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Shipmanager und Reeder müssen bei ihren Plänen zu Bemannung und Besatzungswechsel nach wie vor mit einigen Hürden und Unsicherheiten kämpfen. Eine befürchtete erneute Eskalation im Zuge des Ukraine-Kriegs scheint aber zunächst ausgeblieben zu sein.[ds_preview] Von Michael Meyer

Von einer echten Entspannung im Crewing-Geschäft kann nach wie vor keine Rede sein – weder in Bezug auf die Corona-Pandemie, noch mit Blick auf den Ukraine-Krieg. Reise-Restriktionen, Lockdowns, Impfungen und vor allem Seezeiten über Vertragsende – die Liste der Herausforderungen allein in der Covid-Krise ist lang. Hinzu kommen die Schwierigkeiten rund um ukrainische und russische Seeleute, sei es an Bord oder beim Ende beziehungsweise Neustart eines Heuervertrags. Wer ist überhaupt verfügbar? Wohin kann ein Ukrainer gehen, wenn er von Bord kommt? Das sind nur Beispiele für die Fragen, die sich Reeder, Shipmanager und Crewing-Dienstleister, aber auch Gewerkschaften derzeit stellen.

»Die Beschäftigung russischer Seeleute wird immer schwieriger«

Intermanager-Chef Kuba Szymanski

Aber die Entwicklung ist auch nicht so schlecht wie von vielen noch vor wenigen Wochen befürchtet worden war. Das zeigen aktuelle Daten des »Neptune Declaration Crew Change Indicator«, der monatlich veröffentlicht wird. Er basiert auf Daten von führenden Shipmanagern, darunter Anglo-Eastern, Bernhard Schulte, Columbia, Fleet, OSM, Synergy, Thome, V.Group und Wallem, die zusammen rund 90.000 Seeleute auf See haben. Der jüngste Indikatorwert zeigt, dass die Zahl der Seeleute, die sich nach Ablauf ihres Vertrags an Bord von Schiffen befinden, im letzten Monat nur leicht von 4,2 auf 4,5 % gestiegen ist. Die Zahl derer, die seit mehr als elf Monaten auf See sind, sank hingegen leicht von 0,4 auf 0,3 %. Diese Zahlen liegen sehr nahe an den seit Dezember 2021 gemeldeten Werten, was eine Stabilisierung der Situation bestätige, heißt es seitens des Global Maritime Forum, dass den Index betreut.

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Die Impfung von Seeleuten läuft mittlerweile verhältnismäßig gut (© Pixabay)

Im Mai ist zudem eine weitere Zunahme von Impfungen gegen das Corona-Virus zu beobachten. Mittlerweile sind 83,6 % der Seeleute geimpft – im April waren es noch 77,2 %. Die Impfung nehme »weiterhin in einem guten und stetigen Tempo« zu, heißt es.

Darüber hinaus werden Impfstoffe für Besatzungsmitglieder zur Verfügung gestellt, die ungeimpft auf ein Schiff gekommen sind. Dennoch bestünden nach wie vor »gewisse Unsicherheiten hinsichtlich der Dauer des Impfschutzes, der Angst vor neuen Varianten und der Wirksamkeit der Impfstoffe gegen die verschiedenen Formen von Covid-19«, so die Organisation.

Die Shipmanager berichten von einer gemischten Situation in Bezug auf den Wechsel der Besatzung in Asien. Eine positive Entwicklung wurde aus Singapur gemeldet, wo die Vorschriften gelockert wurden. In anderen asiatischen Ländern und Häfen gebe es jedoch weiterhin Beschränkungen.

»Logistische Herausforderungen« soll es zudem beim Wechsel russischer und ukrainischer Seeleute gegeben haben, insbesondere wenn sie ungeimpft waren.

Insgesamt meldeten die Manager aber eine Verbesserung der Flugverfügbarkeit und eine allgemeine Lockerung der mit Covid-19 zusammenhängenden Beschränkungen. Dennoch: Trotz verschiedener positiver Tendenzen bleibt das Global Maritime Forum vorsichtig: »Wie wir in den letzten Jahren gesehen haben, können sich die Dinge kurzfristig ändern, so dass wir wachsam bleiben müssen, um das Wohlergehen der Seeleute zu schützen«, sagt Kasper Søgaard, Managing Director und Head of Institutional Strategy and Development.

