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Der Einmarsch Russlands in die Ukraine und die Kämpfe vor Ort haben die Schifffahrt von und zu den ukrainischen Häfen und darüber hinaus im gesamten Schwarzen Meer hart getroffen.[ds_preview]

Nach der Verhängung des Kriegsrechts hat die Regierung in Kiew sämtliche Häfen des Landes für die zivile Schifffahrt geschlossen. Geplante und bereits vereinbarte Frachtgeschäfte müssen im großen Stil annulliert, Ladungen im Transit umgeroutet und Schiffe und Besatzungen in Sicherheit gebracht werden.

Der Verkehr durch die Straße von Kertsch in das Asowsche Meer mit seinen wichtigen Getreidehäfen wie Rostow (Russland) und Mariupol (Ukraine) wird von russischer Seite seit letzter Nacht blockiert. Schiffsbewegungsdaten ließen erkennen, dass sich heute Morgen weit über 200 Schiffe auf beiden Seiten der Straße von Kertsch in Warteposition befanden – größtenteils Stückgutfrachter, Bulker und Produktentanker.

Über die Häfen des Asowschen Meeres beziehen Länder in Nordafrika und im östlichen Mittelmeer einen großen Teil ihres Getreidebedarfs. Sollte der Schiffsverkehr eingeschränkt bleiben, müssten die Länder im großen Stil Weizen aus anderen, entfernteren Gegenden einführen. Der Weltmarktpreis für Weizen an der Chicagoer Warenbörse kletterte inzwischen auf den höchsten Stand seit fast 10 Jahren, der Rohölpreis (Brent) sprang bis 14:00 Uhr um 7,5% auf fast 105 $/Barrel.

»Wie erstarrt«

Der auf die Shortsea-Schifffahrt spezialisierte Branchendienst BMTI erklärte, dass die Charteraktivitäten in weiten Teilen des Schwarzen Meeres infolge des russischen Einmarsches »wie erstarrt« seien. Viele bereits vereinbarte Charter-Verladungen ex Ukraine seien bereits geplatzt, die Stimmung unter Händlern und Schiffsmaklern sehr schlecht, so BMTI.

Die Linienreederei Maersk teilte mit, dass alle Containerdienste in die ukrainischen Häfen zunächst bis 28.02. ausgesetzt blieben. Buchungen für Ladung in die Ukraine würden bis auf Weiteres nicht mehr angenommen. Im größten Seehafen und wichtigsten Containerumschlagplatz der Ukraine, Odessa, wurde der Betrieb heute Morgen erst eingestellt und der Großteil des Personals nach Hause geschickt, nachdem noch eilig zwei Containerschiffe abgefertigt wurden, wie die Hamburger Hafen und Logistik AG mitteilt. Die Gesellschaft betreibt dort den Containerterminal.

Auf der Internet-Plattform Vessel Finder war zu verfolgen, dass am Vormittag zwei Feeder-Schiffe von Odessa aus aufbrachen: die »Bach« (3.500 TEU) und die »Hansa Limburg« (1.700 TEU). Ein Großcontainerschiff der chinesischen Reederei Cosco – die »Joseph Schulte« (9.400 TEU) – lag noch im Hafen. Der Frachter wird nach Angaben der dänischen Beratungsfirma Vespucci Maritime im Liniendienst der Ocean Alliance zwischen Fernost und dem Schwarzen Meer eingesetzt.

Die Beratungsfirma MS Risk, die die Lage im Auftrag der Seeversicherer bei Lloyd’s of London verfolgt und beurteilt, rief alle Schiffe im gesamten Schwarzen Meer zu oberster Wachsamkeit auf. Bei verdächtigen Vorgängen oder Vorfällen sollten Kapitäne Kontakt zum Nato Shipping Centre in Großbritannien aufnehmen. Ab kommender Woche müssen Schiffe für Fahrten in die ukrainischen und russischen Gewässer des Schwarzen Meeres Extraprämien für die Seekasko-Kriegsversicherung zahlen.

Stau im Bosporus?

Die Ukraine rief unterdessen die Türkei dazu auf, den Bosporus für einkommende russische Marineschiffe aus dem Mittelmeer zu sperren. Da sich viele Handelsschiffe gleichzeitig aufmachen dürften, das Schwarze Meer zu verlassen, könnten Verzögerungen im Bosporus-Transit zunehmen. (mph)