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Ein wichtiges Pfund für den Schifffahrtsstandort Norwegen ist die Oslo Børs, über die sich unter anderem Reeder frisches Kapital für neue Investitionen in die Flotte beschaffen. Auch ausländische Unternehmen zieht sie an, wie etwa die Hamburger MPC-Gruppe, deren Börsen-Vehikel MPC Container Ships (MPCC) seit einiger Zeit in Norwegen aktiv ist.[ds_preview]

An der Börse sind heute rund 40 Schifffahrtsunternehmen gelistet, die zusammen eine Marktkapitalisierung von fast 20 Mrd. € aufweisen. »Noch vor wenigen Jahren waren es weniger als 30, die über Folgeemissionen und die Anleihemärkte große Mengen an Geld aufnahmen«, sagt Börsen-Chef Øivind Amundsen. Allein in den letzten zwölf Monaten seien trotz der anhaltenden Pandemie sechs neue Schifffahrtsunternehmen hinzugekommen: Gram Car Carriers, Cool Company, Höegh Autoliners, Himalaya Shipping, Western Bulk Chart und HAV Group. »Meines Wissens gibt es an keiner anderen Börse so viele Schifffahrtsunternehmen, was die Branche neben Energie und Fischerei zu einem unserer drei stärksten Bereiche macht«, so Amundsen. Die meisten Unternehmen befänden sich in norwegischem Besitz, gelten aber als international, da sie in der Regel im Ausland eingetragen sind. 16 der 40 Unternehmen sind außerhalb Norwegens ansässig.

Boersbygningen med nye bannere
Einer der Erfolgsfaktoren für Norwegen: Die Börse in Oslo. (© Euronext)

Der Börsen-CEO spricht von »Norwegens sachkundigem Finanzsystem, einschließlich gut informierter Investoren«, die neue Unternehmen anzögen: »Wenn man hierher kommt, muss man nicht erklären, was ein VLCC oder ein Supramax ist.« Er verweist auf MPC Container Ships, um die potenzielle Entwicklung aufzuzeigen: »Das in Deutschland ansässige Unternehmen wurde vor einigen Jahren erstmals auf unserer OTC-Plattform notiert, als sich der Markt auf dem Tiefpunkt befand. Bald darauf wurde es an den ›Growth‹- und ›Expand‹-Märkten und zuletzt an unserem Hauptmarkt und im Hauptindex notiert.«

Eine gewisse Zuversicht verschafft ihm, dass die Schifffahrtskapitalmärkte eine mehrjährige Flaute überwunden hätten, »in Sektoren wie Container und Autotransporter ist ein deutlicher Aufschwung zu verzeichnen.« Auch Makro-Ereignisse wirken sich aus. So dürften die Preise für Tanker und Gas wahrscheinlich steigen, da aufgrund des Krieges in der Ukraine mehr Energie transportiert werden muss.

Die Liquidität in Schifffahrtsaktien ist ebenfalls gestiegen. Der Oslo Shipping Index hat in den letzten zwölf Monaten aufgrund »solider Gewinne und eines gestiegenen Interesses« um knapp 50% an Wert gewonnen. »Das spiegelt vielleicht nicht ganz die Zeiten vor 2008 wider, als der Offshore-Bereich im Mittelpunkt stand, aber es ist sehr ermutigend«, sagt Amundsen.

Große Hoffnung setzt die Börse zudem in den »Green«-Trend: Die meisten Schifffahrtsunternehmen werden in den kommenden Jahren einen Dekarbonisierungsprozess durchlaufen müssen, der enormes Kapital erfordert. Viele neue Marktteilnehmer und bestehende Emittenten hätten bereits erhebliche Investitionen getätigt, um die bestehende Tonnage zu modernisieren, umweltfreundliche Schiffe und energieeffiziente Antriebstechnologien zu bestellen und nicht zuletzt die Digitalisierung voranzutreiben, heißt es. »Sie betonen diese Anstrengungen zunehmend in ihren Investorengesprächen, und Oslo Børs wird dabei eine wichtige Rolle spielen«, meint der CEO. Einige Schifffahrtsunternehmen haben grüne Anleihen begeben, zum Teil mit strengen Anforderungen an die Emissionsberichterstattung und variablen Zinszahlungen. Dieser Trend wird sich nach Ansicht des Finanz-Experten fortsetzen, da die Unternehmen nach verschiedenen Finanzierungsformen und die Anleger nach Instrumenten mit einem klaren ESG-Bezug suchen.

Institutionelle Anleger – unter anderem Pensions- und Versicherungsfonds – machen 90% der Marktkapitalisierung der Oslo Børs aus. Die Börse will auf die Entwicklung reagieren, Amundsen kündigte die Einführung eines ESG-Index an, um Investitionen in nachhaltige Projekte zu fördern. Dabei hat er nicht nur Reedereien im Blick: »Wir würden uns auch wünschen, dass mehr Technologieanbieter und Dienstleister an die Börse gehen und Kapital aufnehmen.«    (MM)