Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen © EU
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Mit ihrem »Fit for 55«-Maßnahmenpaket will die EU den CO2-Ausstoß bis 2030 um 55 % unter den Wert von 1990 drücken. Die geplante Einbeziehung der Schifffahrt in den Emissionshandel bedeutet zusätzliche Kosten für die Reeder und sorgt auch für Kritik

Erst der »Green Deal«, jetzt »Fit for 55« – mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen wil[ds_preview]l die EU dem Klimawandel begegnen und die Schadstoffemissionen in ihrem Einzugsgebiet deutlich reduzieren. Das betrifft erstmals auch die Seeschifffahrt, die für ihren CO2-Ausstoß künftig zahlen muss.

Demnach soll der Geltungsbereich des europäischen Emissionshandelssystems (EU-EHS) ab 2023 auf alle Schiffe mit mehr als 5.000 BRZ ausgeweitet werden, unabhängig davon, welche Flagge sie führen. Das soll wegen der damit verbundenen Kosten den Umstieg auf umweltfreundliche Kraftstoffe beschleunigen.

Handel mit Zertifikaten

Künftig wird der CO2-Ausstoß von Schiffen durch die EU mit zusätzlichen Kosten belastet. Die Reeder müssen EHS-Zertifikate für jede emittierte Tonne CO2 kaufen. Dies betrifft ab 2026 zu 100 % die Emissionen aus Fahrten innerhalb der EU und zu 50 % die Emissionen aus Fahrten, die im Gebiet der EU beginnen oder enden. Mit der Einbeziehung der interkontinentalen Fahrten will Brüssel verhindern, dass Dienste umgelenkt und Umschlagaktivitäten verlagert werden. Das Ganze startet 2023.

Um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten, müssen Schifffahrtsunter­nehmen während einer Übergangsphase bis 2026 nur für einen Teil ihrer Emissionen Zertifikate einlösen. Im ersten Jahr sind es 20 %, 2024 sind es dann 45 % und 70 % dann im Jahr 2025. Danach muss der Schadstoffausstoß zu 100 % abgedeckt sein.

Landstrom im Hafen

Außerdem verpflichtet die EU alle Schiffe, an ihren Liegeplätzen in einem EU- Hafen Landstrom zu beziehen. Über das ebenfalls vorgelegte Programm »FuelEU Maritime« will die EU-Kommission den Umstieg auf alternative CO2-arme Kraftstoffe im Seeverkehr beschleunigen, um die Schadstoffbelastung schneller abzusenken. Mit ihren Beschlüssen will die EU Anreize für eine Verbesserung der Energieeffizienz und für die Entwicklung CO2-armer Technologien schaffen.

Über das EU-EHS sind den Angaben zufolge künftig etwa zwei Drittel der CO2-Emissionen (90 Mio. t/Jahr) aus dem Seeverkehr abgedeckt. Zuständig für die Einhaltung der Vorschriften sind die Mitgliedstaaten. Zusätzlich zu den Sanktionsmöglichkeiten des EU-EHS kann Schiffen der Zugang zu europäischen Häfen verweigert werden, wenn die geforderten Zertifikate für zwei oder mehr Jahre nicht abgegeben werden.

VDR vermisst globale Regelung

Der Verband Deutscher Reeder (VDR) begrüßte im Grundsatz, die Schifffahrt in Europa emissionsärmer zu machen. VDR-Präsident Alfred Hartmann erinnerte aber noch einmal daran, dass die Reeder eine globale Regelung über die IMO gegenüber einer regionalen Lösung auf EU-Ebene vorgezogen hätten. Statt der Teilnahme an einem volatilen Emissionshandel hätten die Reeder eine feste Abgabe pro Tonne Kraftstoff, also eine CO2-Steuer vorgezogen, weil dies eine höhere Preisstabilität und damit eine bessere Planbarkeit für die Unternehmen geboten hätte.

Die EHS-Gebühren seien in etwa vergleichbar mit den Kosten der weltweiten Einführung der neuen schwefelarmen Kraftstoffe (IMO 2020), die derzeit zu erwartende Höhe der Emissionsabgaben stelle damit eine erhebliche finanzielle Belastung dar. »Wir drängen daher darauf, dass die EU ihr regionales System so gestaltet, dass es ohne große Anpassungen auf ein System, das die IMO absehbar mit weltweiter Geltung beschließen wird, übertragbar ist.«

Schiffseigner sollen zahlen

Der VDR plädiert zudem dafür, das so genannte »Polluter pays«-Prinzip vollständig anzuwenden, wonach wie auch in anderen Sektoren der direkte Verursacher der Emissionen für den Emissionshandel verantwortlich ist. Die EU plant, Schiffseigner und eventuell Shipmanagement-Firmen oder Charterer zu Kasse zu bitten. »Wer den Treibstoff kauft und den Kurs des Schiffes bestimmt, sollte folgerichtig auch die Klima-Aufschläge zahlen«, sagt hingegen Hartmann.

Der VDR-Präsident warnte zugleich davor, mit den Einnahmen aus dem Emissionshandel andere Löcher des EU-Haushalts zu stopfen. Auch der europäische Reederverband (ECSA) forderte die Einrichtung eines Fonds, um die Entwicklung marktreifer alternativer Kraftstoffe zu finanzieren. Denn die europäische Schifffahrt müsse trotz den erheblichen Mehrbelastungen weiter wettbewerbsfähig bleiben. Dies aber hat die EU nicht vorgesehen. Die Einnahmen fallen den Mitgliedsstaaten zu, sie sind lediglich gehalten, das Geld in Klima­schutzmaßnahmen zu reinvestieren.

Guy Platten, Generalsekretär der Internationalen Schifffahrtskammer ICS, nannte den EU-Plan »überzogen« und der Kauf von Emissionszertifikaten eine »reine Geldbeschaffungsmaßnahme«. Über den EU-Plan würden nur 7,5 % der weltweiten Emissionen in der Schifffahrt abgedeckt, aber auch Unternehmen außerhalb der EU zur Kasse gebeten. Die Bemühungen auf internationaler Ebene, eine globale Regelung zu finden, könnten durch den europäischen Alleingang erschwert werden. KF