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Im Zuge der Dekarbonisierung kommt auf die Schifffahrt ein breiter Brennstoff-Mix zu. Der Antriebshersteller WinGD will darauf vorbereitet sein und baut schon heute sein Portfolio an »X-Fuel«-Motoren aus, sagt Volkmar Galke im exlusiven HANSA-Interview

Die Schifffahrt steht vor der Herausforderung, ihre Treibhausgasemissionen deu[ds_preview]tlich zu reduzieren. In welche Richtung entwickeln Sie Ihre Antriebstechnologie diesbezüglich?

Volkmar Galke, Executive Director Sales – WinGD © WinGD
Volkmar Galke, Executive Director Sales – WinGD © WinGD

Volkmar Galke: Wir gehen den Weg, den unsere Kunden und der Markt vorgeben, gleichzeitig setzen wir uns dafür ein, den Übergang in unserer Branche zu sauberer Energie voranzutreiben. Wir müssen intelligent und flexibel sein und die Produkte anbieten, die der Markt nachfragt und welche die Eigner und Betreiber realistisch nutzen können. Von daher fokussieren wir uns bei unseren Motoren auf Brennstoffe wie Methanol, Ammoniak, LNG sowie Biofuels. Diese neuen notwendigen Technologien entwickeln wir zurzeit mit Hochdruck, denn wir wollen mit bereits erprobten und zuverlässigen Motoren vorher im Markt sein, bevor die »X-Fuels« klimaneutral verfügbar sind.

Haben die neuen Kraftstoffe Auswirkungen auf Ihre internen Unternehmensstrukturen?

Galke: Wir haben vor kurzem ein Investitionsprogramm in Höhe von 30 Mio. € für die Kraftstoffe der Zukunft angekündigt. Wir investieren zum Beispiel an unserem Hauptstandort in Winterthur in ein »Future Fuels Lab«, wo wir X-Fuels der Zukunft erforschen. Darin integrieren wir unter anderem einen neuen Einzylinder-Testmotor, an dem wir besser und schneller testen können als auf einem Full Scale-Motor. Dadurch stocken wir auch Personal auf. Zurzeit sind wir rund 440 Mitarbeiter weltweit, aber, wie gesagt, wir wachsen gerade und nicht nur in Winterthur, sondern auch an unseren Standorten in China, Korea sowie Japan.

Wenn Sie ein Schiffseigner fragt, was der Brennstoff der Zukunft sein wird, was antworten Sie dann?

Galke: Das ist eine Frage, die im momentan keiner so richtig beantworten kann. Wenn Ammoniak und Methanol aus fossilen Quellen gewonnen werden, ist die CO2-Bilanz und somit die CO2-Belastung schlechter als bei Schweröl, was auf lange Sicht wenig sinnvoll ist. Die Herstellung solcher Kraftstoffe in der richtigen Menge, um rentabel zu sein, wird viele, viele Jahre dauern. Mit der Umstellung auf LNG kann ein Schiffseigner sofort 20 % Emissionen einsparen, aber auch das ist ja leider noch fossil. Da muss man hoffen, dass es irgendwann synthetisch oder biologisch hergestellt wird.

Ich war vergangene Woche zum Beispiel in Kanada, wo mir ein Schiffseigner sagte, dass er nicht auf LNG umstellt. Er will vielmehr solange es geht mit Biofuels fahren und dann später auf Methanol oder Ammoniak umswitchen.

Wir können als Motorenentwickler nicht entscheiden, welcher Brennstoff zu nutzen ist, das muss der Betreiber tun, aber wir können die passende Antriebstechnik anbieten. Unsere Dual Fuel-Motoren, die wir bereits im Feld haben, können sowohl mit grünen als auch mit Bio-LNG betrieben werden. Unsere konventionellen Motoren fahren auch mit Biofuel.

An dieser Stelle stellt sich die Frage nach der Bunkerinfrastruktur – wie wird sie sich Ihrer Ansicht nach verändern?

Galke: Die großen Linienreedereien wie CMA CGM, MSC, Hapag-Lloyd oder Maersk können ihre Bunkerplätze relativ gut festlegen, weil sie Linien fahren. Für Reeder mit beispielsweise Tankern oder Bulkern im Spotmarkt müsste diese Frage noch geklärt werden.

Die globale Bunkerindustrie wird sich auf jeden Fall umstellen müssen und es ist fraglich, ob jeder Bunkerspot künftig wirklich alle Kraftstoffe, eben die X-Fuels, anbieten wird. Ich kann es nicht beurteilen, aber ich glaube, dass ein großer Brennstoff-Mix auf die Bunkerlieferanten zukommt.

Neulich habe ich mit Firmen aus dem Mittleren Osten gesprochen, die einen Hub für grünen Ammoniak planen. Vielleicht müssen Reedereien in Zukunft solche »Stützpunkte«, die X-Fuels anbieten, in ihre Routen mit einbeziehen.

Muss für den Einsatz von Future Fuels die Motorentechnik angepasst werden?

Galke: Da sind wir dran. Unsere Roadmap gibt vor, dass wir 2024 den ersten Methanol-Motor und 2025 den ersten Ammoniak-Motor im Portfolio haben werden. Ziel ist es natürlich, unser Portfolio mit X-Fuels-Motoren sukzessive nach den Marktanforderungen auszubauen. Jeweils ein halbes Jahr nach Markteinführung wollen wir Retrofit-Packages für die bestehende konventionellen und DF-Motoren anbieten. Denn unsere heutigen Motoren sind per se »Ammoniak und Methanol Ready« und der Markt spiegelt uns reges Interesse an X-Fuel-Retrofits wider.

