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Im »Mammutverfahren« um die Sanierung der »Gorch Fock« und Korruption bei der Elsflether Werft sind die Ermittlungen weitgehend abgeschlossen – und erste Anklagen erhoben worden.[ds_preview]

Die Staatsanwaltschaft Osnabrück und die Polizeidirektion Oldenburg haben heute umfassende Details des Verfahrens öffentlich gemacht. Es geht um die Sanierung des Segelschulschiffs »Gorch Fock«, das nach enormen Kostensteigerungen und einigen Verzögerungen mittlerweile wieder an die Marine übergeben wurde. Die Elsflether Werft hat die Entwicklung nicht überstanden, nach einer Übernahme durch die Lürssen-Gruppe ist der Betrieb mittlerweile eingestellt, das Gelände verkauft. Die Werft war wegen explodierender Kosten und finanzieller Unregelmäßigkeiten bei der Sanierung im Februar 2019 in die Insolvenz geraten. Es folgten umfangreiche Ermittlungen einer Sonderkommission aus 15 Ermittlern, gegen einen Bediensteten des Marinearsenals Wilhelmshaven, ehemalige Vorstandsmitglieder und Mitarbeitende der Elsflether Werft sowie verantwortliche Personen von Firmen, die als Unterauftragnehmer eingesetzt worden waren. Bei der Staatsanwaltschaft wurden vier Staatsanwälte sowie eine Wirtschaftsreferentin mit den Ermittlungen beauftragt.

Elsflether Werft
Foto: Elsflether Werft

Es seien bereits »abschließend entschieden und erste Anklagen erhoben« worden, heißt es heute. Insgesamt wurden 65 Durchsuchungen durchgeführt, bei denen über 14 Terabyte Daten und 1.450 Aktenordner sichergestellt und ausgewertet wurden. In den 116 eingeleiteten Ermittlungsverfahren wurde gegen 98 Beschuldigte ermittelt. Aus den Verfahren heraus wurden insgesamt 142 Vernehmungen geführt und Vermögensarreste in Höhe von ca. 14,5 Mio. € erwirkt. Im gesamten Verfahren geht es etwa um Amtsträgerkorruption, Bestechung, Beihilfe zum Betrug, Untreue, Insolvenzverschleppung, gewerbsmäßiger Betrug.

Amtsträgerkorruption

  • Dem technischen Kostenprüfer des Marinearsenals wird in der Anklageschrift Vorteils­annahme in sieben Fällen vorgeworfen. Er soll auf Veranlassung eines ehemaligen Vorstands der Werft von dem Unternehmen in den Jahren 2016 und 2017 zwei Darlehen in Höhe von je 400.000 € sowie in zwei weiteren Fällen Werkzeuge und Dienstleistungen im Wert von ca. 2.800 € erhalten haben. Von einem in Heikendorf in Schleswig-Holstein ansässigen Unterauftragnehmer der Werft soll der Kostenprüfer in den Jahren 2017 und 2018 für Beratungsleistungen drei Zahlungen in Höhe von insgesamt ca. 37.000 € erhalten haben. Ein Zusammenhang zwischen der Annahme der Darlehen und der Kostenexplosion bei der Instandsetzung der »Gorch Fock« hingegen konnte nicht hergestellt werden.
  • Einem ehemaligen Vorstand der Werft wird mit der Anklage Vorteilsgewährung in vier Fällen, einem weiteren ehemaligen Vorstand Vorteilsgewährung in einem Fall, dem Geschäftsführer eines Unternehmens aus dem Umfeld der AG wird Beihilfe zur Vorteilsgewährung, dem Geschäftsführer und der Prokuristin des Unterauftragnehmers wird Vorteilsgewährung in drei Fällen zur Last gelegt. Die Angeschuldigten sollen die Zuwendungen an den Kostenprüfer geleistet bzw. dabei unterstützt haben (Beihilfe), um dessen Wohlwollen bei seiner Tätigkeit als Kostenprüfer zu gewinnen.

Das Landgericht Oldenburg muss den Angaben zufolge noch über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden.

Ermittlungen gegen Unterauftragnehmer: Bestechung & Beihilfe zum Betrug

Aufgrund von Aussagen von Mitarbeitern der Werft wurde bekannt, dass sich im gesamten nicht verjährten Zeitraum 2013 bis 2018 verschiedene Unterauftragnehmer in den Auftragsverhandlungen mit Verantwortlichen der Werft bereiterklärt haben sollen, bei ihren Angeboten für Nachtragsleistungen im Rahmen von Instandsetzungen diverser Schiffe der Deutschen Marine Gutschriften beziehungsweise Rechnungskorrekturen von in der Regel 15% zu berücksichtigen.

Eine Sichtung von Daten aus der Finanzbuchhaltung zeigte weiterhin, dass einige Unterauftragnehmer regelmäßig und zum Teil in erheblichem Umfang Rechnungsgutschriften gewährt haben, wobei die Ver­antwortlichen der Werft derartige Gutschriften von vornherein in ihre Kalkulationen mit eingeplant hatten.

