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Die Klimakonferenz COP 26 der Vereinten Nationen war nicht der große Wurf, am Ende stand immerhin ein Konsens und es gab Zusagen, Klimaschutzpläne nachzuschärfen. Folgen für die Schifffahrt müssen sich noch zeigen, Signale gab es für die Branche allemal.[ds_preview]

Fast 200 Länder haben sich auf der UN-Klimakonferenz COP 26 auf den Glasgower Klimapakt geeinigt, ihre derzeitigen Emissionsziele bis 2030, die so genannten Nationally Determined Contributions (NDCs), im kommenden Jahr zu überprüfen und zu verstärken. Nach zwei Wochen intensiver Gespräche gab es erstmals einen Konsens über die dringende Beschleunigung der Klimaschutzmaßnahmen, um das Ziel einer Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter noch zu erreichen. Denn die von den Ländern bisher eingegangenen Verpflichtungen zur Treibhausgasreduktion genügen nicht.

»Ich denke, wir können heute glaubwürdig sagen, dass wir 1,5° C in Reichweite gehalten haben. Aber der Puls ist schwach, und wir werden nur überleben, wenn wir unsere Versprechen einhalten.«

Erstmals wurde auch der schrittweise Ausstieg aus fossilen Brennstoffen beschlossen. Insbesondere die Kohleverstromung steht dabei im Fokus, aber auch Subventionen und Investitionen in fossile Brennstoffe. Zwar hatten China und Indien am Ende noch dafür gesorgt, die Formulierung der Abschlusserklärung zum Kohleausstieg zu verwässern, aber immerhin scheint ein Anfang gemacht.

Kritiker sehen das 1,5°-Ziel dennoch in weiter Ferne, zu unkonkret seien die Zusagen, Umsetzungspläne und Kontrollmechanismen. Der Präsident des COP 26-Gipfels, Alok Sharma, erklärte dennoch vorsichtig zuversichtlich: »Ich denke, wir können heute glaubwürdig sagen, dass wir 1,5° C in Reichweite gehalten haben. Aber der Puls ist schwach, und wir werden nur überleben, wenn wir unsere Versprechen einhalten.«

Schifffahrt will F&E-Fonds

Die gloabel Reedereivereinigung »International Chamber of Shipping« (ICS) und die Internationale Seeschifffahrtsorganisation IMO haben sich im Rahmen der COP 26 mit dem Green Climate Fund getroffen, um die Einrichtzung eines »Zero Carbon R&D Fund« zu besprechen. Ein Hauptziel des Treffens war es, Lösungen zu entwickeln, um sicherzustellen, dass Entwicklungsländer Zugang zu Technologien und Finanzmitteln für kohlenstofffreie Schiffe und die erforderliche Infrastruktur erhalten. Eine Lösung, die in den kommenden Wochen weiter erörtert werden soll, ist die mögliche Bereitstellung von bis zu 1,5 Mio. $ aus der GCF-Projektvorbereitungsfazilität (Project Preparation Facility, PFF). Damit könnte de Einrichtung des »IMRF« beschleunigt werden, ein mit 5 Mrd. $ ausgestatteter Fonds zur Beschleunigung der Forschung und Entwicklung von emissionsfreien Technologien für die Schifffahrt.

Im Glasgow-Abkommen werden die Vertragsparteien aus den Industrieländern zudem aufgefordert, ihre kollektive Bereitstellung von Finanzmitteln zur Anpassung an den Klimawandel für die Entwicklungsländer gegenüber 2019 bis 2025 mindestens zu verdoppeln. Einigen konnten sich die Verhandlungsführer auch auf Regeln für die Emissionshandelsmärkte. Sie hätten das Potenzial, Billionen von Dollar für den Schutz von Wäldern, Entwicklung neuer Technologien oder andere Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels freizusetzen, hieß es.

