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In der Vergangenheit waren in der HANSA das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Zypern von 2011 (DBA-Zypern 2011) und zwei für Seeleute seinerzeit bedeutsame Entscheidungen des Bundesfinanzhofs kommentiert worden. Eine Gesetzesänderung in Zypern gibt Anlass zu einem Update. Wenngleich die Änderung unmittelbar nur zypriotische Seeleute betrifft, dürfte sie vielfach auch für deutsche Besatzungsmitglieder mit zypriotischem Arbeitgeber relevant sein.[ds_preview]

Bereits im vergangenen Jahr hat Zypern zugunsten seiner Seeleuten Steuerbefreiungen beschlossen. Diese Vergünstigungen sind Bestandteil der Änderungen des »Merchant Shipping (Fees and Taxing Provisions) (Amendment) Law of 2020«. In einer Verlautbarung des Shipping Deputy Ministry heißt es dazu:

In accordance with the EU decision (Anm. des Verfassers: Gemeint ist die Zustimmung der Europäischen Kommission vom 16.12.2019 zum geltenden Tonnagesteuersystem Zyperns), the tax benefits existing for seafarers have been extended to seafarers of Community ships.
More specifically, under section 55 of the new Law the tax exemptions apply to seafarers who are liable to in-come tax in Cyprus and are employed on board a Community ship which is a qualifying ship engaged in a quali-fying shipping activity.
Where the vessels provide scheduled passenger services between ports of the Community, only seafarers who are citizens of the EU/EEA are eligible to benefit from the scheme. In all other cases, the exemptions apply to all seafarers (citizens of a Member State or a non-Member State).

Die entsprechende Gesetzesänderung findet seit dem 1.1.2020 Anwendung. Davor hat Zypern die Steuerbefreiung der Heuer insbesondere davon abhängig gemacht, ob das Besatzungsmitglied in Zypern unbeschränkt oder nur beschränkt steuerpflichtig ist. So waren in Deutschland ansässige und in Zypern nur beschränkt steuerpflichtige Seeleute regelmäßig schon bislang von der zypriotischen Einkommensteuer befreit. Hingegen konnte die Vergütung für die gleiche Tätigkeit steuerpflichtig sein, wenn das Besatzungsmitglied in Zypern unbeschränkt steuerpflichtig war.

Nunmehr entfällt für die Steuerbefreiung die Unterscheidung danach, ob das Besatzungsmitglied in Zypern unbeschränkt oder nur beschränkt steuerpflichtig ist. Obschon die Gesetzesänderung unmittelbar nur die zypriotischen Seeleute betrifft, kann der Wegfall dieser Unterscheidung für deutsche Seeleute mit zypriotischem Arbeitgeber von Bedeutung sein.

Seeleute im DBA-Zypern 2011

Das Besteuerungsrecht für die Heuer deutscher Seeleute mit zypriotischem Arbeitgeber bestimmt sich nach dem DBA-Zypern 2011, das eine spezielle Regelung für die Arbeit an Bord von Binnenschiffen und im internationalen Verkehr betriebenen Seeschiffen enthält.
Die Mehrheit der rund 100 deutschen DBA weisen das Besteuerungsrecht für die Heuer dem Vertragsstaat zu, »in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet.«

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© Pixabay

Unternehmen in diesem Sinne kann nach Auffassung des Bundesfinanzhofs grundsätzlich nur ein Unternehmen sein, das selbst internationalen See- beziehungsweise Binnenverkehr betreibt und das zugleich wirtschaftlicher Arbeitgeber des Besatzungsmitglieds ist. Eine Crewing-Gesellschaft ist deshalb grundsätzlich nicht Unternehmen in diesem Sinne, wenn sie nicht selbst Seeschiffe im internationalen Verkehr oder Binnenschiffe betreibt.

Insbesondere zwei für die deutsche Schifffahrt bedeutsame DBA weichen von diesem Grundsatz ab: Das DBA-Liberia und das DBA-Zypern 2011. Während dem DBA-Liberia eine gesonderte Regelung für den Einsatz an Bord von Schiffen fehlt, enthält das DBA-Zypern eine in der deutschen Abkommenspraxis exklusive Regelung. Denn nach der ausdrücklichen Bestimmung im Protokoll zum DBA-Zypern 2011 bedeutet der Ausdruck »Unternehmen« das Unternehmen des Arbeitgebers des Besatzungsmitglieds. Ist eine Crewing-Gesellschaft somit Arbeitgeber des Seefahrers, muss diese das Schiff, auf dem der Arbeitnehmer eingesetzt wird, nicht betreiben, damit die schifffahrtsspezifischen Regelungen des DBA-Zypern 2011 Anwendung finden.

Entgegen der Auffassung der deutschen Finanzverwaltung ist insoweit unmaßgeblich, ob dieser zugleich auch wirtschaftlicher Arbeitgeber im Sinne des DBA-Zypern 2011 ist und als Unternehmen angesehen werden kann, das eigenständig den Schiffsverkehr betreibt. Tatsächlich kommt es auf den wirtschaftlichen Arbeitgeber nach dem DBA-Zypern 2011 nicht an.

