One Apus, Container, Havarie
Eingestürzte Container auf der »One Apus« (© via Twitter)
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In der stürmischen Jahreszeit drohen erneut schwere Ladungsverluste. Die IUMI plädiert daher für eine Begrenzung der Decksladung. Von Michael Hollmann[ds_preview]

Für die Containerschifffahrt war es ein Schock. Fast 3.500 Boxen gingen vergangenen Winter über Bord. Mehr als doppelt so viel wie vorher im Durchschnitt eines gesamten Jahres. Kurz hintereinander traf es die »ONE Apus« (fast 2.000 Boxen), die »Maersk Essen« (ca. 750) und die »Maersk Eindhoven« (260), alle im stürmischen Pazifik. Mit Anbruch des Winters auf der nördlichen Halbkugel wächst nun die Sorge vor erneuten, ähnlich schweren Unfällen. Erst vor wenigen Tagen musste der Sea Lead-Frachter »Cosco Nagoya« (4.506 TEU) im Pazifik nach Südkorea umkehren, nachdem 32 Container über Bord gingen.

Vor allem die Schiffsversicherer sind unzufrieden und pochen endlich auf praktische Maßnahmen zur Vorbeugung großer Containerverluste. In einem Positionspapier fordert die International Union of Marine Insurance (IUMI) eine vorübergehende Begrenzung der Decksladung auf Großcontainerschiffen. Die bis zu zwölf Lagen hohen Containerstapel müssten reduziert werden, bis Reedereien ihre Schiffe technisch nachgerüstet haben, damit sie starken Rollbewegungen in voll beladenem Zustand standhalten.

Die rapide Größenentwicklung der Schiffe habe auf »das Mitwachsen von Erfahrung bei Entwurf, Bau und Betrieb wenig Rücksicht genommen», heißt es. Neben der Verstärkung der Ladungssicherungssysteme empfiehlt die IUMI auch die Nachrüstung von Rolldämpfungstanks. »Ein schlichtes ›Weiter so‹, bis der ökonomische Aufschwung nachlässt und sich dadurch die Probleme vordergründig von selbst geben, kann kein Ausweg sein«, heißt es. Auch bei angespannter Kapazitätslage – sprich randvoll beladenen Schiffen – müsse die Sicherheit gewährleistet sein.

Die IMO hat das Thema zwar unlängst auf die Tagesordnung genommen, dürfte aber noch Jahre benötigen, um zu neuen Empfehlungen oder Bestimmungen zu kommen. Falls überhaupt. Vor allem konnten die Versicherer bislang nicht die Klassifikationsgesellschaften davon überzeugen, dass Sicherheitsstandards und Lastbegrenzungen für Containerschiffe verschärft werden müssten.

Das Problem seien nicht die Schiffe und ihre Beladungszustände, sondern außergewöhnliche operative Bedingungen, erläutert Holger Jefferies, Leiter des Container Ship Excellence Center bei DNV in Hamburg. Die Schiffe kämen in schwierigen Seegangsverhältnissen in extreme Rollbewegungen (parametrisches oder synchrones Rollen), die außerhalb der Entwurfsbedingungen lägen. Diese ließen sich aber durch rechtzeitige nautische Manöver abwenden. Dazu arbeite DNV an einem Assistenz- und Frühwarnsystem, das Kapitäne bei Entscheidungen zu Kurs und Geschwindigkeit unter allen Seegangs- und Beladungsbedingungen unterstützt.

Fakt ist, dass jede Klassifikationsgesellschaft unterschiedliche »operative Fenster« für den gleichen Schiffstyp zugrunde legt (zulässige Rollbewegungen, Beschleunigungen …) und dadurch zu anderen zulässigen Stapelgewichten kommt. Kritiker sehen hier einen Wettbewerb zu Lasten der Sicherheit: Reeder, die keine Skrupel kennen, können die Spielräume aus Gewinnsucht missbrauchen, also die »Klasse» mit den höchsten Limits für die Beladung auswählen und sich im Betrieb dann gar nicht an die operativen Beschränkungen halten. Das wäre dann eher ein Problem mangelnder Aufsicht und nicht unzureichender Standards.

Die Ladungssicherungsexperten vom Ship’s Equipment Centre (SEC) in Bremen halten die Klassevorschriften grundsätzlich für ausreichend. So seien alle Teile des Ladungssicherungssystems (Twistlocks, Laschstangen etc.) auf doppelte Sicherheit in Bezug auf die zu erwartenden Belastungen ausgelegt. »Die eigentliche Schwachstelle ist der Container selbst«, meint Projektmanager Henning Scheschonk. »Viele erfüllen trotz gültiger Plakette nicht die Stabilitätsanforderungen. Die Containerecken sind ausgefranst oder der Außenrahmen beschädigt.«

Immer wieder sehen die SEC-Experten im Hafen, dass sich die ovalen Löcher in den Containerecken durch Korrosion oder Belastung so stark geweitet haben, dass die Twistlocks, die die Lagen miteinander verbinden sollen, keinen Halt finden. Später an Bord reicht es schon, wenn ein einziger nachgibt oder sich losreißt, um eine Kettenreaktion auszulösen. »Erst versagt ein Container, dann der ganze Stapel. Am Ende geht es über die gesamte Schiffsbreite.« Aus Scheschonks Sicht hilft nur eines: Die Container-Kontrollen in den Häfen massiv auszuweiten – »auch wenn das eine unfassbar große Aufgabe ist.«