Partikuliere – Nomaden auf dem Wasser

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Die Partikuliere sind Europas letzte Nomaden. In Deutschland sind heute noch gut 800 von Ihnen auf insgesamt 7.000 km Binnenwasserstraße unterwegs.

Aber was genau ist ein Partikulier? Ein Partikulier ist ein selbständig tätiger Binnenschiffer ohne eine eigene landseitige Frachtzuführungsorganisation. Er besitzt[ds_preview] maximal drei eigene Schiffe, von denen er eines selber fährt. Von einem Reeder unterscheidet sich der Partikulier darin, dass er nur seine eigenen Schiffe für den Gütertransport einsetzt.

In alter Zeit erfolgte die Auftragsvergabe in den Häfen an sogenannten Schifferbörsen. Dort trafen zu festgelegten Zeiten die Schiffer und ihre Kunden zusammen. Mit der industriellen Revolution wuchs das Transportgeschäft stark an, sodass zunehmend kapitalkräftige Reedereien gegründet wurden, die mit ihren Flotten feste Verträge mit Kunden abschlossen. In dieser Zeit teilte sich das Transportgeschäft auf den Binnenwasserstraßen zwischen Reedereien und Partikulieren auf.

Um sich gegen die Reedereien behaupten zu können, schlossen sich die Binnenschiffer zu Genossenschaften zusammen. Und das ist bis heute im Wesentlichen so geblieben. Die Transportkontrakte werden zu einem großen Teil mit einer der Genossenschaften geschlossen, welche die Reisen dann an die Schiffseigner vergeben. In einer der größten dieser Genossenschaften, der Deutschen Transport-Genossenschaft Binnenschifffahrt (DTG), haben sich heute in Deutschland rund 100 selbständige Schiffseigentümer zusammengeschlossen. Viele Partikuliere sind aber auch direkt als Subunternehmer für eine Reederei tätig.

Partikuliere betreiben ihr Geschäft oftmals bereits seit Generationen im Familienbetrieb. Lebensmittelpunkt der Familie ist das Schiff, auf dem sie an über 300 Tagen im Jahr Ladung fahren und praktisch das Leben von Nomaden auf der Binnenwasserstraße führen.

An Bord befindet sich die komplette Wohnung einer Familie mit Badezimmer, Küche, Wohn-, Schlaf- und Kinderzimmer. Auch wird ein Zimmer für einen Lehrling oder Angestellten vorgehalten. Sind kleine Kinder in der Familie, gibt es sogar einen, durch einen Zaun gesicherten, kleinen Kinderspielplatz an Deck. Schulpflichtige Kinder gehen auf Internate und reisen nur in den Ferien oder vereinzelt an Wochenenden mit auf dem Schiff.

Fuhren auf deutschen Binnengewässern in den 1970er Jahren noch über 3.000 Schiffer auf eigenen Fahrzeugen, so waren es um 1980 nur noch 1.800, von denen sogar nur noch 200 als komplett unabhängige Unternehmer tätig waren. Bis Mitte der 1990er Jahre war ihre Gesamtzahl bereits auf rund 1.000 Partikuliere gesunken. Die meisten von ihnen sind komplett an große Reedereien oder Genossenschaften gebunden. Ein weiteres Problem für das Gewerbe ist, dass den aktiven Partikulieren heute zunehmend der Nachwuchs fehlt, denn die Söhne oder Töchter der Binnenschiffer gehen vermehrt lieber Berufen an Land nach, anstatt das mühsame und krisenanfällige Geschäft der Eltern zu übernehmen.
Gerrit Menzel, Internationales Maritimes Museum Hamburg