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Entwarnung wollen die internationalen Experten nicht geben, ein positives Signal ist es aber dennoch: Die weltweite Piraterie und bewaffnete Raubüberfälle auf See sind auf den niedrigsten Stand seit 1994 gesunken.[ds_preview]

Dies geht aus dem heute veröffentlichten Jahresbericht des Internationalen Schifffahrtsbüros (IMB), einer Organisationseinheit der Internationalen Handelskammer (ICC), hervor. Trotz der positiven Bilanz mahnt das IMB allerdings weiterhin zur Vorsicht.

Die Experten führen den Rückgang der Vorfälle auf das entschlossene Vorgehen der Behörden zurück und fordert gleichzeitig, diese Koordinierung und Wachsamkeit fortzusetzen, um den Schutz der Seeleute langfristig zu gewährleisten.

Golf von Guinea, Piraten, Piracy
© Dryad Global

IMB-Direktor Michael Howlett sagte heute: »Den allgemeine Rückgang der weltweit gemeldeten Vorfälle begrüßen wir und fordern die Küstenstaaten auf, das weiterhin bestehende Risiko von Piraterie und bewaffneten Raubüberfällen anzuerkennen und dieses Verbrechen in den Gewässern ihrer ausschließlichen Wirtschaftszone konsequent zu bekämpfen.«

Im Jahr 2021 erhielt das IMB Piracy Reporting Centre 132 Meldungen zu Angriffen von Piraten und bewaffneten Raubüberfällen auf Schiffe. Die Vorfälle umfassten 115 Schiffe, die geentert wurden, 11 versuchte Angriffe, fünf Schiffe, die beschossen wurden, und ein gekapertes Schiff.

Golf von Guinea bleibt weltweiter Hotspot

Die verstärkte Präsenz internationaler Marineschiffe und die Zusammenarbeit mit den regionalen Behörden haben sich positiv ausgewirkt. Gelobt wird das robuste Vorgehen der dänischen Marine bei der Neutralisierung einer mutmaßlichen Piratengruppe Ende November des Jahres. Auf die jüngste Entwicklung, bei dem das dänische Kriegsschiff die bei einem Schusswechsel festgenommenen Männer wieder freigelassen hatte, geht das IMB nicht explizit ein. Die militärische Komponente der Piraterie-Bekämpfung vor Westafrika ist seit Jahren deutlich umstritten, eine internationale Mission nach Vorbild von »Atalanta« vor Somalia im Osten des Kontinents gilt als unwahrscheinlich.


In der kommenden Ausgabe geht die HANSA ausführlich auf die aktuellen Entwicklungen der Piraterie ein. Neben einer Übersicht über jüngste Trends und Überfall-Zahlen präsentiert die HANSA unter anderem auch einen Überblick über die Arbeit der Bundespolizei, wenn deutsche Schiffe betroffen sind.


 

Der allgemeine Rückgang der gemeldeten Vorfälle im Jahr 2021 ist dennoch auf ein Absinken der gemeldeten Aktivitäten in der Region des Golfs von Guinea zurückzuführen, wo die Zahl von 81 gemeldeten Vorfällen im Jahr 2020 auf 34 im Jahr 2021 sank. Obwohl die Entführungen auf See im Jahr 2021 um 55% zurückgingen, ist der Golf von Guinea mit 57 entführten Besatzungsmitgliedern in sieben separaten Fällen weiterhin für alle Entführungsfälle weltweit verantwortlich.

Das IMB warnt davor, dass die Bedrohung für Seeleute auch zukünftig bestehe, und mahnt Besatzungen und Schiffe, die diese Gewässer befahren, weiterhin zur Vorsicht, da die Täter gewalttätig seien und das Risiko für die Besatzungen hoch bliebe. Ein Beispiel dafür ist die Entführung von sechs Besatzungsmitgliedern eines Containerschiffs Mitte Dezember 2021.

Appell an Küstenstaaten

»Das IMB lobt das entschlossene Handeln der internationalen Seestreitkräfte und der regionalen Behörden im Golf von Guinea, das offenbar zum Rückgang der gemeldeten Vorfälle beigetragen hat und die Sicherheit der Besatzungen und des Handels weiterhin gewährleistet«, so Howlett. »Wir begrüßen diese Maßnahmen und fordern die Küstenstaaten des Golfs von Guinea auf, ihre Zusammenarbeit und physische Präsenz in ihren Gewässern zu verstärken, um eine langfristige und nachhaltige Lösung zur Bekämpfung von Seepiraterie in der Region zu gewährleisten.«

Mehr Angriffe in der Straße von Singapur

Im Jahr 2021 wurden dem Piraterie-Meldezentrum 35 Übergriffe auf Schiffe in der Straße von Singapur gemeldet, ein Anstieg um 50 % gegenüber 2020 und die höchste Zahl an gemeldeten Übergriffen seit 1992. Bei 33 der 35 Vorfälle wurden Schiffe geentert, und obwohl es sich zumeist um Gelegenheitsdiebstähle handelte, wurden zwei Besatzungsmitglieder in zwei Fällen verletzt. Bei 13 der gemeldeten Vorfälle wurden auch Messer und bei zwei weiteren Vorfällen Schusswaffen eingesetzt.

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Der philippinische Präsident Roberto Duterte verfolgt eine »Strategie der harten Hand« gegen Terroristen und Piraten (© HANSA)

Die anhaltenden Bemühungen der indonesischen Seepolizei werden »gewürdigt« und führen dazu, dass die Zahl der Vorfälle im indonesischen Archipel weiterhin rückläufig ist. 2021 wurden nur noch neun Vorfälle gemeldet, im Jahr 2020 waren es noch 26. Von den gemeldeten Vorfällen ereigneten sich vier vor Jakarta, bei mindestens fünf Vorfällen, bei denen eine Besatzung bedroht wurde, wurden Messer eingesetzt.

Todesfälle in der Karibik

Im Dezember enterten vier als Fischer getarnte und mit Pistolen und Messern bewaffnete Personen in Port au Prince, Haiti, einen Massengutfrachter und bedrohten die diensthabende Besatzung. Die vor Ort eingesetzten bewaffneten Wachleute lieferten sich einen Schusswechsel, bei dem zwei der Täter getötet wurden.

Südamerikanische Häfen in Brasilien, Kolumbien, Ecuador und Peru sowie Häfen in Mexiko und Haiti sind weiterhin von bewaffneten Raubüberfällen auf See betroffen. Im Jahr 2021 wurden 36 Vorfälle gemeldet, verglichen mit 30 im Jahr 2020, wobei sechs Besatzungsmitglieder bedroht, vier als Geiseln genommen und zwei angegriffen wurden. Insgesamt wurden einunddreißig Schiffe geentert, die meisten davon vor Anker. Die Zahlen für die Region beinhalten drei versuchte Entführungen und zwei Schiffe, auf die geschossen wurde. Die Vorfälle am peruanischen Ankerplatz Callao haben sich von acht im Jahr 2020 auf 18 im Jahr 2021 mehr als verdoppelt.