Neun Nominierte, vier Preisträger: Beim erstmals ausgelobten MCN Cup wurden zahlreiche Innovationen für die maritime Wirtschaft vorgestellt © Silke Heyer / MCN
Neun Nominierte, vier Preisträger: Beim erstmals ausgelobten MCN Cup wurden zahlreiche Innovationen für die maritime Wirtschaft vorgestellt © Silke Heyer / MCN
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Mit dem erstmalig ausgelobten »MCN Cup« hat das Maritime Cluster Norddeutschland vielversprechende Innovationsansätze in drei verschiedenen Kategorien vergeben. Mehr Nachhaltigkeit stand als beherrschendes Thema über allen Arbeiten. Von Krischan Förster

Die siebenköpfige Fachjury hatte aus insgesamt 30 eingegangenen Bewerbung[ds_preview]en zwölf Projekte in drei Kategorien für den Preis nominiert und kürte am Ende vier Gewinner. Die Unternehmen oder Konsortien wurden für ihren möglichen Beitrag zu dem anstehenden nachhaltigen Transformationsprozess in der maritimen Branche geehrt.

»Ziel des Maritimen Clusters Norddeutschland ist die Stärkung der Innovationskraft und internationalen Wettbewerbsfähigkeit der norddeutschen maritimen Akteure. Mit dem MCN Cup ist dieses Jahr ein weiterer, wichtiger Baustein hinzuge­kommen«, so Knut Gerdes, Vorstand des MCN.

Ein besonderer Schwerpunkt lag dabei auf den Chancen und Potenzialen der Nachhaltigkeit entlang der maritimen Wertschöpfungsketten, also das konsequente Berücksichtigen von drei gleichermaßen bedeutsamen Ansprüchen: der Ökonomie, der Ökologie und den sozialen Aspekten. Noch bestehen sehr viele Unsicherheiten, mit welchen Maßnahmen, mit welchen Technologien, mit welchen Konzepten die maritime Industrie zu den ausgerufenen Klimazielen gelangen kann. Rund 75 % aller Gütertransporte im Im- und Export zwischen den EU-Staaten und dem Rest der Welt erfolgen auf dem Seeweg, im EU-Binnen­markt sind es 36 %. Dabei verursacht die Schifffahrt etwa 2,5 % der CO?-Emissionen – zuletzt (2020) jährlich rund 127 Mio. t. Die EU plant bereits weitere Vorgaben – Handeln tut also not.

»Nachhaltigkeit bedeutet Gewinne bereits möglichst umwelt- und sozialverträglich zu erwirtschaften. In diese Richtung möchten wir die maritime Branche weiter entwickeln und den notwendigen Transformationsprozess und Technologietransfer beschleunigen«, sagt Gerdes.

Die 30 eingereichten Projekte verteilen sich je zu einem Drittel auf die besetzten drei Kategorien. Einhellig lobten Ausrichter und Jury die Qualität der Arbeiten. »Wir haben uns sehr über die exzellenten Einreichungen in allen Kategorien gefreut. Die Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen«, sagt Jury-Mitglied Matthias Wiese von Siemens Energy.

Die HANSA zeigt hier die nominierten Projekte und Preisträger auf. Sie alle werden, beginnend mit dieser Ausgabe, in den kommenden Monaten noch einzeln näher vorgestellt.

Kategorie A

Wie lassen sich Bestandsschiffe nachhaltiger betreiben?

Preisträger

Hasytec Electronics: DBP

Die von der Firma Hasytec entwickelte Dynamic Biofilm Protection (DBP) ist eine Ultraschalltechnologie, die die Anhaftung von Einzellern auf flüssigkeitsführenden Oberflächen verhindert und somit dafür sorgt, dass ein Biofilm erst gar nicht entstehen kann.

Nominierte

Navisense: workboat.ai

Navisense entwickelt mit workboat.ai eine Software-Lösung für Hafenschlepper, Lotsenboote und jegliche Arten von Schiffen im Hafen- und Küstenbetrieb. Die Anwendung soll es ermöglichen, über eine Effizienzsteigerung im Schiffsbetrieb Kraftstoff und damit Emissionen »ab der ersten Minute« einzusparen.