Und sind schon welche im Betrieb?

Galke: Wir haben erst kürzlich mit Pacific International Lines ein signifikantes Projekt gewonnen. Die Reederei rüstet vier neue »Ammonia-Ready«-Containerschiffe mit unseren Motoren aus.

Ergeben sich dabei neue technische Herausforderungen?

Galke: Der spätere Umbau der heutigen installierten Motoren ist bei einem solchen Retrofit-Projekt nicht das Thema. Die Herausforderungen liegen vielmehr im Tank- und Fuel-Supply-System, sowie den Sicherheitsmaßnahmen die X-Fuels mit sich bringen. Denn wenn wir über Ammoniak oder auch Methanol sprechen, reden wir von ganz anderen Tanks und Dimensionen und nicht zuletzt auch von neuen Sicherheitsvorschriften. Wir unterstützen hier, indem wir ganz klar die Parameter für die X-Fuels festlegen, wie zum Beispiel, Druck, Aggregatzustand und Temperatur.

Alle Welt spricht derzeit von Hybrid-Antrieben. Ist es etwas, das auch Sie beschäftigt?

Galke: Es ist ein sehr aktuelles Thema und auch wir beschäftigen uns damit. Wir haben bereits zwei Projekte für zwei japanische Car Carrier gewonnen, die unser Hybrid-System erhalten. Das erste Schiff wird schon bald abgeliefert.

Hybrid hört sich aber immer so hochtrabend an, und das wird es sicherlich irgendwann auch mal werden. Im Moment ist es noch ein System mit »Power take off/Power take in« am Hauptmotor, den Hilfsantrieben, kombiniert mit einem Batterie-Paket und dem anspruchsvollen Teil, dem Energy Management System. Dank unserer Antriebskompetenz sind wir in der einmaligen Position, die Maschine mit der größten Effizienz, den Zweitaktakt-Motor, im Einklang mit den Hilfsmotoren im optimalen Betriebsbereich zu betreiben und alle Mitspieler so zu managen, dass im Endeffekt die Capex und die Opex reduziert werden können. Mit den Opex dann natürlich auch die Emissionen.

Und wo geht die Reise hin?

Galke: Wir als Motorentwickler fokussieren uns auf die Hauptenergiequellen an Bord und schauen, wann, wo, was betrieben werden muss. Wir haben dafür ein Team aufgebaut, unsere »Sustainability Solutions«-Gruppe, die sich um hybride Lösungen kümmert. Wenn ein Schiffseigner zu uns kommt und Interesse an hybriden Lösungen zeigt, suchen wir gemeinsam nach einem Weg, und zwar basierend auf umfangreichen Simulationen. Zunächst schauen wir uns den ganzen Energiebedarf des Schiffes an und was die Hilfsantriebe und der Hauptmotor leisten. Im Anschluss wird betrachtet, was wir da alles kombinieren können.

Da der Zweitaktmotor immer noch die effizienteste Verbrennungsmaschine ist, macht es natürlich Sinn, hieraus Strom zu erzeugen und nicht aus den Hilfsantrieben. Wir schauen uns an, wo welcher Energieerzeuger im besten Effizienzbereich läuft. Diese Analyse kann gegebenenfalls die Größe der Motoren verändern. Zum Beispiel kann es sein, dass ein Hilfsantrieb einen Zylinder weniger hat, weil wir die Energie vom effizienteren Zweitaktmotor beziehen. Und dann können wir diese Energie in eine Batterie einspeisen, die wiederum für den Bordstrom oder Hotelbetrieb sorgen kann. Diese Energie kann auch zum Peak Shaving genutzt werden und so den Hauptmotor unterstützen.

Des Weiteren könnten Batterien auch ein Schiff im Hafen oder auf Reede mit Strom versorgen. Es kommt hier natürlich immer auf die Schiffstypen an. Bei Schiffen zum Beispiel mit vielen Reefer-Containern oder vielen Kränen an Bord wird es heute noch schwierig, aber bei vielen anderen Schiffe funktioniert die Versorgung aus Batterien zurzeit schon sehr gut.

Es ist für uns auf jeden Fall ein Riesenthema, das uns Spaß macht und mit dem wir bei den Reedereien auf offene Ohren stoßen. Gleichzeitig machen wir uns bereits Gedanken, wie es weiter gehen könnte und was ferner in Richtung hybride Antriebe getan werden kann. An dieser Stelle wird es spannend, da man schnell zu Brennstoffzelle oder Windantrieben kommt – der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt.

Müssen sich Besatzungen auf die neuen Antriebe vorbereiten?

Galke: Mit den neuen Kraftstoffen wird der Motorenbereich komplexer. Dafür müssen massive Trainings und Einführungen angeboten werden. Und das tun wir bereits. Wir bieten Trainings am Hauptstandort in Winterthur an, aber auch in all den Ländern, wo die Reedereien oder Motorenhersteller sitzen, zum Beispiel in Griechenland, Singapur, Ukraine, Philippinen, China oder Korea. Wir trainieren die Mitarbeitenden dabei in einem nachgebauten, digitalen Motorenraum, in dem wir alle Abläufe und mögliche Störungen an Bord simulieren können.

Interview: Anna Wroblewski

 

Abstract: »There are no limits to creativity«

In the course of decarbonization, shipping is facing a broad fuel mix. The propulsion manufacturer WinGD wants to be prepared for this and is already expanding its portfolio of »X-Fuel« engines, as Volkmar Galke reports HANSA