Seeleute
Foto: Felix Selzer
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Die Corona-Krise fordert weiter Tribut. Laut einer aktuellen Studie verschlechtert sich die psychische Gesundheit von Seeleuten immer mehr.

[ds_preview]Die Analyse von Daten, die von Mental Health Support Solutions (MHSS) über die drei Monate bis Ende Februar 2021 erstellt wurden, zeigte, dass Angstzustände unter den Menschen an Bord von Schiffen ein wachsendes Problem darstellen, wobei Burnout und Depressionen im ersten Monat der Studie häufig gemeldet wurden. Laut MHSS erfordern Burnout und Depression einen nachhaltigen und langfristigen Behandlungsansatz, so dass diese Probleme wahrscheinlich wieder ansteigen werden, da sie durch Ereignisse erneut ausgelöst werden.

Im Dezember kam es zu einem Anstieg der Beratungsinteraktionen und zu den meisten kritischen Vorfällen in dem Dreimontaszeitraum. Berichte im Zusammenhang mit Covid-19, die mit Angst, Müdigkeit und Sorgen über äußere Faktoren zu tun haben, nehmen ebenfalls zu – ein Zusammenhang, der durch die Interaktion von MHSS mit Schiffsführern bestätigt wurde. Asiatische Besatzungsmitglieder führen die Liste der am stärksten betroffenen Nationalitäten an, es wurden aber auch vermehrt Vorfälle von osteuropäischen Besatzungsmitgliedern gemeldet.

Charles Watkins, Geschäftsführer und klinischer Psychologe bei MHSS, sagte, dass es gegen Ende des Berichtszeitraums einen Trend zu mehr mittelschweren bis schweren Vorfällen als zuvor gab. »Es gibt einige positive Nachrichten, da Vorfälle auf niedrigem Niveau durch Techniken, die durch Schulungen erlernt werden, lokal gehandhabt werden und Vorfälle mit hohem Risiko an MHSS eskaliert werden«, so Watkins.

Junge Kadetten als Risikogruppe

Dem Bericht zufolge wird die MHSS-Hotline für psychische Gesundheit von Seeleuten vermehrt kontinuierlich und wiederholt genutzt, sobald der erste Kontakt hergestellt ist. Die Seeleute wissen die Nachfassaktionen zu schätzen und teilen MHSS ihre eigenen Ideen und Sorgen mit.

Junge Kadetten sind nach Einschätzung der Experten für viele Schiffe eine Risikogruppe, da sie weniger Erfahrung haben, um mit Stressoren auf See umzugehen. Daher müssten ältere, erfahrenere Seeleute dieser Gruppe Anleitung und Unterstützung bieten.

Es gibt eine Zunahme der Interaktionen von osteuropäischen Schiffsleuten und Offizieren. Da diese Gruppe typischerweise nur ungern interagiere, sei das zugrundeliegende Gefühl der Unzufriedenheit wahrscheinlich viel höher – besonders bei denen, die nicht mit MHSS interagieren, meint Mental Health Support Solutions und regt an, diese Gruppen verstärkt zu beobachten.

Watkins erwartet insbesondere eine Zunahme der Ängste in Bezug auf Covid-bedingte Reisekomplikationen und Probleme beim Besatzungswechsel.

Buddy-System und Schulungen

In seinem Bericht gibt Mental Health Support Solutions einige Empfehlungen ab, wie dem Problem an Bord begegnet werden sollte. So sollten junge Kadetten mit erfahrenen Seeleuten gepaart werden, um die Interaktion von Angesicht zu Angesicht zu erhöhen und die Isolation zu verringern. MHSS könne einen Rahmen für ein »Buddy-System« bieten. Kurse zur »Normalisierung der psychischen Gesundheit« sollten an maritimen Akademien und Universitäten gestartet werden, wobei MHSS eine gemeinsame Initiative anregt. Desweiteren wird eine verstärkte Fokussierung/Schulung auf osteuropäische Besatzungen (Schiffsleute und Offiziere) vorgeschlagen. Neben verbesserten Schulungen für Superintendenten, um die Unterstützung für Seeleute zu verbessern, sollten auch diejenigen intern gelobt und unterstützt werden, die sich an MHSS wenden. So könnten sich andere ermutigt fühlen, es ebenso zu tun.

Watkins: »Psychische Gesundheit wirkt sich direkt auf den sicheren Betrieb eines Schiffes aus, und Organisationen müssen über professionelle und vertrauliche Strukturen verfügen, um psychische Probleme zu behandeln, die durch die Arbeit und äußere Einflüsse entstehen. Andere Faktoren wie Religion, Nationalität und Erziehung schaffen zusätzliche Stressoren im Zusammenspiel der Besatzung. Ohne einen einheitlichen Ansatz für psychische Gesundheitsprobleme werden diese vor Ort von der Besatzung selbst behandelt – ohne Ausbildung und mit potenziell gefährlichen Folgen. Der Zugang zu professioneller psychologischer Unterstützung auf Abruf wird von der Besatzung und dem Personal an Land begrüßt.«