VSM Reinhard Lüken
VSM-Hauptgeschäftsführer Reinhard Lüken (Foto: VSM)
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»Salbungsvolle Worte statt klarer Entscheidungen« – so lautet die Kritik des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) an dem Ergebnis des letzte Woche abgehaltenen IMO-Umweltgipfels MEPC 77. Nun setzt man auf die EU und den Bund.[ds_preview]

Obwohl sich in Glasgow auf der UN-Klimakonferenz COP 26 zahlreiche Staaten und wichtige Vertreter der maritimen Wirtschaft zu ambitionierterem und schnellerem Klimaschutz bekannt hatten, konnte im IMO-Umweltausschuss (MEPC 77) keinerlei Einigung hinsichtlich einer Revision der Klimaschutzziele, des Arbeitsplans oder gar der Verschärfung bestehender Anforderungen erzielt werden.

Beschlossen wurde lediglich die Protokollformulierung, zukünftig »eine Revision der Anfangsstrategie vorzunehmen«. Diese soll jedoch weiterhin erst im Jahr 2023 in Angriff genommen werden. Selbst ein unverbindlicher und weitgehend faktischer Resolutionsentwurf der bedrohten Inselstaaten Kiribati, Marshall Island und Solomon Island, die Notwendigkeit der Beendigung maritimer Klimagas-Emissionen zur Umsetzung des 1,5°-Zieles schon bis 2050 anzuerkennen, fand keine Mehrheit. In der vorangegangenen Debatte hatten sich die Meinungsverschiedenheiten der 174 Mitgliedsstaaten verfestigt. »So nährt die IMO Zweifel an ihrer eigenen Handlungsfähigkeit«, kommentiert der VSM.

Dabei sei ein klarer Handlungsrahmen dringend nötig. Die Ära des Schweröls gehe unweigerlich zu Ende. Zukünftig werden nach Erwartung der Branche unterschiedliche Alternativen je nach Fahrprofil, Verfügbarkeit und Preis zur Anwendung kommen. Hersteller bieten bereits eine Reihe technischer Lösungen an. Allerdings ist die Kraftstoffverfügbarkeit in den meisten Fällen noch nicht gewährleistet und einheitliche Vorschriften für deren Nutzung fehlen.

»Fatale Aussichten«

Auch heute noch umfassen rund 90% aller Schiffsbestellungen konventionelle Antriebe. Berücksichtige man eine Bauzeit von drei Jahren und eine Nutzungsdauer der Schiffe von durchschnittlich über 25 Jahren, seien dies »fatale Aussichten für eine klimaneutrale Schifffahrt bis 2050«, meint der VSM.

Der technische Geschäftsführer des VSM und CESA-Repräsentant bei der IMO, Ralf Sören Marquardt, beklagt die Diskrepanz zwischen Vorschriftenentwicklung und Stand der Technik: »Der Klimawandel ist ein globaler Tsunami, für dessen Abwendung es bereits schifftechnische Lösungen und Instrumente für deren Implementierung gibt. Klimaneutralität ist bis 2050 nur erreichbar, wenn der Einsatz verfügbarer Energieeffizienztechnologien und CO2-armer Treibstoffe jetzt für neue und existierende Schiffe verbindlich eingefordert und deren Einsatz massiv unterstützt wird.«

Davon sei die IMO jedoch selbst in Hinblick auf die Senkung von (in polaren Regionen besonders klimaschädlichen) Rußemissionen noch weit entfernt. Denn auch beim sogenannten Black Carbon reichte es bei MEPC 77 nur zu einer Resolution, die an Mitgliedsstaaten und Schiffsbetreiber appelliert, auf die Nutzung von Schweröl in oder nahe der Arktis zu verzichten.

»EU muss jetzt zeigen, dass sie es besser kann«

VSM-Hauptgeschäftsführer Reinhard Lüken betont insbesondere europäische Chancen, maritimen Klimaschutz und schiffbauliche Wettbewerbsfähigkeit zu steigern: »Die EU muss jetzt zeigen, dass sie es besser kann. Es ist ein ermutigendes Zeichen, dass sich die künftige Bundesregierung laut Koalitionsvertrag für ein europäisches Flottenprogramm einsetzen will. Konsequente und pragmatische Rahmenbedingungen können für Europa eine klimaneutrale maritime Verkehrsinfrastruktur schaffen und gleichzeitig eine Investitionswelle für eine erfolgreiche Industrie auslösen.«