Adina Ioana Valan (© EP)
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Die EU-Agenturen für maritime Sicherheit und Umwelt haben den ersten »maritimen Umweltverträglichkeitsbericht« veröffentlicht. Die Stoßrichtung ist relativ deutlich: Trotz vieler positiver Entwicklungen ist noch einiges zu tun.[ds_preview]

In dem Report erkennen die European Environment Agency (EEA) und European Maritime Safety Agency (EMSA) »gute Fortschritte auf dem Weg zur Nachhaltigkeit«. Gleichzeitig seien aber »weitere Anstrengungen« erforderlich. Angesichts des prognostizierten Anstiegs des weltweiten Seeverkehrsaufkommens soll der Bericht erstmals das ganze Ausmaß der Auswirkungen des EU-Seeverkehrs auf die Umwelt aufzeigen.

EU, ECSA, Reederverband, Dorsman
Source: Pixabay

Da 77% des europäischen Außenhandels und 35% des gesamten wertmäßigen Handels zwischen den EU-Mitgliedstaaten auf dem Seeweg abgewickelt werden, ist der Seeverkehr ein wichtiger Bestandteil der internationalen Lieferkette. Unabhängig vom Corona-bedingten Rückgang in 2020 wird erwartet, dass der Sektor in den kommenden Jahrzehnten stark wachsen wird, angetrieben durch die steigende Nachfrage nach Primärressourcen und den Containerverkehr.

Erster »Gesundheitscheck«

Vor diesem Hintergrund stelle der Bericht den ersten umfassenden Gesundheitscheck des Sektors dar. Aus dem Report geht hervor, dass Schiffe 13,5% aller verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen in der EU verursachen. Damit liegt die Branche deutlich hinter den Emissionen des Straßenverkehrs (71%) und des Luftverkehrs (14,4%). Die Schwefeldioxidemissionen von Schiffen, die europäische Häfen anlaufen, beliefen sich im Jahr 2019 auf etwa 1,63 Mio. t., »eine Zahl, die in den kommenden Jahrzehnten aufgrund strengerer Umweltvorschriften und -maßnahmen weiter sinken dürfte«, heißt es.

Vom Verband Deutscher Reeder (VDR) reagierte Geschäftsführer Ralf Nagel auf die Veröffentlichung des Berichts. Er sieht die Schifffahrt auf einem guten Weg, erneuerte aber die Forderung der Branche nach globalen Regeln statt regionalen Alleingängen: »Dafür, dass Schiffe 90% aller Waren weltweit und drei Viertel des europäischen Außenhandels transportieren, ist ihr Umwelt-Fußabdruck, wie der Bericht zeigt, im Vergleich klein. Die Schifffahrt hat in den vergangenen Jahrzehnten bereits viel getan, um noch umweltfreundlicher zu werden – und wird in Zukunft noch mehr tun, insbesondere auch beim Klimaschutz. Damit die Effekte wirklich nachhaltig sind, braucht es am besten globale, nicht regionale Lösungen.«

Der Seeverkehr hat nach Ansicht der Autoren wahrscheinlich dazu beigetragen, dass sich der Unterwasserlärmpegel in den EU-Gewässern zwischen 2014 und 2019 mehr als verdoppelt hat. Zudem sei die Schifffahrt für die Hälfte aller seit 1949 in die europäischen Meere eingeführten nicht heimischen Arten verantwortlich.

»Alle müssen nachhaltiger werden«

Der Bericht bewertet den aktuellen Stand neuer nachhaltiger Lösungen für den Seeverkehr, einschließlich alternativer Kraftstoffe, Batterien und Landstromversorgung. Außerdem werden die künftigen Herausforderungen des Klimawandels für die Branche skizziert, einschließlich der möglichen Auswirkungen des steigenden Meeresspiegels auf die Häfen.

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Adina Ioana Valan (© EP)

»Unsere Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität macht deutlich, dass alle Verkehrsträger nachhaltiger, intelligenter und widerstandsfähiger werden müssen – auch die Schifffahrt. Obwohl sich die Umweltbilanz des Seeverkehrs in den letzten Jahren verbessert hat, steht er immer noch vor großen Herausforderungen, wenn es um die Dekarbonisierung und die Reduzierung der Umweltverschmutzung geht«, sagte EU-Verkehrskommissarin Adina Vălean. Man wolle die Schifffahrt unterstützen, innovative Lösungen und digitale Technologien optimal zu nutzen. »Auf diese Weise kann der Seeverkehr weiter wachsen und die täglichen Bedürfnisse unserer Bürger im Einklang mit der Umwelt befriedigen, während er gleichzeitig wettbewerbsfähig bleibt und weiterhin hochwertige Arbeitsplätze schafft«, so die Kommissarin.

»Wenn wir jetzt nicht handeln…«

Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius wurde deutlich: »Wenn wir jetzt nicht handeln, wird der Sektor immer mehr Treibhausgasemissionen, Luftschadstoffe und Unterwasserlärm produzieren. Eine reibungslose, aber rasche Umstellung ist von entscheidender Bedeutung, um die Ziele des europäischen Green Deal zu erreichen und sich in Richtung Kohlenstoffneutralität zu bewegen.« Dies werde auch neue wirtschaftliche Möglichkeiten für die europäische Verkehrsindustrie als Teil des notwendigen Übergangs zu einer nachhaltigen blauen Wirtschaft schaffen.

EMSA
Maja Markovcic (Foto: EMSA)

»Die neue maritime Revolution werde von Schiffen abhängen, die mit Hilfe fortschrittlicher Technologie und digitaler Lösungen entwickelt werden, aber auch von einem vielschichtigen, alle Beteiligten einbeziehenden Prozess auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene, der neben Umweltaspekten auch Sicherheits- und Sozialaspekte einbezieht«, sagte EMSA-Chefin Maja Markovčić Kostelac. Entscheidend sei aber auch die Rolle der Schifffahrt als Glied einer transnationalen Logistikkette. Das bedeute, dass jeder Teil dieser Kette – von den Häfen bis zum Schiffbausektor, von den Verladern bis zum privaten und öffentlichen Finanzsektor – in das Streben nach Nachhaltigkeit einbezogen werden müsse.

EEA-Chef Hans Bruyninckx wiederum sieht in dem Bericht einen deutlichen Beleg dafür, »dass der Seeverkehr in Europa und die gesamte internationale Schifffahrtsgemeinschaft dringend ihre Anstrengungen verstärken müssen, um den ökologischen Fußabdruck dieses Sektors zu verringern.« Für einen grundlegenden Wandel sei »noch viel mehr erforderlich«.