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Auf der Straße werden E-Autos immer häufiger, eine Entwicklung mit der sich auch die Fährbetreiber auseinander setzen müssen. Im Fokus stehen Sicherheitsfragen, auf die mit neuer Brandschutztechnik, Digitalisierung und Training geantwortet werden muss.[ds_preview]

Während Fährbetreiber im Umgang mit Benzin- und Dieselautos auf jahrzehntelange Erfahrung bauen können, stehen in Zeiten von Elektroautos neue Fragen nach der Sicherheit im Vordergrund. Denn die Batteriefahrzeuge stellen ganz andere Anforderungen an den Brandschutz und die Brandbekämpfung als konventionelle Autos.

Abstract: Coping with fire hazards of electric cars on ferries

The number of electric cars on the roads is rising and ferry operators have to deal with a new risk picture that is created by burning batteries. While the risk is not higher than for conventional cars, LI-ion battery fires require new approaches to fire safety that include awareness and training as well as digitization and firefighting technology.

Die Wahrscheinlichkeit des Brandes eines Elektrofahrzeuges ist Analysen zufolge nicht höher als für konventionelle Fahrzeuge, sie scheint sogar geringer zu sein, wie es in einem Arbeitspapier des vom Bund geförderten Projekts Albero heißt, das Fälle aus der Vergangenheit untersucht hat. Das Projekt hat sich die sichere Integration alternativ betriebener Fahrzeuge in den Fährverkehr zum Ziel gesetzt. Im Projekt sollen Maßnahmen für einen sicheren Transport gas- und batteriebetriebener Fahrzeuge sowie Möglichkeiten für ein Aufladen von Elektrofahrzeugen entwickelt werden.

Auch das Maritime Cluster Norddeutschland und der Verein deutscher Ingenieure (VDI) hat sich des Themas angenommen und darüber diskutiert. Dabei stand der Brandschutz im Fokus.

Problematisch bei E-Autos sind die Prozesse, die im Innern der heute üblichen Lithiumionenbatterien ablaufen, wenn es aufgrund eines Defekts oder Fehlers beim Laden zu einer Überrhitzung, einem sogenannten »thermal runaway« kommt – einer unaufhaltbaren Kettenreaktion, die die Temperatur im Akku innerhalb kürzester Zeit extrem ansteigen lässt. Dabei wird Sauerstoff aus dem Kathodenmaterial freigesetzt, welcher sofort mit dem Elektrolyt chemisch reagiert und vor allem CO und CO2 erzeugt.

Schema Stellplatzmanagement ALBERO
Eine Erfassung von Antriebsarten und ein Stellplatzkonzept sollen im Havariefall einen digitalen Überblick bieten (© Project RISE/MSB)

Die Gase führen zum Aufplatzen der Zelle. Die interne exotherme Reaktion des Sauerstoffs unterhält die permanente Wärmefreisetzung und damit das Fortschreiten der Kettenreaktion. Brand- und Explosionsgefahr entstehen, abhängig von Zellchemie und Ladezustand, dann vor allem bei der Zufuhr frischen Sauerstoffs von außen. Insbesondere bei großen Batterien können zudem größere Mengen Graphit austreten, was die Gefahr einer Graphitstaubexplosion birgt. Je nach Elektrolyt können auch Fluorwasserstoff, Phosphorsäure oder Phosphin freigesetzt werden, auch Chlorwasserstoff, Kohlendioxid und Kohlenmonoxid wurden bei Analysen schon festgestellt.

Löschmittel und Konzepte im Test

Verschiedene Löschmittel wurden hinsichtlich ihrer Eignung schon für die Löschung von Lithiumionenbatterien getestet. Der Brand einer einmal in den »thermal runaway« gegangenen Zelle ist allerdings nicht mehr aufzuhalten. Um zu verhindern, dass die Reaktion auf weitere Zellen übergreift, wird eine Löschung der offenen Flammen und Kühlung durch Wasser empfohlen. Wasser kann außerdem leicht und in großer Menge beschafft werden.

Auch andere Löschmittel können einen Batteriebrand gut eindämmen, an Land werden auch Löschdecken und spezielle Container getestet. Alle Ansätze bergen Vor- und Nachteile. Auch das Löschen mit Wasser in geschlossenen Räumen wird wegen der möglichen Wasserstoffbildung (Explosionsgefahr) kritisch gesehen. Hinzu kommt, dass kontaminiertes Löschwasser aufgefangen und entsorgt werden muss – ein bislang ungelöstes Problem, sagt der Schiffbauingenieur und TUHH-Professor Stefan Krüger, der sich mit den Herausforderungen von E-Autobränden auf Fähren auseinandersetzt.

Um diesen Risiken begegnen zu können, müssen Sicherheitskonzepte für RoRoRo/RoPax-Schiffe überdacht werden. Zu der ohnehin auch an Land schon bestehenden Problematik mit der Löschung brennender E-Autos kommen an Bord besondere Bedingungen hinzu, nicht nur im Bezug auf E-Autos. Die Fahrzeuge stehen sehr eng geparkt, was die Gefahr der Brandausbreitung erhöht, hieß es in der Debatte von MCN und VDI. Ein brennendes Fahrzeug kann nicht entfernt werden, ebenso wenig wie die Fahrzeuge darum, von der Zugänglichkeit ganz zu schweigen. Die externe Hilfe durch die Feuerwehr oder durch Herbeischaffen externer Hilfsmittel ist oft kaum möglich.

