Alexander Geisler (Foto: ZVDS)
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Der Streit um die Gruppenfreistellungsverordnung für Linienreedereien geht in die nächste Runde. Spediteure fordern Wettbewerbsgleichheit und bringen auch die Tonnagesteuer ins Spiel. Aus der Schifffahrt kontert der Schiffsmakler-Verband ZVDS deutlich.

Alexander Geisler, Geschäftsführer des Zentralverband Deutscher Schiffsmakler sagte heute: »Die Kritik der Spediteure und Terminals ist für uns nicht nachvollziehbar. Hier wird den wesentlichen Kunden der deutschen Häfen rechtswidriges Verhalten vorgeworfen, ohne dass dafür belastbare Belege vorgelegt werden. Und leider muss man festhalten, dass Wiederholungen die Vorwürfe nicht richtiger machen.«

Viele Speditionen hätten noch nicht realisiert, dass sich die Rahmenbedingungen verändert haben. »Aufgrund des hohen Kostendrucks in den vergangenen zwölf Jahren haben die Reedereien viel stärker als viele ihre Dienstleister und Partner in die Digitalisierung investiert und haben ihre Prozesse optimiert.« Daher seien sie heute auf vielen Gebieten technologisch führend und sind immer weniger auf Intermediäre, wie z.B. Spediteure, angewiesen, da Prozesse und Ansprechpartner immer transparenter und direkter würden.

»Hauptsache Billig funktioniert nicht mehr«

Container, Bremerhaven, Terminal

»Das hat aber nichts mit der Gruppenfreistellungsverordnung oder der Tonnagesteuer zu tun, sondern mit der Bereitschaft, die vorhandene Technologie zu nutzen und in sie zu investieren«, so Geisler weiter.

Seiner Ansicht nach sind viele auf den stärkeren technologischen Fortschritt nicht vorbereitet. So hätten viele Spediteure nicht mehr in eigene Container investiert, da sie Asset-light sein wollten. »Und anstatt sich in Kooperation mit den Reedereien feste Kontingente zu sichern und diese zuverlässig zu bedienen, haben nicht wenige Verlader und Spediteure auf ein „Weiterso“ im Spotmarkt gesetzt, um auch noch die letzten 50 $ pro TEU bei einer kurzfristigen Verladung zu sparen«, sagte der ZVDS-Chef. Aber dieser »Hauptsache-Billig-Billig«-Ansatz funktioniere nicht mehr. »Daran sind aber nicht die Linien schuld, sondern die eigenen Entscheidungen gegen resiliente Geschäftsbeziehungen«, meint Geisler.

Spediteure: »Nicht ausgewogen«

Der Makler-Vertreter reagierte damit auf eine Erklärung des Bundesverbands Spedition und Logistik (DSLV) anlässlich der Nationalen Maritimen Konferenz. »Die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen sind nicht ausgewogen. Sie tragen zu Wettbewerbsverzerrungen bei«, sagte Willem van der Schalk, Vorsitzer des Komitee Deutscher Seehafenspediteure im DSLV, und verwies auf das geltende System der Schiffstonnagesteuer und die EU-Gruppenfreistellungsverordnung für Seeschifffahrtskonsortien.

Nicht hinnehmbar sei, dass steuerliche Erleichterungen, die eigentlich zur Stabilisierung der Marktstellung europäischer Seeschifffahrtslinien im internationalen Wettbewerb gedacht seien, jetzt von großen Container-Reedereien dazu genutzt würden, »Speditionen gezielt aus den Hinterlandmärkten zu verdrängen.« Er bezieht sich dabei auf den Trend, dass in immer mehr EU-Staaten Reedereien auch die Hinterland-Lieferketten inklusive Terminaldienstleistung, Landtransport und Lagerung als so genannte Haus-Haus-Verkehre selbst organisieren – bei einem Tonnagesteuersatz von lediglich 7%.

7% vs. 27%

Willem van der Schalk

Damit treten sie als Lieferkettenorganisatoren in unmittelbare Konkurrenz zu Speditionen, die den Angaben zufolge einem effektiven Körperschaftssteuersatz von 27 % unterliegen. Auf diese Wettbewerbsverzerrung hätte auch bereits die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hingewiesen. Van der Schalk forderte ein Engagement aus Brüssel: »Die Europäische Kommission muss sicherstellen, dass der geringe Tonnagesteuersatz auf den Betrieb eines Seeschiffes beschränkt bleibt und nicht auf reedereifremde Dienstleistungen ausgedehnt werden kann.«

Verstärkt wird die in den Augen der Spediteure »wettbewerbliche Unwucht« durch die Konzentration der Angebotsseite. Weil die Europäische Kommission im vergangenen Jahr die Gruppenfreistellungsverordnung für Seeschifffahrtskonsortien um weitere vier Jahre verlängert hat, werde Marktmacht nicht ausreichend eingeschränkt. Dem Angebotsoligopol von immer weniger Linien, die zudem in Allianzen kooperieren, stehe eine wachsende Nachfrage gegenüber.

»Ich bezweifle, dass der Seefrachtmarkt insgesamt funktioniert.«

»Dass sich Märkte verschieben und Preise bei Nachfragesprüngen steigen, ist nicht ungewöhnlich«, so van der Schalk. »Ich bezweifle allerdings, dass der Seefrachtmarkt insgesamt noch funktioniert.« Der maritime Sektor wird seiner Ansicht von der Politik zu einseitig durch die Brille der Schifffahrtsbranche betrachtet, die übersehe, dass Speditionshäuser und Seehafenbetriebe einen erheblichen Anteil der maritimen Logistikprozesse steuern. Aus EU-Sicht sei es richtig, maritimes Know-how durch vorteilhafte Rahmenbedingungen in Europa zu halten. »Inakzeptabel« sei es allerdings, wenn einseitige Privilegien zu Wettbewerbsverzerrungen im gesamten europäischen Gütertransportsektor führen. Van der Schalk: »Deutschland und die EU müssen handeln.