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Noch vor wenigen Monaten schien es so, als ob das Kapitel LNG enden könnte, ehe es überhaupt angefangen hatte. Der Krieg in der Ukraine änderte alles: Mit Hochdruck wird daran gearbeitet, sich von russischen Energie-Importen unabhängig zu machen

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und sein Team sind viel gereist, haben geplant u[ds_preview]nd gerechnet, bis der Casio-Rechner glühte. Weil Entscheidungen getroffen werden mussten und jetzt auch getroffen wurden: Es wird an der deutschen Küste zunächst vier schwimmende LNG-Verladeplattformen und schnellstmöglich auch mindestens zwei Import-Terminals geben.

Um diesen Weg hin zum LNG besser zu verstehen, soll dieser Artikel praxisnah den Rechenweg sowie die technisch-kommerziellen Hintergründe erläutern.

Deutschland verbraucht Gas in der Größenordnung von Terajoule (TJ), also Billionen Joule. Auf Basis von Informationen des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), lag der durchschnittliche Jahresverbrauch zwischen 2009 und 2020 bei 3,323 Mio. TJ, 2020 und 2021 waren es 3,569 Mio. TJ/Jahr bzw. 3,667 Mio. TJ/Jahr.

Mit Blick auf einen Mehr- und Minderbedarf aufgrund von warmen bzw. kalten Wintern lässt den für die weiteren Berechnungen gewählten Wert von 3,5 Mio. TJ/a für den deutschen Gasverbrauch als ausreichend erscheinen. Das gilt umso mehr, wenn der angestrebte Energiewandel in Deutschland weg vom fossilen Gas hin zu mehr elektrischem Heizen und mehr Versorgungsanteilen aus Power-to-X-Technologien führt.

Import versus Verbrauch

Die Gas-Importmenge Deutschlands liegt höher als unser Verbrauch, da Gas von den hiesigen Energie-Unternehmen sehr intensiv in andere Länder weiterverkauft wird. Die Importmenge inklusive von Transitmengen lag im vergangenen Jahr laut BAFA bei gut 5 Mio. TJ. Wichtige aus Deutschland belieferte Abnahmeländer sind Tschechien, die Niederlande, Österreich und die Schweiz.

Für die Berechnung der benötigten Kapazitäten der künftigen deutschen LNG-Importterminals betrachten wir die bisherigen Einfuhren an russischem Gas. Berücksichtigt sind lediglich die Anteile am deutschen Verbrauch. Exportmengen an Drittländer werden dabei vernachlässigt.

Der Anteil russischen Gases am deutschen Verbrauch lag nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums im April 2022 bei rund bei 35 %. Das entspricht einer Energiemenge in Form von LNG von etwa 1,2 Mio.TJ/a. Der spezifische Heizwert von LNG lässt sich gemäß der BP Studie »Statistical Review of World Energy 2021« mit 21.600 MJ/m³ LNG berechnen, sowohl für US-Shale-Gas als auch für katarisches Gas.

Des Weiteren wurde, aufgrund der derzeit noch unvorhersehbaren Situation am Chartermarkt für LNG-Tanker, eine mittlere Carrier-Kapazität von 160.000 m³ LNG pro Schiff angenommen. Die auszugleichende Energiemenge von 1,2 Mio. TJ/a entspricht also einem LNG-Volumen von rund 55,5 Mio. m³/a.

Aus der mittleren Carrier-Kapazität von 160.000 m³ ergeben sich somit rechnerisch 347 Anlandungen pro Jahr an den deutschen Importterminals. Die nach der Zwischenspeicherung in das bundesdeutsche Gasfernnetz einzuspeisende LNG-Menge hat demzufolge nach ihrer Rückvergasung aus dem flüssigen Zustand ein Volumen von rund 34,6 Mrd. m³.

LNG-Carrier

Daraus ergibt sich die zu charternde Anzahl von LNG-Carriern wie folgt: Die mittlere Umlaufzeit vom US-Golf/Texas nach Deutschland beträgt rund 24 Tage inklusivere Laden und Löschen. Für den Umlauf von der US-Ostküste nach Deutschland und retour wäre von 21 Tagen per Rundreise auszugehen. Die Transporte aus Katar wären mit etwa 32 Tagen pro Lieferung anzusetzen. Dabei wird eine mittlere Dienstgeschwindigkeit von 18 kn angenommen. Für unsere Betrachtung wird davon ausgegangen, das ¾ der zu liefernden LNG-Menge aus den USA, darunter zur Hälfte aus Texas, stammen und ¼ aus Katar. Auszugehen ist zunächst von 8.637 Chartertagen pro Jahr und einem Bedarf von 25 Carriern.

