Rotterdam-Gate-Terminal-LNG
© Gate Terminal
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Die europäischen LNG-Importe haben bereits Rekordwerte erreicht und könnten weiter zunehmen, wenn im Zuge der Russland-Sanktionen die russischen Pipeline-Gaslieferungen zurückgehen oder eingestellt werden. Aber kann LNG das Pipeline-Gas ersetzen?[ds_preview]

Der Anteil von LNG am europäischen Gasversorgungsmix hat in den letzten Jahren stark geschwankt und lag zeitweise bei nur 7 %, erreichte aber im Januar 2022 ein Rekordhoch von 32 %. Die europäischen LNG-Importe erreichten im Januar 2022 ein Rekordhoch von 9,53 Mio. t, zeigen Daten von ICIS, dem Preis-Informationsdienst für den Handel mit chemischen Produkten und Energie.

Für Ed Cox, Leiter der Abteilung Global LNG bei ICSI, stellt sich die Frage, ob bei einem Wegfall russischer Gaslieferungen im Zuge des russischen Überfalls auf die Ukraine und der daus resultierenden Sanktionen per Schiff angeliefertes Flüssiggas die Lücke füllen könnte. Die am besten angebundenen europäischen LNG-Terminals seien allerdings bereits stark ausgelastet, zugleich schränke die limitierte grenzüberschreitende Pipeline-Kapazität vielerorts den Nutzen wachsender Importmengen ein, meint er.

»Zusätzliche Importinfrastrukturen erforderlich«

»Damit LNG einen wesentlich größeren strukturellen Anteil am europäischen Gasmix einnehmen kann, sind wahrscheinlich zusätzliche Importinfrastrukturen erforderlich, wie etwa die erneuerten Pläne für deutsche Importterminals. Der Ausbau bestehender LNG-Terminals ist eine weitere Option«, so Cox.

In Reaktion auf den Ukraine-Krieg will nun auch plötzlich die Bundesregierung, dass Deutschland unabhängiger von Gasimporten aus Russland wird. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte das Vorhaben am Wochenende in einer Regierungserklärung angekündigt. Als mögliche Standorte für ein LNG-Terminal nannte er Brunsbüttel und Wilhelmshaven. Planungen dafür gibt es an diesen Standorte seit langem, ebenso wie in Stade.

Infografik: Regierung plant Bau von LNG-Terminals in Deutschland | StatistaTerminals wie das niederländische Gate-Importterminal in Rotterdam order im belgischen Zeebrugge sollen bis 2024 ausgebaut werden, das polnische Import-Terminal bis 2023. Aber keine dieser Optionen bietet nach Einschätzung Cox’ eine unmittelbare Lösung für einen größeren Gasmangel, »und mehr Kapazität führt nicht unbedingt zu einem größeren Angebot«. »Ein Großteil des nach Europa gelieferten LNG wird auf flexibler Basis geliefert und wird in andere Teile der Welt fließen, wenn die europäischen Preise nicht attraktiv sind«, so Cox.

Eine Möglichkeit, dieses Problem zu umgehen, sei der Abschluss von Verträgen über feste LNG-Lieferungen, die Mengen garantieren würden. Dies könne jedoch mit einem höheren Preis verbunden sein und die Flexibilität der Käufer einschränken, wenn die europäische Gasnachfrage sinkt. Zudem werde die große Rolle, die russisches LNG in Europa neben russischem Pipeline-Gas spielt, nicht berücksichtigt.

Reicht die Terminalkapazität?

Oberflächlich betrachtet gibt es reichlich Kapazität, um mehr LNG nach Europa zu bringen. Laut ICIS LNG Edge liegt die Auslastung der europäischen LNG-Terminals (ohne Türkei) im bisherigen Jahresverlauf bei 67 %. Dies liegt deutlich über dem Durchschnitt der letzten 12 Monate von 49 %.

Da in den letzten Monaten weniger russisches Pipelinegas gehandelt wurde und die europäischen Gaspreise hoch waren, wurde mehr LNG an europäische Terminals geliefert, insbesondere aus den USA. Die gesamte in Betrieb befindliche europäische LNG-Importkapazität beläuft sich auf knapp über 156 Mio. t p.a., was 13 Mio. t/Monat entspricht – fast 3,5 Mio. t oder 36 % mehr als im Januar geliefert wurden.

Bei einer hundertprozentigen Auslastung der LNG-Terminals wäre der Anteil von LNG am europäischen Gasversorgungsmix im Januar auf 40 % gestiegen, wenn das sonstige Angebot unverändert geblieben wäre.

Infografik: So abhängig ist Europa vom Gas aus Russland | Statista

»Mit anderen Worten: Selbst bei maximaler Auslastung würde LNG nicht annähernd den russischen Anteil an der Erdgasversorgung ersetzen. Eine hundertprozentige Auslastung wird jedoch nie erreicht werden«, so Cox. Mehrere wichtige Importterminals in Nordwesteuropa seien in diesem Jahr bereits mit maximaler Leistung betrieben worden. Dazu gehören die Terminals Gate in den Niederlanden, Montoir in Frankreich, Zeebrügge in Belgien und Dragon im Vereinigten Königreich, wie aus den Daten von ICIS LNG Edge hervorgeht.

Die Terminals, die mehr LNG einspeisen könnten, sind in vielen Fällen nicht gut an den europäischen Gasmarkt angeschlossen, was den Nutzen zusätzlicher LNG-Importe einschränken würde. Fünf der Terminals mit der geringsten Auslastung in diesem Jahr befinden sich in Spanien, das über die größte LNG-Importkapazität in Europa verfügt. Spanien kann nur Pipelinegas nach Frankreich exportieren. Die maximale tägliche Durchflussmenge von Spanien nach Frankreich beträgt 20 Mio. m³, was in der Regel der maximalen täglichen Durchflussmenge von nur einem LNG-Terminal entspricht. »Das spanische LNG verfügt also nicht über Anschlüsse in die Zentren mit höherem Gasbedarf in Nordwesteuropa. Spanien könnte jedoch mehr LNG in Tanks lagern, das dann umgeladen und zu anderen Terminals in Europa gebracht werden könnte«, meint Cox.

Russisches LNG auf Platz 3 in Europa

Bei den LNG-Importen hat Russland nach der Inbetriebnahme der Yamal-LNG-Exportanlage im Jahr 2017 nun einen größeren Anteil. Yamal LNG befindet sich mehrheitlich im Besitz des russischen Unternehmens Novatek. Weitere Anteilseigner sind die französische Total Energies und die chinesische CNPC, Silk Road Fund.

Infografik: Wo die EU ihr Flüssiggas bezieht | Statista Im Jahr 2021 war Russland der drittgrößte Lieferant von LNG nach Europa, hinter den USA und Katar. Laut ICIS LNG Edge wurden 2021 etwas mehr als 18 % des europäischen LNG von Yamal geliefert. »Während die russischen Pipeline-Gasmengen zurückgegangen sind, wurde dies durch das starke russische LNG ausgeglichen. Dies unterstreicht erneut, wie sehr die russische Energie auf dem europäischen Markt verankert ist«, sagt Cox.

Katar will seine LNG-Produktion in den 2020er Jahren stark ausweiten, und es wird erwartet, dass neue Projekte die LNG-Produktion in den USA ankurbeln, aber das Wachstum der weltweiten LNG-Produktion ist nach Einschätzung von Experten in den nächsten zwei bis drei Jahren begrenzt.