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Nach den Seekasko-Prämien wird sich wohl auch die Haftpflichtversicherung für die Reedereien erheblich verteuern, schreibt Michael Hollmann[ds_preview]

Zwar sind noch knapp vier Monate Zeit bis zur Erneuerung der P&I-Deckungen. Trotzdem herrscht bereits große Spannung. Denn nach mehreren soften Jahren stehen alle Zeichen jetzt auf »Durchhärtung«.

Mit West of England hat sich der erste große Gegenseitigkeitsversicherer schon aus der Deckung gewagt und eine allgemeine Beitragsanhebung von +15 % angekündigt. Zudem sollen die Franchisen (Selbstbehalte) ebenfalls um +15 % bzw. mindestens um 2.500 $ angehoben werden.

Satte Rechnung vom London Club

Mitglieder des vergleichsweise kleinen London P&I Club trifft es sogar doppelt. Noch bevor das Prämienziel für nächstes Jahr veröffentlicht wurde, bekamen sie eine satte Nachschussrechnung von 30 %-35 % der Gesamtprämie der vergangenen drei Jahre serviert. Zusammen belaufen sich die Forderungen auf eine ganze Jahresprämie zusätzlich. Damit reagiert der Club nach eigenen Angaben auf die unerwartet hohe Kostensteigerungen und das Abschmelzen seines Kapitalpuffers, aus dem in der Regel Einbußen wettgemacht werden konnten. Der Londoner Makler Tysers stimmt die Kunden in seinem P&I-Report 2021 auf Prämienerhöhungen deutlich über dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre und »viel schwierigere« Renewals ein.

Der Druck auf die Clubs ist angesichts haushoher technischer Verluste und nachlassender Kapitalerträge immens. Im vergangenen Jahr (2020/21) türmten sich Underwriting-Verluste von über –500 Mio. $ bei den 13 Mitgliedern der International Group auf. Die durchschnittliche kombinierte Schaden-Kosten-Quote lag bei 121 %. Haupttreiber sind Großschäden von über 10 Mio. $, die unter den IG Clubs gepoolt werden. Für 2020/21 standen »Pool Claims« auf Rekordniveau von zusammen 463 Mio. $ in den Büchern, die sich Tysers zufolge noch auf 700 Mio. $ steigern könnten, wenn sie dem Verlauf früherer Jahre folgen.

Auch im laufenden Jahr zeichnet sich keine Entlastung ab. Zur Halbzeit des P&I-Versicherungsjahres (20. August) hätten die Pool-Schäden bereits das Rekordniveau des entsprechenden Vorjahreszeitraums übertroffen, berichtet West of England. Kein Wunder, wenn man an Großschäden im ersten Halbjahr wie die Strandung und Arrestierung der »Ever Given« im Suezkanal oder den Untergang der »X-Press Pearl« denkt.

Galoppierende Großschäden

Da ein erklecklicher Teil der Großschäden – der Haftungsabschnitt über 100 Mio. $ pro Schaden – durch das gemeinsame Rückversicherungsprogramm (Excess of Loss) der International Group gedeckt wird, droht an dieser Stelle ein zusätzlicher Kostenschub. Denn die Rückversicherungskosten werden traditionell in voller Höhe separat zur eigentlichen P&I-Prämie (netto) berechnet.

Der ohnehin festere Trend im Rückversicherungsmarkt dürfte durch die galoppierenden Großschäden verstärkt werden. Das gemeinsame Programm der IG steht Anfang 2022 erstmals seit zwei Jahren zur Erneuerung an.

Im übrigen Markt für »Marine Liability« neben den IG Clubs zeigt der Prämientrend schon seit längerem steil nach oben. So verzeichnete der Londoner Makler Miller im dritten Quartal Prämienerhöhungen von 12,5 % bis 15 % im kommerziellen Markt – das galt selbst für Reeder, Charterer und andere maritime Dienstleister mit sehr niedrigen Schadenquoten.