritimen Standort schafft«, so Lüken.