China und Türkei weiter Retrofit-Hotspots

Print Friendly, PDF & Email

Am Reparatur- und Umbaumarkt brummt es in diesem Jahr, in manchen Regionen sind die Werftplätze knapp, die Aussichten positiv. Die Corona-Krise hat zur Bildung neuer Netzwerke vor Ort geführt, geografische Verschiebungen sind aber nur vorübergehend

Neue Umweltvorgaben, neue und Brücken-Technologien sowie die Verwerfungen du[ds_preview]rch die Corona-Pandemie sorgen für eine interessante Gemengelage am Reparatur- und Umbauwerftmarkt, wie eine Umfrage unter Hamburger Werftvertretungen zeigt.

So würden aktuell hauptsächlich Werftplätze für Installationen von Ballastwasserbehandlungsanlagen (BWTS) in Verbindung mit Klasse-Dockungen gebucht, berichtet Dieter Gast, der die Hamburger Werftvertretung Peter Gast Shipping zusammen mit seinem Bruder Christian Gast leitet. Werften in bestimmten Regionen seien sehr gut gebucht, hier bekomme man gegebenenfalls kurzfristig keine Docks. »Andere Retrofitprojekte werden momentan eher verhalten angefragt«, sagt er.

Nach wie vor seien China, Türkei, schwarzes Meer und der Ostsee-Raum bevorzugte Standorte für die Nachrüstungsprojekte, »wobei aufgrund der hohen Charterraten im Container- und Bulker-Markt davon ausgegangen werden kann, dass man lange Deviationen vermeiden wird«, sagt Gast.

Allerdings gebe es im Bezug auf die verschiedenen Retrofit-Vorhaben keine geografischen Schwerpunkte wie etwa Scrubber-Installationen in Asien und Elektrifizierungsprojekte in Europa. »Generell werden Retrofit-Vorhaben nach Fahrtgebiet geplant. Sollte es möglich sein, Schiffe zu disponieren, werden meist China und die Türkei bevorzugt«, berichtet Gast, dessen Agentur Projekte von der Anfrage bis zum Projektende begleitet.

Die Corona-Krise habe sich insofern auf den Markt ausgewirkt, als zunächst Klasse-Verlängerungen ausgereizt worden seien. Als Grund nennt Gast die Ungewissheit darüber, ob der technische Inspektor oder die gewünschten Servicetechniker reisen konnten oder durften. »Nach und nach wurden Netzwerke gebildet und zum Beispiel lokales Personal beauftragt, die Dockungen und Reparaturen durchzuführen«, sagt er. Das habe sich beispielsweise in China »gut eingespielt«.

Somit konnten Reedereien die Quarantäne für ihr Personal vermeiden. »Reedereien, die auf dem Spot-Markt tätig sind, haben versucht, ihre Schiffe nach Deutschland zu positionieren, damit eigenes Personal die Reparaturen beaufsichtigen kann«, berichtet Gast weiter.

In vergangenen Jahren waren in der kriselnden Schifffahrt viele Reparatur- und Nachrüstungsmaßnahmen so lange wie möglich hinausgezögert, IMO-Deadlines bis zuletzt ausgereizt worden. Das passiere auch nach wie vor sagt Dieter Gast: »Sollte ein Schiff vor dem Abschluss einer neuen, gut bezahlten Langzeitbeschäftigung stehen, werden Dockungen oder Retrofits gegebenenfalls vorgezogen. In einer bestehenden, gut bezahlten Charter werden Dockungen allerdings durchaus hinausgezögert.«

LNG-Retrofits für Neubauten

Christian Schneider © Zoepffel & Schneider
Christian Schneider © Zoepffel & Schneider

Christian Schneider von der Hamburger Werftvertretung Zoepffel & Schneider berichtet, dass er kurioserweise Anfragen für LNG-Retrofits eher für geplante Neubauten als für bestehende Schiffe bekommt. »Scheinbar verlangen die Neubauwerften aktuell Unsummen für LNG-betriebene Schiffe und daher gibt es Überlegungen, die Schiffe ›LNG ready‹ bauen zu lassen, um sie dann später nach Inbetriebnahme in Europa nachzurüsten. Das dürfte sich auf jeden Fall rechnen«, sagt er.