Zunächst lässt sich nicht zweifelsfrei erkennen, ob ein Auto einen Elektroantrieb hat. Hinzu kommt das Brandverhalten: langes Brennen, schwieriges Löschen, Rückzündungen und umherfliegende Batteriezellen.

Brandtest MSB project RISE
Test neuer Löschkonzepte: Mit solchen mobilen Systemen kann auch von unten gekühlt werden (© Project RISE/MSB)

Die Gefahr des Übertritts des Brandes auf die Umgebung ist nach Einschätzung der Fachleute dadurch höher als bei konventionellen Fahrzeugen. Vor oder während des Brandes können aus der Batterie toxische Gase freigesetzt werden, die Abbrandprodukte sind »deutlich schwermetallbelastet«. Die Gefahr von Gesundheitsschäden von Einsatzkräften und Personen in der Nähe ist nach Einschätzung der Fachleute höher und komplexer als bei Bränden konventioneller Fahrzeuge.

Ein Problem stellen auch die offenen Laderäume dar. Richtig löschen lasse sich auf See nur, indem man durch abdichten des Raumes die Sauerstoffzufuhr abschneide, sagt Krüger. Bei offenen RoRo-Ladedecks ist das schwierig – technisch und weil Gaslöschanlagen auf RoRo-Fahrzeugdecks nicht zugelassen sind. Krüger fordert, E-Autos an Bord grundsätzlich als Gefahrgut zu behandeln und auch entsprechend zu verladen. So dürfe der Transport nur in separaten, gasdichten Räumen mit separater Belüftung oberhalb der Wasserlinie stattfinden.

Ausgewiesene Stellplätze

Eine erste Lösung sehen die Experten des Albero-Projekts in der Umsetzung eines auf neue Risiken ausgelegten Stellplatzkonzepts. Schon bei der Buchung einer Überfahrt könnte die Antriebsart registriert werden, auf der Vorstaufläche im Hafen sollen die Fahrzeuge dann mittels speziell ausgewiesener Fahrspuren vorsortiert werden. Zudem könnten die Fahrzeuge mittels farbiger Einleger hinter der Windschutzscheibe markiert werden.

Im Innern des Schiffs sollen den Autos dann je nach Antriebsart speziell ausgewählte und ausgerüstete Stellplätze zugewiesen werden. Ein Softwaresystem könnte die Zuweisung unterstützen und einen Überblick über die aktuelle Transportsituation bieten. »Man muss im Havariefall wissen, was das für ein Auto ist, das da brennt und was in der Nähe steht«, sagt Dana Meißner, Leiterin Forschung und Entwicklung beim Institut für Sicherheitstechnik/Schiffssicherheit, einem der Verbundpartner des Albero-Projekts.

Als Kriterien für E-Auto-Stellplätze werden ein ausreichender Abstand zu anderen Fahrzeugen von 60 cm, eine Unterbringung auf einem Deck oberhalb der Wasserlinie – um im Brandfall die Stabilität des Schiffes nicht durch Löschwasser zu gefährden – und ausreichend dimensionierte Drainageöffnungen genannt. Zudem bedürfte es einer kontinuierlichen Belüftung, Gassensoren, die beispielsweise Wasserstoff erkennen können, Temperaturfühlern und einer Kameraüberwachung.

Außerdem müsste die Feuerlöschausrüstung angepasst werden. Zu den Brandbekämpfungsmaßnahmen haben die Albero-Experten Vorschläge entwickelt. »Es zeichnet sich ab, dass möglicherweise eine Kombination aus Löschdecke und Wasserkühlung geeignet sein könnte. Es ist wichtig, das havarierte Fahrzeug möglichst auch von unten zu kühlen, um die Batterie zu erreichen«, sagt Meißner. Dafür seien inzwischen verschiedene Hilfsmittel entwickelt worden, die unter das Auto geschoben und auch an das Hydrantensystem des Schiffes angeschlossen werden könnten. »Sowohl die Wasserkühlung als auch die Löschdecke können den Brand der Batterie in der Regel nicht löschen, aber eine Ausbreitung des Feuers deutlich verringern«, erklärt sie. Auch fest im Boden eingebaute Düsen seien denkbar, aber teuer. Meißner kann sich zudem mobile Trennwandsysteme vorstellen, auch für andere Brandfälle.

Personal muss geschult werden

Das Bordpersonal, die zweite Brandschutzkomponente, könnte per E-Learning für die neuen Risiken sensibilisiert werden. »Jedes Crewmitglied sollte entsprechend geschult werden: Welche alternativ betriebenen Fahrzeuge gibt es, woran erkenne ich sie? Welche Eigenschaften haben die Kraftstoffe bei Austritt? Was ist ein thermal runaway? Was passiert bei einer Havarie? Welche ersten Maßnahmen kann die Crew im Brandfall für die unterschiedlichen Fahrzeuge ergreifen? Wir haben im Projekt ein online-Lehrsystem entwickelt, welches all diese Inhalte vermittelt«, sagt Meißner.

Technische Lösungsvorschläge liegen vor, im nächsten Schritt geht es um die Entwicklung eines rechtlichen Rahmens, um der veränderten Risikolage Rechnung zu tragen und neue Brandschutzkonzepte zu implementieren. Das ist eines der Ziele des Projekts LASH Fire. Hier beschäftigen sich Experten mit der Anpassung der Regelwerke für den sicheren Fährbetrieb zusammen mit zwei Advisory-Groups bei der IMO, in denen Reeder, Werften, Batteriehersteller, Brandschutzanbieter und Flaggenstaaten eingebunden sind.    (fs)