Gorch Fock, Wilhelmshaven
© PIZ Marine

Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde gegen alle Unterauftragnehmer, die wiederholt Gutschriften erteilt oder jedenfalls im Einzelfall hohe Gutschriften gewährt hatten, ein gesondertes Ermittlungs­verfahren wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr eingeleitet. Gegen sie bestand der Anfangsverdacht, dass die Gewährung derartiger Gutschriften zu dem Zweck erfolgte, bei nachfolgenden Auftrags­vergaben durch die Werft bevorzugt berücksichtigt zu werden.

Diese Ermittlungsverfahren sind nunmehr weitgehend abgeschlossen. In einem Fall erließ das Amtsgericht Brake auf Antrag der Staatsanwaltschaft gegen einen Geschäftsführer einen mittlerweile rechtskräftigen Strafbefehl in Höhe von 200 Tagessätzen zu je 50 € wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr in fünf Fällen. In zwei weiteren Verfahren hat die Staatsanwaltschaft Osnabrück jeweils Anklage­ gegen die Geschäftsführer der Unterauftragnehmer sowie eine Prokuristin wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr in 12 bzw. 21 Fällen zum Schöffengericht des Amtsgerichts in Brake/Unterweser erhoben.

Von den übrigen Verfahren wurden 44 mangels hinreichenden Tatverdachts und sieben – zum Teil gegen eine Geldauflage – eingestellt. Bei weiteren Verfahren steht die Abschlussentscheidung der Staatsanwaltschaft noch aus.

Untreue im besonders schweren Fall & Insolvenzverschleppung

Aufgrund der Strafanzeige einer Rechts­anwaltskanzlei aus Hamburg wurden auch Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue geführt. Die zu diesem Tatkomplex sehr umfangreichen Ermittlungen der SoKo endeten mit Anklageerhebung Mitte Dezember – gegen zwei ehemalige Vorstände sowie zwei ehemalige Mitarbeiter der Werft.

Die Staatsanwaltschaft wirft den vier Angeschuldigten darin im Wesentlichen vor, neben der eigentlichen Tätigkeit als Werftunternehmen vorsätzlich wie ein Bankinstitut Darlehen vergeben beziehungsweise daran mitgewirkt zu haben, ohne über die dafür erforderliche Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu verfügen.

Ein Großteil der betroffenen Darlehensmittel – die Staatsanwaltschaft Osnabrück geht insoweit von fast 11 Mio. € aus – floss nach dem Ergebnis der Ermittlungen seit dem Sommer 2015 zunächst an ein Tochterunternehmen. Sie diente laut Anklage allein dazu, Finanzmittel außerhalb der Bücher wiederum zumeist darlehensweise an unterschiedliche Empfänger im In- und Ausland durchzuleiten, insbesondere an Unternehmen und Personen im Umkreis von Goldförderungsprojekten in der Mongolei. Hauptdarlehensnehmerin war nach den Ermittlungen ein von zwei der Angeschuldigten beherrschtes Unternehmen, das fast 8 Mio. € an Darlehensmitteln erhielt und teilweise weiterleitete.

Soweit ab dem Mai  2018 auf diesem Wege dem Vermögen der Werft entzogene Finanzmittel in Höhe von etwa 2,4 Mio. € betroffen sind, geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass die Werft spätestens ab jenem Zeitpunkt insbesondere aufgrund hoher Lieferantenverbindlichkeiten nicht mehr in der Lage war, mit ihren vorhandenen Mitteln und erwarteten Einnahmen die fälligen Verbindlichkeiten und geplanten Ausgaben zu begleichen.

Zwei der Angeschuldigten werden zudem angeklagt, vorsätzlich weder den erforderlichen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt noch die Jahresbilanz der Werft für das Geschäftsjahr 2017 aufgestellt zu haben. Das Landgericht muss noch über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden.

Betrug im besonders schweren Fall & Bestechlichkeit

Die aufgrund des Verdachts der Bestechung und Vorteilsgewährung eingeleiteten Ermittlungen begründeten nach Angaben der Behörden zudem den Verdacht, dass Verantwortliche der Werft bei den insgesamt 28 Instandsetzungsaufträgen der Marine, die ab Januar 2014 durchgeführt wurden, von verschiedenen Unterauftragnehmern als Gegenleistung für deren zukünftige Beauftragung Gutschriften gefordert und erhalten sowie diese »in betrügerischer Weise« gegenüber der Marine als Auftraggeberin verheimlicht haben könnten.

Es wurden daher auch Ermittlungen wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Betruges und der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gegen zwei ehemalige Vorstände eingeleitet. Zugleich wurden Ermittlungsverfahren gegen 24 Mitarbeiter der Werft wegen des Verdachts der Beihilfe zum Betrug und zur Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr eingeleitet. Diese Verfahren gegen die Mitarbeiter wurden zwischenzeitlich größtenteils gegen Zahlung von Geldauflagen eingestellt.

»Soweit es die Ermittlungen gegen die ehemaligen Vorstände der EW AG betrifft, dauert die Bewertung des Ermittlungsergebnisses durch die Staatsanwaltschaft derzeit noch an«, heißt es. Mit einem Verfahrensabschluss ist insoweit erst in einigen Monaten zu rechnen.