Aus dem US-Golf wären 130 Rundreisen pro Jahr à 24 Tagen pro Rundreise zu leisten. Bedarf: 9 LNG-Carrier

Für den Dienst zwischen US-Ostküste und Deutschland mit ebenfalls etwa 3/8 der Menge, wären es 130 Rundreisen pro Jahr à 21 Tagen pro Rundreise. Bedarf: 8 LNG-Carrier

Aus Katar käme rund ¼ der Menge mit 87 Rundreisen pro Jahr à 32 Tagen pro Rundreise.

Bedarf: 8 LNG Carrier

Zu berücksichtigen ist zudem die Boil Off Menge, die während des Transports bei Atmosphärendruck aufgrund der natürlichen Verdampfung des LNG verloren ginge, wenn man es nicht an Bord rückverflüssigen würde. Diese Menge wird mit täglich 0,12 % der an Bord befindlichen Menge angenommen. Die in der Boil-Off-Menge enthaltene Energie wird für den Antrieb und die Versorgung der Schiffe mit elektrischer Energie genutzt. Eine Rückverflüssigung findet in diesem Beispiel nicht statt.

Der Leistungsbedarf für die Propulsion eines LNG-Carriers mit einer Kapazität von 160.000 m³ wird mit dem Praxiswert von 28.000 kW bei 18 kn angenommen. Berücksichtigt man einen spezifischen Kraftstoffverbrauch der Hauptmaschine (Dual-Fuel-Dieselmotor) von 156 g LNG pro kWh ergibt sich ein Verbrauch von 4.368 kg LNG pro Stunde. Aus einem LNG-Heizwert von 48.000 kJ/kg ergibt sich ein Primär-Energiebedarf von 209.664.000 kJ/h. Bezogen auf die angenommene Kapazität von 160.000 m³ macht die Boil-Off-Menge bei 0,12 % pro Tag geteilt durch 24 Stunden 8 m³ LNG pro Stunde aus. Die darin enthaltenen Energie beträgt 172.800.000 kJ/h bei einer LNG-Dichte von 450 kg/m³ (3.600 kg/h x 48.000 kJ/kg).

Ob die LNG-Carrier in der Praxis mit dem Boil-Off betrieben werden oder dieses an Bord rückverflüssigt werden würde, ist abhängig vom Ausrüstungsgrad des jeweiligen Schiffes sowie von wirtschaftlichen Aspekten wie dem Preisunterschied zwischen VLSFO und LNG oder der Versorgungssituation am deutschen Gasmarkt.

Die auf See insgesamt anfallende Boil-Off-Menge ergibt sich bei 7.943 Seetagen zu 0,0012 x 160.000 m³ = 1.525.000 m³ LNG – was etwa 2,7 % der jährlichen LNG-Transportmenge bzw. 32.940 TJ/a entspricht. Wird die Boil-Off-Menge als Kraftstoff verwendet, kann von einer dann benötigten Anzahl von gut 357 Fahrten à 160.000 m³ jährlich ausgegan­gen werden. Entsprechend stellt sich der Bedarf an LNG-Carriern wie folgt dar:

134 Rundreisen US-Golf-Deutschland = 3.211 Chartertage verteilt auf 9 LNG- Carrier, Einsatztage/a: 357 pro Schiff

134 Rundreisen US-Ostküste-Deutschland = 2.809 Chartertage für 8 LNG-Carrier, Einsatztage/a: 351 pro Schiff

89 Rundreisen Katar-Deutschland = 2.854 Chartertage für 8 LNG-Carrier, Einsatztage/a: 357 pro Schiff

Insgesamt ergeben sich daraus 8.874 Chartertage, verteilt auf 25 LNG-Carrier. Bei einer durchschnittlichen Charterrate von 50.000 $/Tag ergeben sich Kosten von insgesamt gut 443 Mio. $ pro Jahr.

Die in den Ladehäfen übernommene Menge von gut 57 Mio. m³ LNG pro Jahr reduziert sich während der Transporte um die Boil-Off-Menge (2,7 %) auf eine in Deutschland angelieferte Menge von rund 55,5 Mio. m³ LNG bzw. 34,5 Mrd. m³ nach der Regasifizierung.