Beim Shipmanagement-Verband Intermanager sieht man ebenfalls positive Anzeichen, aber auch noch keine Entspannung. Im Gespräch mit der HANSA sagt Generalsekretär Kuba Szymanski mit Blick auf den Krieg: »Unsere Mitglieder beobachten die Sanktionslage sehr genau und gehen von einer abwartenden Haltung zu einem proaktiveren Ersatz russischer Offiziere und Schiffsleute über, da die Beschäftigung dieser Staatsangehörigen immer schwieriger wird.« Einige ukrainische Seeleute hätten zudem um eine Verlängerung ihres Vertrags gebeten, was gewisse Umstellungen in den Plänen erforderlich machte. Allerdings erleichtern die verbesserten Flugmöglichkeiten die Situation deutlich.

Die »Corona«-Situation in Bezug auf Reisen und Besatzungswechsel sei weitgehend wieder auf dem Stand von vor Ausbruch der Pandemie. »Bei unseren Mitgliedern liegt die Durchimpfungsrate jetzt bei 80 % und wir betrachten die Situation als ›unter Kontrolle‹«, sagt Szymanski.

Hilfe bei Umsiedlung

Der Intermanager-Verband rät Schiffsmanagern, Seeleuten und ihren Familien aus der Ukraine »volle Unterstützung zu gewähren«. Als Beispiele führt der Generalsekretär auf, Verträge zu verlängern oder bei der Umsiedlung der Familie entweder in sicherere Teile der Ukraine oder ganz aus der Ukraine heraus zu helfen. Für solche Fälle empfiehlt der Verband, die Ukrainer etwa bei der Suche nach Unterkünften Verkehrsmitteln und Arbeitsplätzen zu unterstützen oder bei Fragen zu Schule, Sozialleistungen oder ähnliches zu assistieren. InterManager hilft laut seinem Generalsekretär »proaktiv« einer Reihe von Seeleutefamilien bei der Umsiedlung nach Polen.

Kooperationen & Co. im Shipmanager-Markt

Gleich drei große Shipmanager haben zuletzt mit der Gründung von Joint Ventures auf sich aufmerksam gemacht.

  • Anglo-Eastern kooperiert künftig mit dem weltgößten Containerschiffseigner Seaspan. Das Joint Venture »Sea Sourcing« mit Sitz in Singapur soll künftig als gemeinsame Procurement-Plattform (Einkauf) dienen und einen besseren Marktzugang, eine stärkere Verhandlungsposition und Risikominderung ermöglichen.
  • Bernhard Schulte Shipmanagement (BSM) und der norwegische Ammoniak-Spezialist Amon Maritime haben das Joint Venture »Ula Ship Management« mit Sitz in Sandefjord gegründet. Es soll Schiffsmanagementdienste für den norwegischen Markt anbieten, wobei es sich auf mit Ammoniak betriebene Schiffe spezialisiert, aber auch für alle anderen Schiffstypen offen ist. Amon entwickelt seit 2019 Schiffsprojekte, Technologien und Bunkerlösungen.
  • Columbia Shipmanagement hat ein Joint Venture mit Sea World in Monaco gegründet. Damit weitet CSM die Aktivitäten in Frankreich, Italien und Monaco aus. Als Columbia Seaworld Management (CSM Monaco) sollen Dienstleistungen für alle möglichen Schiffstypen und Superyachten angeboten werden. Auch Management-Dienste für Privatjets und Vermögensverwaltung gehören zum Portfolio.

»Grüne Weiterbildung« für Seeleute

Die von der Internationalen Schifffahrtskammer, der Transportarbeiter-Föderation und dem UN Global Compact gegründete Maritime Just Transition Task Force hat angekündigt, dass sie auf der Klimakonfenrenz COP27 im November einen Bericht über nötige Qualifikationen und Weiterbildung von Seeleuten veröffentlichen will. Der Bericht soll die Anzahl der Seeleute quantifizieren, die für den Umgang mit den umweltfreundlichen Kraftstoffen der Zukunft geschult oder weitergebildet werden müssen. Die auf der COP26 in Glasgow eingerichtete Task Force hat zudem weitere Partner bekannt gegeben, darunter die Ocean Technologies Group (OTG), Anglo Eastern, MSC, Ocean Network Express und PTC.


Abstract: Crew Change Stabilisation?
Ship managers and shipowners still have to struggle with a number of hurdles and uncertainties in their plans for manning and crew changes. However, a feared renewed escalation in the wake of the Ukraine war seems to have failed to materialise for the time being. This is indicated by new figures from the Crew Change Neptune Indicator.