Vorbild Haihaut: Biozidfreies Antifouling kommt an bionischen Oberflächen nicht vorbei © BIC Bremen
Vorbild Haihaut: Biozidfreies Antifouling kommt an bionischen Oberflächen nicht vorbei © BIC Bremen
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Der Verhinderung des Bewuchs von Schiffsrümpfen durch Meeresorganismen kommt im Zuge der Dekarbonisierung verstärkte Bedeutung zu. Während auf regulatorischer Ebene Updates anstehen, arbeiten Forscher an neuen Methoden. Von Felix Selzer

Ein sauberer Rumpf spart Kraftstoff, das ist keine neue Erkenntnis. Aktuelle Emissions- un[ds_preview]d Klimaziele lassen die Zahlen aber noch einmal in einem neuen Licht erscheinen. Die internationale Seeschifffahrtsorganisation IMO schätzt den Kraftstoffbedarf der Welthandelsflotte auf rund 300 Mio. t im Jahr. Eine aktuelle Analyse (S. 41) kommt zu dem Ergebnis, dass schon ein erster Biofilm, den Mikroorganismen auf dem Rumpf bilden, von nur 0,5 mm Stärke den Kraftstoffverbrauch um 25 % steigen lässt. Bei derzeitigen Preisen von über 400 bis über 600 $/t kommen jährlich zig Milliarden Dollar an Zusatzkosten zusammen, die auf das Konto von Rankenfußkrebsen, Muscheln, Röhrenwürmern und Co. gehen. Neben Verbrauch und Schadstoffemissionen ist die Einschleppung Invasiver Arten ein zunehmendes Problem. Hinzu kommen Giftstoff- und Mikroplastikeintrag durch Schiffsanstriche.

Zügel werden angezogen

Modernes Antifouling muss heute also »nachhaltig, umweltverträglich und trotzdem wirksam« sein, wie Nicole Heibeck und Antje Rusch vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) kürzlich bei einer Veranstaltung des Maritimen Clusters Norddeutschland (MCN) zu dem Thema darlegten. Unter Beachtung der Faktoren Fahrtgebiet, Aktivitätsprofil und Geschwindigkeit müsse ein Gesamtkonzept aus geeigneter Beschichtung und regelmäßiger Rumpfreinigung erarbeitet werden. Denn abgesehen von ökologischen und ökonomischen Faktoren zieht auch die IMO die regulatorischen Zügel an. Wie die BSH-Expertinnen berichten, ist beim IMO-Meeresumweltausschuss MEPC eine Revision der Biofouling Guidelines (hier geht es um die Minimierung der Verbreitung invasiver Arten) in Arbeit, der erste Entwurf liegt seit Mai 2021 vor, 2023 soll die endgültige Version stehen. Auch was Antifouling-Systeme angeht, wird es auf IMO-Ebene (AFS Convention) zu einer Verschärfung kommen, da schrittweise ab Januar 2023 der Giftstoff Cybutryn verboten wird. Speziell in der Ostsee streben die HELCOM-Staaten bis 2027 gar ausschließlich biozidfreie Antifouling-Systeme an.

Antonia Kesel von Bionik-Innovations-Centrum (BIC) der Hochschule Bremen forscht an neuen Lösungen. »Eine Widerstandsminimierung geht nicht ohne Antifouling«, sagt sie. Die Bremer Forscher orientieren sich bei der Suche nach geeigneten Beschichtungen an der Biologie. Ein »altes System« zur Widerstandsminimierung findet man bei Haien. Die Haihaut, die sich bereits seit 200 Millionen Jahren bewährt, ist schon länger Untersuchungsgegenstand, wenn es um die Entwicklung hydrodynamisch günstiger Oberflächen geht. Die Hautoberfläche der Meeresbewohner setzt sich aus sogenannten Dentikeln zusammen, kleinen Zähnchen, die beweglich in der Haut sitzen. Die Widerstandsminimierung ist ein Effekt aus makroskopischer Elastizität und der Rinnenbildung durch feine Grate auf den Dentikeln.

Die kleinen Zähnchen in der Haut der Haie sind aber nicht nur strömungsmechanisch attraktiv, sondern erweisen sich auch als effektiver Schutz gegen Bewuchs durch andere Meeresorganismen wie Seepocken oder Röhrenwürmer. »Der Kleber, mit dem sich die Seepockenlarve an die Oberfläche anheftet, kann aufgrund seiner Viskosität auf der Haihaut nicht richtig haften«, sagt Kesel. Durch die kleinen Grate auf den einzelnen Zähnchen gibt es nur wenig Kontaktfläche, während die elastische Lagerung der Dentikel einen Bewuchs zusätzlich erschwert.

»Reine Physik«

»Wir brauchen also eine elastische Oberfläche mit entsprechender Struktur«, sagt Kesel mit Blick auf eine Anwendung des Prinzips bei der Rumpfbeschichtung. Unter dieser Maßgabe wurde bereits ein Produkt entwickelt. »Das ist reine Physik und funktioniert giftfrei nur durch Elastizität und Mikrostruktur«, sagt Kesel. Während es auch auf Klebefolien basierende Ansätze gibt, wurde in Bremen ein flüssiger Anstrich entwickelt.

Der Anstrich lässt sich mit Rolle und Pinsel auftragen, was sich aber bei großen Schiffen nicht anbietet. Hier kommen in der Regel Hochdruckspritzverfahren zur Anwendung.

Bei dem »Haihaut«-Produkt würde dabei aber die in der Farbe enthaltene Granulatkomponente zerstört. Das gilt für Hohl- und Vollglaskügelchen, die für die Struktur in der Beschichtung sorgen und die beim Spritzverfahren zerplatzen. Eine Alternative wären Kunststoffkügelchen, die sich allerdings nur schlecht mit der Farbe verbinden. Für die großflächige Anwendung ist also noch weitere Forschung nötig, prinzipiell funktioniert der Ansatz aber.