Michael Meyer, Stellvertretender Chefredakteur (© HANSA)
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Vieles ist anders in diesem Sommer. Mal wieder. Ukraine-Krieg, Energiekrise, Inflation – auch die Corona-Pandemie ist noch nicht überstanden, wie uns unter anderem die wiederholten Hafen-Lockdowns in China mit ihren schweren Folgen für die maritime Branche immer wieder zeigen. [ds_preview]

All das hält auch die Politik in Atem. So manchem erscheint da die parlamentarische Sommerpause des Bundestags etwas unpassend. Auch im Europaparlament geht in es diesen Wochen ruhiger als gewöhnlich zu.

Vor dem Urlaub hatten sich die Ab­geordneten in Berlin und Brüssel noch Zeit genommen, um einige – auch maritime – Weichen zu stellen.

Von der Novelle des deutschen Windenergie-auf-See-Gesetzes etwa will die Offshore-Branche profitieren. Mit dem ETS-Vorstoß soll die Schifffahrt in den europäischen Emissionshandel ein­bezogen werden, »FuelEU Maritime« soll die Nutzung von alternativen Kraftstoffen vorantreiben.

Gute Ansätze sind das allemal, das ist auch das Feedback aus der Industrie. Allerdings mangele es an der einen oder anderen Stelle an Klarheit oder Umfang.

So fordert der Offshore-Wind- Verband WAB Unterstützung des Bundes für mehr Hafenkapazitäten und den Spezialschiffbau. Von irgendwo müssen die Anlagen ja in den Windpark gebracht werden, irgendwo muss die Spezialtonnage gebaut werden. Andere Länder seien weiter, heißt es.

Die Häfen und Terminalbetreiber fordern eine Konkretisierung der Landstrom-Regulierung. Es gehe um einen »sinnvollen Einsatz« statt flächendeckender Zwänge und Gleichmacherei.

Und nicht zuletzt die Reeder: FuelEU Maritime und ETS sind mittlerweile nur noch bedingt für Schreckensmeldungen brauchbar. Die Ausnahmen, für die man in der Brüsseler Bürokratie offenbar Gehör gefunden hat, haben die Gemüter beruhigt. Es gibt allerdings noch Redebedarf. Die Reeder fordern, die Kraftstofflieferanten mit in die Verantwortung zu ziehen und die ETS-Einnahmen zweckgebunden zu betrachten, also zurück in die Schifffahrt zu geben und dort für Investitionen in die Energiewende einzusetzen.

Im Ergebnis ist man mancherorts gar nicht so glücklich darüber, dass die Parlamente pausieren, zu viel steht auf dem Spiel. Über das Thema »LNG« haben wir dabei noch gar nicht gesprochen.

Dachte man früher, dass die Politik im Sommer wenigstens keine neuen Stolpersteine legen könne, ist es heute etwas anders. Wer nicht tagt und beschließt, kann auch nicht für Klarheit und Planungssicherheit sorgen. Trotz allen Unwägbarkeiten und kurzfristigen Anpassungsbedarfen ist das aber genau das, was auf der Agenda der Wirtschaft ziemlich weit oben steht.

Die Abgeordneten haben also viel zu tun nach der Sommerpause. Es bleibt zu hoffen, dass dafür Zeit geblockt werden kann und nicht eine neue Ausnahmesituation aus welchem Bereich auch immer vorgezogen wird. »Es ist ein entscheidender Moment für die Dekarbonisierung der Schifffahrt und die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors« sagte unlängst der Generalsekretär des Verbands Europäischer Reeder, Sotiris Raptis. Dem ist nichts hinzuzufügen.