Print Friendly, PDF & Email

Der Ukraine-Krieg und die daraus resultierenden Bemühungen in Europa, die hohe Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen zu reduzieren, dürften Veränderungen in den LNG-Handelsströmen und neue Chancen für die Tankerfahrt mit sich bringen

Gemäß dem Statistical Review 2021 von BP hat Europa im Jahr 2020 rund 170 Mrd. m³ seiner Gasimp[ds_preview]orte aus Russland bezogen. Erklärtes Ziel der EU ist es, das Importvolumen bis Ende 2022 auf ein Drittel, also weniger als 60 Mrd. m³ zu reduzieren. Stattdessen sollen rund 15 Mrd. m³ aus den USA bezogen werden und bis 2030 dann etwa 50 Mrd. m³. Die verbleibende Versorgungslücke von 98 Mrd. m³ soll mit Importen aus Katar geschlossen werden.

Die gesamte Regasifizierungskapazität aller europäischen LNG-Importterminals, inklusive Großbritannien, betrug laut Clarksons Research Ende Februar knapp 244 Mrd. m³ bei einer Auslastungsquote von lediglich 44 %. Technisch möglich sind bis zu 90 % – rein rechnerisch könnten somit 112 Mrd. m³ Erdgas zusätzlich in Form von LNG importiert werden.

Die global verfügbare Verflüssigungskapazität, abzüglich Russland, betrug per Ende Februar 585,2 Mrd. m³ mit einer Auslastungsquote von 86 % nahe am Maximum. Geht man davon aus, dass davon 80 % über langfristige Liefer- und Abnahmeverträge kontrahiert sind, wären 58 Mrd. m³ für den Spotmarkt generierbar. Europa bräuchte somit 43,5 Mrd. m³ frei verfügbare LNG-Volumina.

Deutschland verfügt derzeit bekanntlich über kein einziges Importterminal, zum Jahresende soll allerdings die erste schwimmende Anlage in Wilhelmshaven festmachen. Insgesamt wurden vier FSRU mit einer Gesamtkapazität von gut 30 Mrd. m³ gechartert.

Eine weitere Frage ist, wie das LNG angelandet werden kann. Die Handelsflotte an LNG-Tankern zählt rund 600 Schiffe >100.000 m³, darunter aber lediglich 35 FSRU. Das große LNG-Tanker-Orderbuch hat rund 30 % der Bestandsflotte erreicht. Allerdings sind die fahrenden wie auch die bestellten Schiffe zu etwa 80 % in mittel- bis langfristigen Charterverträgen gebunden, so dass wenig freie Tonnage auf den Markt kommen dürfte.

Vor allem die steigende Nachfrage in der westlichen Hemisphäre treibt das Niveaus der Charterraten. Die Tagespreise für moderne Einheiten von 160.000 m³ sind seit Ende Januar bereits um 80 % auf rund 45.000/Tag gestiegen, ebenso wie die Baupreise von 188 Mio. $ im April 2021 auf aktuell 223 Mio. $ für Tanker 174.000 m³ (+19 %).

Auch die Handelsrouten verändern sich. Fahren künftig mehr Schiffe aus den USA nach Europa statt nach Asien, verringert sich zwar die Tonnen-Meilen-Nachfrage, da sich die Distanz halbiert. Dies werde jedoch einen höheren Einsatz von Schiffen ausgeglichen, heißt es in der Studie. Bei einer Geschwindigkeit von 14 kn werdenzusätzlich 20 LNG-Tanker mit 160.000 m³ benötigt, um die von den USA zugesagten 15 Mrd. m³ nach Europa zu transportieren. Kommen weitere 43,5 Mrd. m³ hinzu, jeweils zur Hälfte aus den USA und Katar, wären bei einer Transitzeit von 36 Tagen weitere 44 LNG-Tanker nötig. Die geografische Verteilung sei aber eine weitere Herausforderung.

Es sei zudem davon auszugehen, dass vor allem China verstärkt russisches Gas importieren wird. Dies werde zu einem zunehmenden Wettbewerb um die freien Tankerkapazitäten führen. Weitere deutliche Ratensteigerungen wären dann nach Einschätzung von Experten zu erwarten. RD