Ein aufwändiges Umrüsten der Schiffsantriebe oder die Installation neuer Bordtechnik ist dafür nicht nötig. Auf Grundlage von AIS-Daten, Informationen zur Wetterlage, zu Gezeiten sowie mittels spezifischer Brennstoff-Kurven berechnen Algorithmen den Verbrauch des jeweiligen Schiffs in Echtzeit. Nach Beendigung des Einsatzes wird die Fahrweise evaluiert und bewertet. Reedereien sowie Crew-Mitgliedern können die Anwendung auf jedem Smartphone nutzen.

DHI WASY: Vessel-Check

Vessel-Check stellt Biosicherheits-Risikoanalysen von einzelnen Schiffsrümpfen und Häfen her und erhöht die Transparenz in der Kommunikation zwischen Schiffsbetreiber und Behörden über den Biofouling-Grad von Schiffen.

Ein Abonnement-basierter Zugang erfolgt über zwei interagierende Nutzerportale für Reeder und Behörden. Reeder laden Biofouling-Management-Pläne (BMP), Schiffsprotokolle, Anti-Fouling Zertifikate (AFC) sowie (Unterwasser-) Reinigungsberichte und Fotos in das System hoch. Diese werden mit den Echtzeit-AIS-Daten des Schiffes gekoppelt und mit historischen Daten verglichen.

Anhand von Schiffsparametern und operative Indikatoren, die auf den Richtlinien der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) oder strengeren lokalen Richtlinien basieren, erfolgt die Biofouling-Risikobewertung. Die Behörde kann Schiffe markieren, bestimmte Aspekte des BMPs oder AFCs evaluieren und Berichte mit Kollegen teilen. Zudem kann eine Kopplung mit externen Datenzuflüssen erfolgen.

Kategorie B

Wie lassen sich Häfen und maritime Logistik nachhaltiger gestalten?

1. Preisträger 

bremenports (Konsortium): SHARC

Zur Erarbeitung einer Lösung für die quartiersweite Integration erneuerbarer Energiequellen und -träger im Überseehafen Bremerhaven haben sich bremenports (Sondervermögen Hafen) zusam­men mit Siemens und dem Institut für Energie und Kreislaufwirtschaft an der Hochschule Bremen (IEKrW), das Deutsche Forschungsinstitut Künstliche Intelligenz (DFKI) und die TU Berlin für das Forschungsvorhaben »Smart Harbor Application Renewable Integration Concept« (SHARC) in einem Konsortium zusammengeschlossen. Exemplarisch wurde am Hafenstandort Bremerhaven die Integration und der nötige Zubau von erneuerbaren Energien dargestellt und ein Quartierskonzept samt Investitionsplan für den Bremerhavener Überseehafen entwickelt. Ziel ist es, einen CO?-neutralen Hafen vorzubereiten. Die Integra­tion erneuerbarer Energiequellen und -träger soll durch überbetriebliche Kooperationsansätze sowie durch eine Verknüpfung der bisher primär isoliert betrachteten Sektoren Elektrizität, Wärmeversorgung, Mobilität, Kälte etc. erreicht werden. In einen ganzheitlichen Ansatz werden neben betrieblichen Prozessen auch Aspekte des Energiemarktes und der Energietechnik berücksichtigt.