»Positive Energie in der Schifffahrt«

Doch was bedeutet der UN-Klimagipfel für die Schifffahrt? Eine Bilanz zog Bud Darr, Executive Vice President, Maritime Policy and Government Affairs der Reedereigruppe MSC. Darr sitzt auch im Vorstand des internationalen Reederverbands ICS. Nach der Klimakonferenz sagte er in einer Online-Diskussionsrunde der Anwaltskanzlei Watson Farley Williams: »Das Gesamtergebnis könnte für externe Beobachter enttäuschend sein, dafür ist der erzielte Konsens zu verwässert, viele Formulierungen sind zu vage. Auch die offenbarte Minderleistung in Bezug auf die Klimaziele von Paris sind erschreckend.«

Wichtig sei aber, dass Schritt für Schritt mehr Staaten sich zu Klimazielen bekannt hätten. »Man hat auf der COP eine positive Energie in der Schifffahrtsgemeinschaft gespürt, so wie lange nicht mehr, man sieht jetzt Wege und Partner. Die Technologie ist jetzt nicht mehr der springende Punkt. Der Schlüssel sind die Kraftstoffe, um die die Schifffahrt mit anderen Sektoren konkurrieren wird. Sie müssen in industriellem Maßstab hergestellt werden, die Versorgungsinfrastruktur muss aufgebaut werden. Dazu braucht die Schifffahrt die Hilfe der Regierungen. Die Energiekonzerne wiederum brauchen Anreize, kohlenstoffarme Kraftstoffe der Schifffahrt verfügbar zu machen«, so Darr.

Als »key take-away« nimmt er vom Klimagipfel die von einer Gruppe von Staaten vereinbarte Reduktion von Methanemissionen mit: »Das ist ein wichtiges Signal an alle, die sich für LNG auf dem Weg zur Emissionsreduktion entschieden haben.« Für Ihn habe die Konferenz noch einmal klar gemacht, dass die Branche eine globale CO2-Bepreisung brauche und daraus abgeleitet marktbasierte Maßnahmen, um den technischen Fortschritt zu befeuern. »Es liegt ein klarer Vorschlag der ICS für einen R&D-Fonds vor, der aus solchen Einnahmen gespeist werden kann. Die Reedereien sind bereit, zu zahlen. Die Regierungen müssen jetzt nur noch die Möglichkeit schaffen«, so Darr im Hinblick auf die anstehende Meeresumweltkonferenz MEPC 77 der IMO.

Chancen für Schwellenländer

Die Dekarbonisierung der weltweiten Schifffahrtsindustrie wird neue kohlenstoffarme Kraftstoffe erfordern, darin sind sich die Allermeisten einig. Dies stellt eine große Chance für die Entwicklungsländer dar, wie auf einer Nebenveranstaltung der COP 26 zu hören war. Die von der IMO und der UNCTAD organisierte Veranstaltung »Chancen für Entwicklungsländer bei der Bereitstellung kohlenstofffreier Kraftstoffe für die weltweite Schifffahrt nutzen« fand ebenfalls in Glasgow statt.

»Es besteht ein Bedarf an kohlenstoffarmen und kohlenstofffreien Schiffskraftstoffen – dies ist eine vielversprechende Gelegenheit für mehrere Entwicklungsländer aufgrund ihrer geografischen Lage und ihres Zugangs zu reichlich vorhandenen erneuerbaren Energiequellen«, sagte Jose Matheickal von der IMO.

Podiumsteilnehmer aus Chile, Indonesien, Kenia, Panama und Südafrika betonten die Bemühungen ihrer Länder, den Übergang zu sauberen und nachhaltigen Kraftstoffen für die Schifffahrt zu unterstützen, einschließlich des Potenzials für die Lieferung von grünem Ammoniak und grünem Wasserstoff.

Michael Parker, Chairman, Global Shipping, Logistics & Offshore bei der Citi Group, sieht die Methan-Pläne einiger Staaten ebenfalls als sehr wichtig an: »Das ist bedeutend, weil es neben Kohlenstoff auch andere Treibhausgase in den Fokus rückt. Wir werden irgendwann vom Begriff der Dekarbonisierung abrücken und uns zur Bekämpfung des Klimawandels alle Treibhausgase anschauen müssen.« Man müsse nun die MEPC 77 abwarten. »Das wird auch die Frage beantworten, ob die COP 26 die IMO als globalen Gesetzgeber gestärkt oder geschwächt hat.«

Die Wirtschaft brauche nun jedenfalls umfängliche finanzielle Bekenntnisse der Regierungen: »Wir wissen, dass die Technologie im Prinzip da ist. Jetzt müssen wir den Maßstab vergrößern.« Außerdem bräuchten die Unternehmen, die bereits in neue Technologien investieren, die Unterstützung von Klassifizierungsgesellschaften. »Das ist es, wonach Investoren und Finanzierer fragen werden«, so Parker.