Der dafür benötigte Wärme(energie)bedarf der FSRU bzw. der landseitigen Terminals muss ebenfalls berücksichtigt werden. Dafür werden zunächst 1,5 % der angelieferten Gasmenge kalkuliert. Die Verwendung von vor Ort verfügbarer, nutzbarer Abwärme, zum Beispiel aus dem Kühlwasser von Kraftwerken, könnte diesen Bedarf verringern. Die Standorte Brunsbüttel und Stade hätten gegebenenfalls Abwärme anzubieten. Die Entnahme von Wärme aus den Liegegewässern ist aufgrund von Umweltschutzgründen bisher eingeschränkt. Die in das Landnetz eingespeiste Gasmenge beläuft sich somit auf gut 34,0 Mrd. m³/a mit einem Energiegehalt von circa 1,2 Mio. TJ/a.

Kosten des Seetransports

Überschlägig ergeben sich aus den Ergebnissen dieser Beispielrechnung bei einer Gasliefermenge von 34,5 Mrd. m³ pro Jahr und Charterkosten von jährlich rund 443 Mio. $ spezifische Transportkosten in Höhe von 13 $-Cent je Kubikmeter angeliefertes Gas.

Aus unseren Gas-Abrechnungen ist die Größe »kWh« bekannt, die ebenfalls als Energiewert verwendet wird. 1 m³ gasförmiges Gas entspricht der Energiemenge von 36.000 kJ oder 10 kWh. Energetisch betrachtet ergeben sich Kosten des Seetransports von 0,13 $-Cent pro 1 kWh Gas.

Terminal-Pläne in Deutschland

In Wilhelmshaven ist bereits der erste Spatenstich für den Bau eines LNG-Importterminals erfolgt. An anderen Standorten existieren ähnliche Pläne. Im folgenden ein Überblick.

 

Brunsbüttel

Das Terminal in Brunsbüttel wird von German LNG Terminal geplant, einer Gesellschaft, an der die staatliche Förderbank KfW und der Energieversorger Gas­unie beteiligt sind. Als Kunden haben sich dem Vernehmen nach bereits Shell und RWE verpflichtet.

Vorgesehen ist nach bisherigem Stand eine Jetty für LNG-Carrier von bis zu 345 m Länge und einer Kapazität für bis zu 267.000 m³ LNG, was der Q-Max-Klasse von Nakilat entspricht.

Das landseitige Rohrleitungssystem des Terminals ermöglicht das Löschen eines Q-Max-Carriers bei seiner vollen Pumpenkapazität von 14.000 m³/h in gut 19 Stunden. Berücksichtigt man Manöverzeiten sowie Sicherheitsroutinen und Klarierung, so kann man von einer Abfertigungsdauer von einem Tag ausgehen. Unvorteilhafte Tiden können diesen Wert erhöhen.

Das Terminal in Brunsbüttel soll LNG-Lagertanks mit einer Kapazität von 2 x 165.000 m³ erhalten. Die Einspeisekapazität ins Landnetz soll maximal 920.00 Normkubikmeter (Nm³) pro Stunde, entsprechend 1479 m³ LNG/h, betragen.

Ein 160.000 m³ Carrier landet bei einer Boil-Off-Rate von 2,7 %, die für den Energie-Verbrauch der Passage verwendet wurde, somit gut 156.000 m³ an. Bei einer Einspeisung von 1.479 m³/h kann das Terminal die Liefermenge eines 160.000-m³-Carriers etwa alle 4,5 Tage verarbeiten. Das Jahresvolumen wird mit 8 Mrd. Nm³/a angegeben.

Stade

Ebenfalls an der Elbe wird in Stade der Hanseatic Energy Hub geplant. Gesellschafter sind der Gasinfrastrukturbetreiber Fluxys (Belgien), die Partners Group (Schweiz), die Buss-Gruppe aus Hamburg und Dow (Stade). EnBW wäre ein erster möglicher Kunde. Die Jetty des Terminalprojektes in Stade orientiert sich an den in Brunsbüttel geplanten Größen. Die Carrier dürften maximal 345 m lang sein und 267.000 m³ LNG transportieren. Landseitig sind 1.520.000 Nm³/h bzw. 2443 m³ LNG entsprechend 13,3 Mrd. m³/a Einspeisekapazität vorgesehen, wobei zwei LNG-Lagertanks mit jeweils 240.000 m³ Kapazitäten entstehen sollen.