2. Preisträger

N-Ports (Konsortium): dashPort

Das auf drei Jahre angelegte und im Rahmen vom IHATEC-Programm der Bundesregierung geförderte Projekt »Port Energy Management Dashboard« (dashPORT) hat zum Ziel, Hafen- und Terminalbetreibern Kosteneinsparungen durch ein ganzheitliches Energiemanag­ement des Hafens und aller darin tätigen Anrainer zu ermöglichen. Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und IoT-Anwendungen sollen Effizienzgewinne realisiert werden, um den Energiebedarf von Häfen optimal abzustimmen – und damit deren ökologische und ökonomische Bilanz zu verbessern. Zu diesem Zweck wurden »Smart Meter« in Brake installiert. Die gewonnenen Daten werden in einer digitalen Energieleitwarte mit Sekundärdaten zusammengeführt. Dort erstellt ein Algorithmus tagesaktuelle Prognosen der Lastverläufe und löst Handlungsempfehlungen aus, die den Betreibern helfen, Stromspitzen zu vermeiden und Energie effizienter einzusetzen. Das Projekt-Konsortium besteht aus Niedersachsen Ports, dem Terminalbetreiber J. Müller, dem Informatikinstitut OFFIS und dem Fraunhofer Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen CML.

Nominiert

IAV / disruptive: SHIFT

Bei dem Projekt SHIFT (»Sustainable Help for Industrial Ports’ Future Transformation«) handelt es sich um ein internationales Fünf-Punkte-Rating-Sys­tem für CO?-neutrale Industriehäfen. Eingereicht wurde das Projekt von der IAV GmbH in Zusammenarbeit mit disruptive. Mit diesem Programm soll der Hafen zum Nachhaltigkeits-Booster werden, um ein umweltfreundliches Gesamtsystem zu schaffen, unter anderem durch die Umrüstung von Schiffen (Retrofit), Investitionen in Infrastruktur und Energieanlagen, mit individuellen Blockchain-Lösungen und »smart grids«.

Kategorie C

Wie lassen sich die weiteren maritimen Branchen nachhaltiger gestalten?

Preisträger

Leviathan: Schiffsrecycling

Das Startup Leviathan hat mit dem Ansatz eines »Industriellen Recyclings von Schiffen – Solving the dark side of shipping« die siebenköpfige Jury überzeugt. Durch eine weitgehende Mechanisierung und Automatisierung des Abwrackens mittels Wasserstrahlschneidverfahren in einem geschlossenen Hallendock soll der Großteil aller mit dem Prozess üblicherweise verbundenen Risiken für Mensch und Umwelt vermieden werden. Die Gründer wollen die aufbereiteten und wiederverwendbaren Rohstoffe in den Wirtschaftskreislauf zurückbringen und zu nahezu 100 % recyceln. Derzeit läuft die Standortsuche, die bis Ende des ersten Quartals 2022 abgeschlossen werden soll. Ab Frühjahr sind erste Projekte geplant.

Nominiert

IAV / EBF: FiberFur

Mit dem Produkt »FiberFur« hatten IAV und EBF eine weiteres Projekt aus dem Bereich »Coating« zur Auswahl gestellt. Durch eine Beflockung von Schiffsrümpfen, Windenergieanlagen, Bojen und Pontons mit Basaltflock soll die Verwendung umweltschädlicher Antifoulings vermieden werden, die größtenteils für Mensch und Umwelt gefährliche Biozide, Mikroplaste und Schwermetalle absondern. »FiberFur« ist dagegen eine auf natürlichen Materialien basierende Oberflächenstruktur mit einer fellartigen Topographie zur Abwehr von Pionierorganismen wie der Seepocke, die direkt in den Korrosionsschutz appliziert wird.

Nominiert

SubCtech: OceanPack

Die Anwendung »OceanPack« von SubCtech wurde für die Messung von Wetter- und Klimadaten in der weltweiten Schifffahrt konzipiert. Zum Einsatz kam die Technologie bereits bei der Segelregatta »Vendee Globe« auf der Rennyacht von Boris Hermann. Unter dem Motto »Ships of opportunities« sollen künftig weltweit Schiffe genutzt werden, um wichtige Daten zu erfassen, auch in abgelegenen Meeresgebieten wie der Antarktis. Erst durch ein umfassendes Monitoring der Ozeane ließen sich verlässliche Aussagen zu Klimaänderungen oder Mikroplastik-Strömungen verstehen und managen, heißt es. Außerdem ließen sich Schiffsrouten ressourcenschonend optimieren. Die äußerst robuste Technologie könne auf jedem Fahrzeug eingesetzt werden.