Bergungsschlepper Wangerooge
© Holger Schlüter
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Der Deutschen Marine droht der Ausfall wichtiger Einheiten: Der Schlepper »Wangerooge« wurde jetzt vorfristig außer Dienst gestellt. Ersatz soll im zivilen Markt beschafft werden.[ds_preview]

Die Überalterung der zivilen Flotte und die in der Vergangenheit ausgebliebenen Investitionen in neue Schiffe hat für die Marine schmerzhafte Konsequenzen. Die »Wangerooge«, seit 1986 im Dienst, kann nicht weiter betrieben werden.

Eigentlich sollte der 1968 von der Schichau-Werft in Bremerhaven abgelieferte Schlepper bei Tamsen Maritim in Rostock im Rahmen einer letzten großen Instandsetzung noch einmal fit gemacht werden und anschließend noch bis 2025 im Dienst bleiben. Jetzt wurde jedoch das »vorzeitige Nutzungsdauerende« verkündet. Wegen steigender Kosten und verdeckter Schäden hat das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr die Konsequenzen gezogen.

Zwei weiteren Einheiten, dem Bergungsschlepper »Fehmarn« (Helgoland-Klasse, 56 Jahre alt) und dem Seeschlepper »Spiekeroog« (ebenfalls Klasse 722, 54 Jahre alt), droht das gleiche Schicksal – sie könnten bis Jahresende ebenfalls ausgemustert werden. Damit würde die Marine drei Einheiten verlieren, die für wichtige Aufgaben gebraucht werden. Die drei Hochsee- und Bergungsschlepper werden zwar mit einer zivilen Besatzung und ohne komplizierte Wehrtechnik betrieben, sind aber eine nicht zu unterschätzende Unterstützung für die Einsatzfähigkeit der gesamten Flotte.

Sie begleiten und sichern Minenjagd- und U-Boote während Ausbildungsfahrten, sie bergen Minen, werden als Plattform für Taucher, Offiziersschüler, für die Überlebensausbildung von Piloten und auch als Schlepper eingesetzt. Dieses vielfältige militärspezifische Portfolio ist der Grund, warum die Deutsche Marine mit Betreiberlösungen wenig anfangen kann, anders als bei klassischen Hafenschleppern.

Ohne die »Wangerooge«, der in der Ausbildung »Überleben auf See« (Open Sea Survival Training – OSST) für fliegendes Personal genutzt wurde, könnte es sogar zu einem Flugverbot über See kommen – nicht nur für Marine-, sondern auch für Luftwaffenpiloten. Denn Übungen, wie die Rettungsausrüstung nach einem Absturz beherrscht werden kann, könnten nicht mehr stattfinden.

Chartert die Marine zivile Schiffe als Ersatz?

Neue Schiffe als Ersatz sind kurzfristig nicht in Sicht. Das Nachfolgeprojekt SAMSe (Seebasierte Ausbildung Marine und Seeversuche See) soll unter Leitung der Wehrtechnischen Dienststelle 71 mit einer neu zu bauenden einheitlichen Schiffsklasse mehrere alte Mehrzweckeinheiten, darunter auch die Schlepper, ersetzen. Das Projekt befindet sich noch in der »Analysephase«. Vor Ende des Jahrzehnts ist ein Zulauf kaum zu erwarten.

Nun soll – ein Novum für die Marine – für fünf Jahre am zivilen Markt geeignete Tonnage besorgt werden. Demnach könnten zwei moderne Schlepper gekauft werden. Über Kosten und mögliche Optionen verlautete aus Kreisen der Marine bislang nichts konkretes. Gemunkelt wird an der Spree jedoch von einem Budget von 25 Mio. € für eine Übergangslösung. »Wir setzen auf eine zügige Verfügbarkeit«, zitierte die Wilhelmshavener Zeitung Fregattenkapitän Thorsten Geldmacher, den Kommandeur des Trossgeschwaders.

Schaut man in die einschlägigen Portale wie nauticexpo, stößt man auch schnell auf mögliche Angebote wie die X-Bow-Tugs von Ulstein. Solche Schiffe hält man in Marinekreisen auch ohne grauen Anstrich für denkbar, ist zu hören.


Unser Autor Holger Schlüter ist Chefredakteur des marineforum (https://marineforum.online/)