Ansonsten seien Anfragen für die Nachrüstung von Scrubbern »sehr, sehr selten« geworden während das Geschäft in Sachen Ballastwasseranlagen laufe, weil diese derzeit bei fast jedem Schiff nachgerüstet werden müssen, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen.

Aktuell seien »erstaunlicherweise« alle Werften gut gebucht – weltweit. »Aber wir sehen insbesondere in folgenden Gebieten, dass die Werften vollkommen aus- und teilweise überbucht sind: Ostsee, Schwarzmeer, Nahost, China«, sagt Schneider. Scrubber würden – wenn überhaupt – nach wie vor China nachgerüstet, teilweise aber auch in Deutschland oder im Ostseeraum. Die europäischen Werften seien da durchaus konkurrenzfähig und profitierten von der derzeitigen Nachfrage nach Nachrüstungen und Umbauten. »Aktuell sieht es so aus als ob die Werften in den kommenden Monaten weiterhin sehr gut ausgelastet sind. Frühe Buchungen sind sehr empfehlenswert«, so der Experte.

Die Corona-Krise habe für einige Unruhe im Markt gesorgt, weil niemand verlässlich planen könne. »Je nach Infektionsgeschehen kann es sein, dass Werftzeiten kurzfristig umgebucht werden müssen, weil es neue lokale Auflagen gibt«, berichtet Schneider. In der chinesischen Region um Zhoushan, dürften beispielsweise keine Schiffe mehr für Reparaturen angenommen werden, wenn die Schiffe in den letzten drei Monaten einen indischen Hafen angelaufen haben.

Nicht unüblich sei auch, dass gerechnet ab dem Auslaufen aus dem letzten ausländischen Löschhafen 14 Tage Quarantänezeiten auf See abgewartet werden müssten. »Oder es gibt Änderungen seitens der Behörden, die Inspektoren und Servicetechniker zwingen, sich nach Anreise oder Rückkehr in Quarantäne zu begeben. Da bevorzugen Reedereien logischerweise Werften beziehungsweise Länder, in denen es aktuell keine solchen Auflagen gibt«, sagt er. »Die Auflagen drehen sich ja nicht nur um Inspektoren und Servicetechniker, die vor Ort gebraucht werden. Es geht ja auch um die Schiffe und Besatzungen – inklusive möglicher Besatzungswechsel.«

Insbesondere in China würden aktuell 90 % der Dockungen »remote« durchgeführt. Dazu engagieren die Reedereien einen chinesischen Inspektor, der für sie »vor Ort Augen und Ohren ersetzt.«

»Werften auf Monate ausgebucht«

Christof Gross © Germania
Christof Gross © Germania

Christof Gross von der Germania Ship­yard Agency berichtet: »Der Reparaturbereich läuft, die Werften sind auf Monate ausgebucht. Das wird sich zum Jahresende nicht ändern. Hinzu kommen noch Verlagerungen, wenn in China wieder Werften zur Covid-Eindämmung geschlossen werden.« Aktuell seien viele Linienreedereien noch mit Scrubber-Installationen beschäftigt.

»Zur Zeit haben wir in einigen Regionen schon wieder acht Wochen Wartezeit im Postpanamax-Bereich. So wird es bis Jahresende bleiben. Sollten die Raten weiter auskömmlich bleiben, wird es vermehrt zu Projekten kommen um die Ladungskapazitäten zu erhöhen, das wird weiteren Platz in den Reparaturwerften blockieren«. Ballastwassersysteme würden weitestgehend mit den normalen Klassedockungen oder mit mobilen Riding Teams installiert. Das sei mittlerweile normaler Bestandteil des Leistungsangebots der Werften. Umrüstungen im Bereich Elektro und Hybrid beobachtet er nur in der Fahrgastschifffahrt »und damit eigentlich nur in Europa«. LNG-Retrofits seien sehr selten. Während bei den großen Schiffen das Thema neuer Wulstbug mittlerweile abgehakt sein, würden zur Zeit immer noch effiziente Propeller montiert.

