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In der Branche gibt es große Sorgen, dass der Markt künftig unter einem Überangebot an Containertonnage leiden könnte. Das ist eine der Kernaussagen einer neuen Umfrage, die das auf maritime und logistische Themen spezialisierte Hamburger Marktforschungs­büro Maritime Research Partners (MRP) in Kooperation mit der HANSA durchgeführt hat.[ds_preview]

Über 140 Leser der HANSA sowie Kontakte von MRP beteiligten sich an der anonymen Online-Befragung, die zum Jahresende 2021 abgeschlossen wurde. »Nicht einmal ein Viertel der Teilnehmer geht davon aus, dass das in den vergangenen Monaten stark angewachsene Orderbook der Boxcarrier problemlos vom Markt absorbiert wird, beziehungsweise nicht für Überkapazitäten sorgen wird«, erläutert Ingmar Loges, der MRP zusammen mit Behrend Oldenburg leitet.

Die Mehrheit befürchtet, dass Reeder derzeit die gleichen Fehler wie in der Vergangenheit begehen und es schon in zwei bis drei Jahren zu massiven Überkapazitäten kommen könnte, da das Marktwachstum und die Anzahl der Verschrottungen nicht mit dem Flottenzuwachs Schritt halten würden.

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Wunsch nach unabhängigen Terminals

Ein weiteres deutliches Umfrageergebnis zeigt sich bei der Frage, inwieweit Containerterminals frei von Reedereibeteiligungen bleiben sollten. Fast die Hälfte der Teilnehmer (43 %) plädiert für einen unabhängigen Betrieb. Hintergrund der Frage: Erst Ende September vergangenen Jahres stieg Cosco Shipping Ports mit 35 % beim HHLA-Terminal Tollerort im Hamburger Hafen ein.

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Die als parteinah geltende chinesische Tageszeitung »China Daily« feierte den Deal als großen Erfolg, der helfen werde, den Handel zwischen China und Deutschland weiter auszubauen. Im Hafen selbst waren die Meinungen dagegen gespalten: Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher von der SPD bezeichnete den Einstieg als »gut für Hamburg, unsere Hafenunternehmen und die gesamte deutsche Im- und Exportwirtschaft«, die Partei Die Linke sprach dagegen von einer »Provokation«. Hamburgs FDP-Chef Michael Kruse forderte, dass »der Einstieg chinesischer Unternehmen in kritische Infrastruktur in Deutschland einer parlamentarischen Erörterung im Bundestag und in der Bürgerschaft bedarf.«

Für nicht wenige Hafenexperten gilt die Beteiligung als politischer Präzedenzfall und Türöffner für weitere Engagements von Cosco oder anderer staatsnaher chinesischer Logistikriesen, beispielsweise auch im deutschen Hinterland. Schon jetzt hält Cosco in Europa übrigens eine ganze Kette an Beteiligungen: Im Mittelmeer, aber auch in den führenden Containerhäfen Antwerpen (20 % am Antwerp Gateway Terminal) und Rotterdam (35 % am Euromax-Terminal).

Alternativ können sich die Umfrageteilnehmer zwei Szenarien vorstellen, wenn es doch zu einer Terminalbeteiligung kommt: Hierbei darf es nicht, wie offenbar bereits teilweise praktiziert, zu einer unterschiedlichen Besteuerung zwischen Terminals mit und ohne Reederbeteiligung kommen. Dieser Meinung schließen sich 23 % der Befragten an.

22 % der Befragten fordern, dass sich mindestens zwei unterschiedliche Carrier an einem Terminal beteiligen müssen, um ein Mindestmaß an Wettbewerb gewährleisten zu können. Nur 13 % haben auch mit einer kompletten Freigabe von Terminalbeteiligungen kein Problem.

