Schutzverein
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Seit 120 Jahren im Dienst seiner Mitglieder: Am 27. Juni steht für den Schutzverein Deutscher Rheder ein Jubiläum an – aufgrund der Pandemie wird die Feier verschoben.

Nachgeholt werden [ds_preview]soll der Jahrestag auf der für Ende Oktober geplanten Mitgliederversammlung mit dem Jahresessen, sofern die Umstände es erlauben.

Streitigkeiten über kommerzielle Fragen gehören zur Schifffahrt wie Wind und Wellen. In einem Geschäft mit so hohen Chancen, aber auch Risiken muss man seine Ansprüche effektiv durchsetzen und genauso gut Schadenersatzforderungen abwehren können, sonst erleidet man bald geschäftlich Schiffbruch. Am besten bündelt man dazu Sachverstand und Ressourcen mit anderen. So taten es deutsche Reedereien mit insgesamt 371 Schiffen, als sie sich 1901 im Schutzverein Deutscher Rheder zusammenschlossen. Als Rechtschutzversicherer auf Gegenseitigkeit ist er seither eine feste Institution der Branche.

Michael Wester, Schutzverein Deutscher Rheder
Michael Wester, Geschäftsführer (© Schutzverein Deutscher Rheder)

Eine Würdigung hat sich der Verein über die Jahrzehnte allemal verdient. Mit Hilfe des siebenköpfigen Teams um Geschäftsführer Michael Wester konnten die Mitglieder in Streitigkeiten über Frachtverträge, Versicherungsfragen, Treibstofflieferungen oder Schiffsankäufe allein in den letzten zehn Jahren Forderungen von zusammen 150 Mio. € durchsetzen oder abwehren.

Aus seinen Räumlichkeiten in der Hamburger Hafen-City arbeitet der Verein leise und effizient. Seit vielen Jahren mussten die Mitgliedsbeiträge nicht angehoben werden, während die Prämien für Rechtschutz bei kommerziellen Anbietern oder P&I Clubs deutliche Sprünge gemacht haben.

Nach einem steilen Wachstum der Flotte im ersten Jahrzehnt dieses Jahrtausends konnte der Schutzverein ein solides Rücklagenpolster von 6,1 Mio. € bilden. »Vom Boom der KG-Schiffsfinanzierungen hat auch der Schutzverein sehr profitiert«, stellt Geschäftsführer Wester rückblickend fest. Die daraus resultierende Flut von Neubauten erwies sich als Fluch für die Schifffahrtsmärkte, ließ die versicherte Tonnage beim Verein aber bis 2012 anschwellen. In der Spitze waren es mehr als 2.000 Schiffe. Genauso rasant schmolz der Bestand in den Folgejahren wieder dahin. Nach umfassenden Zwangs- und Notverkäufen von Schiffen aus Deutschland heraus sind es aktuell noch 906 Einheiten.

Allmählich wendet sich das Blatt wieder. »Es wird erneut investiert. Die Aktivitäten nehmen zu«, beobachtet Wester. Schiffszukäufe und Neubauten dürften sich bald positiv im Bestand des Schutzvereins niederschlagen.

Theoretisch bieten die internationalen Seeversicherungsmärkte zahlreiche Alternativen zum Schutzverein. Doch die deutschen Reeder wissen den lokalen Service zu schätzen und die klare Ausrichtung auf die Belange von Tramp-Reedereien, die ihre Schiffe lieber auf Zeit verchartern als eigene Liniendienste zu betreiben. In Streitigkeiten über Zeitcharterverträge, die einen erheblichen Anteil der 250 bis 300 Fälle pro Jahr beim Schutzverein ausmachen, haben die deutschen Anwälte beste Übung, wenn es darum geht, die Interessen der Schiffseigner durchzusetzen.

Gerade heute – nach dem sagenhaften Anstieg der Charterraten in der Containerschifffahrt seit vergangenen Herbst – nehmen Streitigkeiten über Zeitfracht großen Raum ein, berichtet Wester. Häufig geht es dabei um Rücklieferzeitpunkte für Charterschiffe: Befrachter wollen die teils flexiblen und günstigen Charterverträge der vergangenen Jahre so lange wie möglich ausfahren, während die Reeder auf möglichst frühe Rücklieferung pochen, um ihre Schiffe schnell zu verbesserten Raten neu vermarkten zu können. »Das ist absolut typisch in solchen Marktphasen«, weiß Wester aus mehr als 25 Jahren Tätigkeit beim Schutzverein.

Rechtliche Themen rund um die Coronakrise konnten inzwischen weitgehend bewältigt werden. »Da gab es vor 12 bis 13 Monaten viel Aufruhr und Diskussionen darüber, inwieweit Verträge in der Schifffahrt überhaupt erfüllt werden müssen.« Ein gravierendes Problem ist allerdings geblieben: Reedereien haben angesichts der weiter bestehenden Quarantäne- und Sicherheitsmaßnahmen weiterhin große Probleme, Besatzungen an Bord der Schiffe auszuwechseln.

Häufig müssen Frachter Umwege fahren und außerplanmäßig Häfen anlaufen, in denen »Crew Change« möglich ist. Nicht alle Charterer sind dabei kooperativ, einige wollen die Schiffe dafür »off-hire« nehmen. Dem Tramp-Reeder drohten somit unter Umständen beträchtliche Einnahmenausfälle. Wester rechnet nicht damit, dass das Thema so schnell von der Tagesordnung verschwindet. »Solange die Seeleute nicht umfassend geimpft werden können, lässt sich das Problem nicht lösen.« Mit den erneuten Corona-Wellen in Fernost und Südostasien dürften die Anfragen eher noch zunehmen. (mph)