Den geografischen Schwerpunkt bei Retrofits macht Gross weiterhin in China aus, allerdings hat die Pandemie für etwas Bewegung gesorgt. »Aufgrund der komplizierten und schnell wechselnden Covid-Regeln kam es zu einer Verschiebung eines kleinen Anteils des Reparaturmarktes. Profitiert haben hiervon andere noch günstige Gebiete wie Indonesien, die Türkei und der Persische Golf. »Aufgrund der Mehrkosten und der beschränkten Kapazitäten in den Regionen ist das aber keine dauerhafte Option«, sagt Gross.

Insgesamt mache die aktuelle Pandemiesituation eine langfristige Planung aufgrund der sich ständig ändernden Regelungen sehr schwierig. »Geplante Projekte müssen verschoben werden, da neue Regeln im geplanten Bereich die Reparatur unmöglich machen, zum Beispiel Regeln für Schiffe aus indischen Häfen in China, sagt er.

Die europäischen Player haben derweil noch Anteile im Bereich der Scrubber-Nachrüstungen, auch Umbauten im Fahrgastbereich finden in Europa statt. Größere Tonnage in der Handelsschifffahrt geht aber zum Großteil in China und zu geringen Anteilen in der Türkei und im Persischen Golf ins Dock.

Quarantäne? Werftplatz storniert

Timo Schultze, Geschäftsführer der Hamburger Werftvertretung Combitrade berichtet, dass sich der Markt in diesem Jahr bislang geografisch sehr unterschiedlich entwickelt hat. »Während sich die Lage in Europa in Bezug auf Covid-19 teilweise/zeitweise etwas entspannt, hat sich die Lage in anderen Teilen der Welt, zum Beispiel Südostasien oder auch in der Karibik eher noch verschlechtert«, sagt er.

Timo Schultze © Combitrade
Timo Schultze © Combitrade

Kürzlich hätten einige Länder ihre Restriktionen für Schiffe verschärft, die zuvor einen Corona-Hotspot angelaufen haben, indem die Quarantäne Regularien für diese Schiffe stark verschärft worden seien. »Dies hatte zur Folge dass einige Schiffe eine bereits gebuchte Werft wieder stornieren und einen neuen Werftplatz buchen mussten, um eine längere Quarantäne zu vermeiden. Diese Situation wird sich aber hoffentlich mit zunehmenden Impfungen wieder etwas entspannen«, so Schultze.

Würden Retrofit-Projekte zwar im Allgemeinen entsprechend dem Fahrtgebiet durchgeführt, um Deviationskosten und Zeitverlust gering zu halten, beobachtet man bei Combitrade in diesem Jahr aber vermehrt Projekte im Mittel­meer und in der Ostsee. »In vielen Fällen scheint dies der Pandemie geschuldet. Die Reisebeschränkungen haben die Projektdurchführung deutlich erschwert, da es sich teilweise sehr schwierig gestaltet, eigene oder auch externe Techniker in gewisse Regionen zu fliegen.

Daher kann es sein, dass der Preisvorteil einiger Regionen (z.B. China), durch die erschwerten Reisebedingungen und die damit verbundenen Kosten und Schwierigkeiten bei der Projektdurchführung, wieder aufgehoben wurde«, sagt Schultze. Combitrade sieht sich trotzdem insbesondere in China sehr gut aufgestellt. Trotz der schwierigen Situation vor Ort, könne Combitrade mit Hilfe des eigenen Büros in Schanghai und mit einem erweitertem Angebot von lokalen Technikern die teilweise europäische Wurzeln haben, die Kunden optimal bei der Durchführung der Projekte unterstützen, erklärt Schultze.

Auch Timo Schultze beobachtet, dass wie in den Vorjahren weiterhin versucht wird, anstehende Dockungen zu verzögern. Hintergrund sei diesmal allerdings nicht voranging der Druck, die Kosten zu reduzieren, viel mehr werde versucht, die momentanen attraktiven Charterraten mitzunehmen. »Generell bleiben die Reeder aber unserer Meinung nach sehr sensibel bei dem Thema Kosten. Es hängt allerdings auch von der Beschäftigung des Schiffes ab. Ist es im Spotmarkt unterwegs, verleiten die guten Raten dazu, so lange wie möglich zu fahren. Ist ein Schiff in einer längeren Zeitcharter hängt der Dockzeitpunkt eher am Charterer beziehungsweise ist oft auch in der Charter Party geregelt.« (fs)