 

Wilhelmshaven

In Wilhelmshaven (Tree Energy Solutions – TES) sind die Projekte am weitesten gediehen. Gleichzeitig mit der Unterzeichnung der Charterverträge für vier FSRU erfolgte an der Jade der Start der Baumaßnahmen für den ersten Anleger. Eine bestehende Hafenanlage wird so ausgerüstet, dass dort eine FSRU dauerhaft stationiert werden und mit dem Gasfernleitungsnetz verbunden werden kann. Bereits im Winter 2022/2023 soll an der UVG-Brücke (Umschlaganlage Voslapper Groden) die erste schwimmende LNG-Plattform in Deutschland festmachen.

Die landeseigene Hafengesellschaft Niedersachsen Ports (NPorts) wird an die bestehende Anlage eine Plattform sowie Fender- und Festmacherdalben für den Liegeplatz bauen. Darüber hinaus werden die Liegewanne und im Bereich der Zufahrt die notwendigen Wassertiefen durch Baggerungen hergestellt. Die Kosten belaufen sich auf rund 40 Mio. €, dazu kommen weitere 5 Mio. € für die Planung.

An Land wird durch die Open Grid Europe GmbH (OGE) die 26 km lange Wilhelmshavener Anbindungsleitung (WAL) zum Kavernenfeld der STORAG-Etzel bei Friedeburg gelegt, die eine Kapazität von zunächst 10 Mrd. m³ NG/a haben soll. Die Kapazität aller in Planung befindlichen Gas-Pipelines in der Region wird mit bis zu 28 Mrd. m³/a angegeben.

In einem zweiten Schritt will TES ein Terminal mit einer Importkapazität von 16–20 Mrd. m³/a errichten, dazu kommt ein Lager für 1,6 Mio. m³ in acht Tanks.

Bund will FSRU

Zunächst aber werden im Auftrag der Bundesregierung vier FSRU durch die Unternehmen Uniper und RWE gechartert – dafür stellt die Bundesregierung für die Dauer von zehn Jahren eine Summe von 3 Mrd. € in den Bundeshaushalt ein.

Fazit

Die bisher veröffentlichten Einspeisekapazitäten der geplanten landseitigen LNG-Importterminals Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Stade umfassen gut 41 Mrd. m³ Gas pro Jahr. Das korreliert mit dem angenommenen Bedarf von 1,2 TJ/a = 34 Mrd. m³/a Gas, die zunächst nur den zu ersetzenden, bisher aus Russland stammenden Anteile des deutschen Jahresverbrauchs berücksichtigt.

Etwaige Mehrbedarfe, zum Beispiel zur Deckung des Gasbedarfs in Tschechien, Österreich und in der Schweiz würden weitere LNG-Terminalkapazitäten in Deutschland erforderlich machen. Planzahlen für künftige Erweiterungen kann man aus den Informationen zum Wilhelmshavener Terminal bereits ableiten.

Die derzeit mit einer Charterdauer von zehn Jahren geplanten vier FSRU, die parallel zu den landseitigen Terminals betrieben werden sollen, mögen neben staatlich-planerischen Aspekten und Redundanzgründen auch eine strategische Hebelwirkung auf die föderalen Entscheidungsträger haben, um – frei nach Habeck – »in die Gänge zu kommen«.

Die FSRU-Kapazität wird insgesamt etwa 30 Mrd. m³ Gas pro Jahr betragen, was dem Bedarf von 34 Mrd. m³ nicht ganz entspricht. Die Differenz müsste bis zur Inbetriebnahme des ersten LNG-Terminals über andere Kanäle importiert werden. Die nötigen LNG-Transporte über See sind mit rund 25 LNG-Carriern mittlerer Größe gut leistbar. Dabei stellt sich aber neben der Frage der dauerhaften Verfügbarkeit von Tankern auch die Frage, ob eine direkte staatliche Hoheit über die benötigte Flotte von LNG-Carriern längerfristig abzusichern wäre.

Abstract: LNG for Germany – a brief overview

The German energy transition plan is being hampered by the war in Ukraine. Every day we experience inspiring news about the growing will from federal and state politicians to liaise with the industry to advance the development of a new German energy infrastructure. This article frames the new plan to install FSRU and LNG terminals.

Autor: Niels Kaiser NK shipconsult +49 162 4370945, niels-kaiser@outlook.comhttps://www.nkshipconsult.com/