»Druck auf Regierungen aufrecht erhalten«

Zudem sei es besonders wichtig, dass der Privatsektor den Druck auf die Regierenden aufrecht erhalte. Druck der verschiedenen Interessengruppen aufeinander sei überhaupt ein wichtiger Faktor für den weiteren Weg zur Dekarbonisierung. Parker nannte neben den »Poseidon Principles« des Finanzsektors beispielsweise die COZEV-Initiative einiger großer Verlader. »Die Handelsschifffahrt spürt langsam Druck von Kunden und letztlich auch von Konsumenten, wie das zuvor nur im Kreuzfahrtbereich war. Das Engagement derer, die am Ende dafür bezahlen, ist neu, und die Konsumenten sind bereit einen vernünftigen Extrabetrag für die Dekarbonisierung zu bezahlen«, zeigte sich Parker überzeugt.

Als besonderes COP-Ereignis für die Branche schätzen die Experten auch die »Clydebank«-Erklärung ein, in der sich mehrere wichtige Schifffahrtsnationen auf die Einrichtung »grüner« Schifffahrtsrouten verständigt haben, auf denen ein dekarbonsierter Verkehr ermöglicht werden soll. Wie, das wurde zwar nicht ausgeführt, dennoch saht Parker es als einen möglicherweise sehr bedeutenden Schritt, da man nun die Regierungen in die Pflicht nehmen könne.

»Der ernsthafteste Fortschritt im Verkehrsbereich«

»Denn diesmal ist der Rahmen nicht bis 2030 oder 2040 irgendetwas zu erreichen, sondern innerhalb der nächsten fünf Jahre«. Die Erklärung ist seiner Meinung nach der ernsthafteste Fortschritt, der im Verkehrsbereich auf der COP – am Transport Day – erzielt wurde. Darr sah es zumindest als »das richtige Signal«, einen guten Inkubator, der die Entwicklung alternativer Kraftstoffe beschleunigen könne.

Im Anschluss an die Klimakonferenz richteten sich die Blicke erst einmal auf die Sitzung MEPC 77 der IMO vom 22. bis 26. November (vor Redaktionsschluss dieser Ausgabe). »Die Regierungen müssen ihren Job machen, die Handelswährung für alle ist jetzt ›Netto Null bis 2050‹«, sagte Darr.

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Guy Platten (ICS) und Stephen Cotton (ITF) (© COP 26)

Task Force für gerechte Energiewende

Eine »Just Transition Maritime Task Force« soll die Dekarbonisierung der Branche vorantreiben und Millionen von Seeleuten bei der grünen Transformation der Schifffahrt unterstützen. Die von UN Global Compact und Akteuren der Schifffahrtsindustrie ins Leben gerufene Task Force soll die Erreichung der Klimaziele vorantreiben und gleichzeitig Chancen für alle gewährleisten. »Sie wird sich auf die Entwicklung neuer grüner Qualifikationen und grüner und menschenwürdiger Arbeit konzentrieren, bewährte Verfahren in der gesamten Wertschöpfungskette ermitteln und politische Empfehlungen für einen gerechten Übergang geben – mit besonderem Schwerpunkt auf den Entwicklungsländern«, heißt es in einer Erklärung.

Die Taskforce wurde im Rahme der COP26 von der International Chamber of Shipping (ICS) als Vertretung der Reeder, der International Transport Workers Federation (ITF) als Vertretung der Seeleute und Hafenarbeiter sowie der Nachhaltigkeitsinitiative Global Compact der Vereinten Nationen gegründet. Andere einflussreiche UN-Organisationen wie die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) und die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) wollen sich der Task Force als offizielle Partner abschließen.

Guy Platten, Generalsekretär der ICS, sagte: »Wir alle stehen vor dem größten Wandel der Neuzeit, und wir alle werden davon betroffen sein. Viele unserer Seeleute kommen aus Entwicklungsländern, die die Auswirkungen des Klimawandels aus erster Hand erfahren. Wir müssen dafür sorgen, dass sie die umweltfreundlichen Qualifikationen erhalten, die sie brauchen, um den Welthandel in Gang zu halten, und dass die Entwicklungsländer Zugang zu den Technologien und der Infrastruktur erhalten, um am umweltfreundlichen Wandel der Schifffahrt teilzuhaben.«