Dockkapazitäten für Megaboxer

Zurück zur fahrenden Flotte. Mit dem stark gestiegenen Orderbook kommen bis zum Jahr 2024 allein über 50 Großcontainerschiffe aus dem Segment über 23.000 TEU in Fahrt. Trotz immer längeren Docking-Intervallen zeigt sich, dass die Werftkapazitäten für Überholungen oder kurzfristige Reparaturen für Carrier in dieser Größenordnung knapp werden. Schon in einer früheren Untersuchung zu Megaboxern hatte MRP darauf hingewiesen, dass es zwar genügend Neubaukapazitäten, aber künftig zu wenige Docking-Möglichkeiten für die wachsende fahrende Flotte gibt. »Die Großdocks werden von den Werften in der Regel ausschließlich für den lukrativen Serienbau freigehalten – und nicht für Inspektionen oder Reparaturen«, meint Loges. Hier tut sich also ein wachsender Markt für die Schiffbauer auf.

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MRP wollte von den Teilnehmern der Umfrage wissen, wie sie die Werftkapazitäten für die fahrende und künftige Flotte (mit über 23.000 TEU) beurteilen, und zwar zum aktuellen Zeitpunkt und in zehn Jahren. Wenig überraschend: Schon heute gibt es nach Ansicht von fast 80 % der Befragten in Asien ausreichend Dockkapazitäten für Megaboxer. Und sogar 93 % gehen davon aus, dass dies spätestens in einem Jahrzehnt der Fall ist.

Kapazitäten in Mittelost erwartet

Große Erwartungen haben die Teilnehmer an die Region Mittlerer Osten: Noch ist ihrer überwiegenden Einschätzung nach (69 %) die Kapazität hier aktuell nicht ausreichend. Das könnte sich in zehn Jahren aber grundlegend gewandelt haben: Dann gehen mehr als drei Viertel der Befragten hier von einem der Nachfrage entsprechenden Angebot aus – ein enormer Zuwachs.

Erstaunlicherweise erwarten die Teilnehmer auch für Europa Zuwächse beim Angebot. Während heute erst ein gutes Viertel von einem ausreichenden Angebot großer und freier Docks überzeugt ist, sind es für 2032 schon knapp die Hälfte. Auch in Nordamerika wird nach Ansicht der Umfrageteilnehmer das Serviceangebot für Großcontainerschiffe mit über 23.000 TEU im Laufe des kommenden Jahrzehnts ausgebaut werden.

Marktberuhigung in Sicht

Die Frage nach der Marktberuhigung bildete einen weiteren Schwerpunkt der aktuellen Umfrage: Eine Rückkehr zu annähernd »normalen« Marktverhältnissen, so Loges abschließend, »in Bezug auf Nachfrage, Kundenverhalten, Hafenverstopfungen oder Equipmentmangel erwarten fast 50 % der Teilnehmer für das zweite Halbjahr 2022 und ein knappes Drittel für das erste Halbjahr 2023.«

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»Maritime Snapshots« von HANSA und MRP

Die jetzt vorgelegte Auswertung der Umfrage »Seven Questions on the red hot Container Market 2022« ist das zweite Ergebnis der exklusiven Kooperation von MRP und der HANSA. Beide Partner werden auch künftig gemeinsam Umfragen durchführen und veröffentlichen, um das aktuelle Stimmungsbild in der maritimen Branche zu besonderen Themen widerzuspiegeln.

Basis für die Befragungen bildet der umfangreiche und hochkarätige Datenpool aus der internationale Schifffahrtsbranche von MRP, der um die wachsende Leserschaft der HANSA-Produkte ergänzt wird. Die Teilnehmer antworten grundsätzlich anonym und unter Wahrung strengster Datenschutzbestimmungen. Für Kunden aus der gesamten Bandbreite der internationalen maritimen Wirtschaft erstellt MRP vertrauliche Marktstudien und Analysen zur Entscheidungsfindung, um deren Performance zu verbessern. Umfangreiche Beratungsdienstleistungen, beispielsweise zu Markenauftritt und Finanzierung, ergänzen das Portfolio von MRP.

Alle Ergebnisse der Umfrage finden Sie hier.