Die »Adelina D« im Nord-Ostsee-Kanal (NOK) bei Rendsburg
© Wägener
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Der Nord-Ostsee-Kanal (NOK) hat für ganz Deutschland einen hohen volkswirtschaftlichen Nutzen, wie eine Studie des IfW Kiel zeigt. Die Forscher schlagen auch ein neues Gebührenmodell vor.

Der Kanal sorgt der Studie zufolge nicht nur für [ds_preview]direkte Einnahmen, sondern erhöht auch die Wahrscheinlichkeit deutlich, dass ein deutscher Seehafen zum Löschen der Ladung angelaufen wird, anstelle eines niederländischen oder belgischen. »Die deutsche Politik sollte investieren, damit der Kanal laufend instandgehalten und modernisiert wird. Die Nutzungsentgelte sollten zudem flexibel auf veränderte Treibstoffkosten reagieren, damit Schiffe den Kanal nicht umfahren«, sagt Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel).

Der positive, gesamtdeutsche Wohlfahrtseffekt durch den Nord-Ostsee-Kanal (NOK) beruhe vor allem auf seiner Funktion als Verkehrsachse. Durch kürzere Wege zu den Anrainerstaaten der Ostsee reduziere er die Handelskosten für Exporteure und Importeure deutlich, heißt es. Deutschland profitiert demnach durch den NOK mit rund 570 Mio. € pro Jahr, davon sind gut 140 Mio. € Einnahmen von Beschäftigten und Firmen mit direktem NOK-Bezug. Es folgen Dänemark mit 87 und Schweden mit 88 Mio. €. Relativ zum Bruttoinlandsprodukt profitiert Dänemark am stärksten. Die Berechnungen sind Teil einer Studie des IfW Kiel im Auftrag der Initiative Kiel-Canal mit dem Titel »Volkswirtschaftlicher Nutzen des Nord-Ostsee-Kanals«.

IfW-Kiel-Studie-NOK
© IfW Kiel

»Der NOK kann nur dann für die deutsche Volkswirtschaft von Nutzen sein, wenn Reedereien ihn auch befahren und nicht den Umweg der Skagen-Route um Dänemark wählen«, sagt Vincent Stamer, Projektverantwortlicher der Studie am IfW Kiel. »Der Bau einer fünften Schleusenkammer in Brunsbüttel und der Neubau der alten Schleusenkammern in Holtenau sowie eine zuverlässige Instandhaltung und zeitnahe Reparatur im Schadensfall sichern daher nicht nur direkte Einnahmen der Kanalnutzung, sondern auch indirekte Wohlfahrtseffekte für das ganze Land.«

Befahrungsabgabe in Höhe des Vor-Corona-Niveaus zu teuer

Laut der Studie entscheiden Reedereien über eine Nutzung des NOK vor allem auf Basis der Durchfahrtsgebühren und der aktuellen Treibstoffkosten. Die Wahrscheinlichkeit einer Umfahrung über die Skagen-Route nimmt demnach signifikant zu, wenn die Durchfahrtsgebühren steigen und/oder die Treibstoffkosten sinken. Die Autoren empfehlen daher eine Kopplung der Befahrungsabgabe an die Treibstoffkosten mit dem Faktor 1:4 für Massengutfrachter bzw. 1:5 für Tanker und Containerschiffe: Steigen oder sinken Treibstoffkosten um 4 bzw. 5 %, sollte auch das Nutzungsentgelt um 1 % steigen bzw. sinken.

»Gegenwärtig ist die offizielle Befahrungsabgabe für den NOK ausgesetzt, eine Wiedereinführung in Höhe des Vor-Corona-Niveaus wäre bei den gegenwärtig immer noch relativ niedrigen Treibstoffkosten aber zu hoch und würde zu einer vermehrten Umfahrung um Dänemark führen«, so Stamer. »Wenn die Einnahmen nicht kostendeckend sind, sollte der Staat zuschießen. Ein zu hoher Preis ist kontraproduktiv, er mag kurzfristig für schwarze Zahlen sorgen, drängt die Nachfrage aber zurück, was den gesamtwirtschaftlichen Nutzen des Kanals durch indirekte Effekte überproportional senkt.«

Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven profitieren vom NOK

Insbesondere auch die deutschen Seehäfen Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven profitieren der Studie zufolge vom Kanal. Der NOK erhöht die Wahrscheinlichkeit deutlich, dass Ladung dort gelöscht wird. Zusätzlich jedes vierte bis fünfte Schiff entscheidet sich nach Durchfahrt des NOK für das Anlaufen eines deutschen Seehafens anstelle der Häfen in Amsterdam, Rotterdam oder Antwerpen – auch kurzfristig. »Das heißt auch, dass technische Störungen im NOK einen negativen Einfluss auf deutsche Häfen haben. Längerfristige Sperrungen oder Schließungen des NOK dürften die deutschen Seehäfen sogar noch härter treffen«, so Stamer.

Für Ihre Studie werteten die Autoren etwa 930.000 Hafenbesuche von etwa 20.000 Frachtschiffen über 50 m Länge im Zeitraum von Januar 2014 bis August 2020 aus. Zu den beobachteten Häfen gehören die sechs Nordseehäfen Antwerpen, Amsterdam, Rotterdam, Wilhelmshaven, Bremerhaven und Hamburg sowie zwanzig große Ostseehäfen, darunter Sankt Petersburg, Danzig und Göteborg. Pro Jahr transportieren rund 30.000 Schiffe etwa 87 Mio. t Güter durch den Kanal.

»Der NOK ist wichtig für Deutschland und besser als sein Ruf. Nicht zuletzt handelt es sich beim Schiffsverkehr um eine CO2-arme Transportform und der verkürzte Seeweg gegenüber der längeren Skagen-Route spart nochmals CO2-Emissionen. Doch das Umfeld, in dem sich der NOK behaupten muss, wird härter. Er ist für die größten Containerschiffe nicht mehr ausgelegt, hinzu kommen Verwerfungen im Welthandel und niedrige Treibstoffkosten, die dem Kanal zusetzen. Umso wichtiger ist, dass die Politik jetzt beherzt den Investitionsstau beseitigt und mit einem flexiblen Preismodell Umfahrungen verhindert«, sagt Felbermayr.