Überdies regelt das DBA-Zypern 2011 die Besteuerung entsprechender Einkünfte abschließend – das heißt, dass der Geschäftsleitungsstaat das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die Einkünfte hat. Ist Deutschland Ansässigkeitsstaat, unterliegen die Einkünfte hier dem Progres-sionsvorbehalt.

Somit hat im Fall einer deutschen Reederei mit tatsächlicher Geschäftsleitung im Inland, die die Bemannung ihrer Schiffe durch eine in Zypern ansässige Crewing-Gesellschaft vornehmen lässt, Zypern als Geschäftsleitungsstaat der Crewing-Gesellschaft das ausschließliche Besteuerungsrecht für die Heuer der Seeleute. Tatsächlich machte Zypern von seinem Besteuerungsrecht jedoch schon bisher regelmäßig keinen Gebrauch, wenn das Besatzungsmitglied in Zypern nur beschränkt steuerpflichtig ist.

Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Deutschland und Zypern mit Protokoll vom 19.2.2021 Änderungen des DBA-Zypern 2011 vereinbart haben; unter anderem ist vorgesehen, Nicht- oder Niedrigbesteuerungen durch missbräuchliche Gestaltungen zu vermieden.

Besteuerung der Seeleute in Deutschland

Mit der Anordnung im DBA-Zypern 2011, dass Zypern das ausschließliche Besteuerungsrecht für die Heuer hat, ist noch nicht gesagt, dass die Heuer unversteuert bleibt, sollte Zypern sein Besteuerungsrecht tatsächlich nicht ausüben. Denn es existieren im deutschen Einkommensteuerrecht Regelungen, die die Entstehung sogenannter »weißer Einkünfte« vermeiden sollen.

Mit weißen Einkünften gemeint sind Einkünfte, die weder im Quellenstaat noch im Wohnsitzstaat besteuert werden. Weiße Einkünfte können etwa dadurch entstehen, dass der Quellenstaat das ihm zugewiesene Besteuerungsrecht tatsächlich nicht ausübt, während der Wohnsitzstaat durch die abkommensrechtliche Zuweisung des Besteuerungsrechts an den Quellenstaat an einer Besteuerung dieser Einkünfte gehindert ist. Für diesen Fall »überschreibt« die einschlägige Regelung § 50d Abs. 9 Nr. 2 EStG das DBA, weshalb sie auch als »treaty override« bezeichnet wird.

Ob dieser »treaty override« gegen die Verfassung verstößt, wird das Bundesverfassungsgericht in einem derzeit anhängigen Verfahren entscheiden. Von diesem Verfahren unbeeindruckt wendet die Finanzverwaltung die Norm ihrem Wortlaut entsprechend weiterhin an. Für einen in Deutschland steuerpflichtigen Seefahrer mit zypriotischem Arbeitgeber hat die Vorschrift deshalb bislang regelmäßig dazu geführt, dass das Wohnsitzfinanzamt die Heuer entgegen der ausdrücklichen Bestimmung im DBA-Zypern 2011 besteuert hat. Denn die Heuer war in Zypern bis zum Veranlagungszeitraum 2019 nur deshalb befreit, weil der Seefahrer dort nicht unbeschränkt steuerpflichtig war.*

Für die Veranlagungszeiträume ab 2020 ist die Situation gegebenenfalls eine andere. Denn seither sind, wie eingangs erwähnt, gegebenenfalls auch die in Zypern unbeschränkt steuerpflichtigen Seeleute mit ihrer Heuer steuerfrei. Daraus folgt, dass in den einschlägigen Konstellationen auch die Heuer deutscher Seeleute steuerfrei bleibt.

Fazit

Bis auf weiteres gilt im Ergebnis, dass es deutschen Seeleuten mit zypriotischem Arbeitgeber möglich ist, aus Zypern sogenannte weiße Einkünfte zu erzielen. Ob die Voraussetzung vorliegen, bedarf einer Prüfung im Einzelfall. Insofern hat der zypriotische Gesetzgeber im vergangenen Jahr auch die Besteuerung der Seeleute in Deutschland beeinflusst.

Von Thomas Rauert – Wirtschaftsprüfer/Steuerberater – Grant Thornton, Hamburg

 


* Vgl. FG Hamburg v. 13.4.2017 – 6 K 195/16, EFG 2017, 1176 (Rev. BFH I R 30/17) zu Art. 14 Abs. 4 DBA-Zypern 2011, wonach § 50d Abs. 9 Nr. 2 EStG unanwendbar ist, wenn die Nichtbesteuerung im an-deren Vertragsstaat darauf beruht, dass dieser die Einkünfte allgemein nicht besteuert. So liegt es, wenn und soweit die entsprechenden Einkünfte des Steuerpflichtigen – wie im Entscheidungsfall – unterhalb je-ner Grenze liegen, die im anderen Staat (hier: Zypern) zur Steuerpflicht führt. Zuzustimmen ist dem FG Hamburg auch in dem Befund, dass vom Steuerpflichtigen nach § 50d Abs. 8 EStG kein zusätzlicher Nachweis verlangt werden kann, wenn sich die Nichtbesteuerung bereits unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.