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Der Klimawandel ist längst eines der beherrschenden Themen unserer Zeit. Mit der Zunahme sogenannter Klimaklagen wächst für Unternehmen die Bedeutung der rechtlichen Aspekte – auch in der maritimen Branche[ds_preview]

Wie eine Vielzahl anderer Industrien und Sektoren steht auch die maritime Wirtschaft vor der Herausforderung, Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Der Transformationsprozess hat in vielen Bereichen bereits begonnen, etwa durch den Einsatz alternativer Kraftstoffsysteme und die Implementierung von Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz.

Die weitere Entwicklung wird durch unterschiedliche Faktoren bestimmt werden. Der »Energy Transition Outlook 2021« von DNV beispielsweise benennt insoweit neben gesetzgeberischen Maßnahmen auch die künftigen Erwartungen seitens Investoren, Ladungseignern und Verbrauchern.

Umfang und Geschwindigkeit des klimaschutzbezogenen Transformationsprozesses dürften aber noch durch einen weiteren Faktor beeinflusst werden: Climate Change Litigation – auch »Klimaklagen« genannt.

Darunter werden Gerichtsverfahren verstanden, die ein Handeln beziehungsweise Unterlassen im Zusammenhang mit dem Klimawandel zum Gegenstand haben. In den letzten Jahren gab es auch in Europa einige viel beachtete Gerichtsentscheidungen mit Bezug zum Klimawandel. Dazu zählt etwa der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem März 2021, mit dem das damalige deutsche Klimaschutzgesetz für teilweise verfassungswidrig erklärt wurde.

Viel Beachtung erfuhr auch ein Urteil des obersten niederländischen Gerichts im sogenannten »Urgenda«-Fall, mit dem der niederländische Staat zu einer Reduktion von Treibhausgasemissionen verpflichtet wurde. Vor dem Hintergrund dieser prominenten Gerichtsentscheidungen, die ein staatliches Handeln beziehungsweise Unterlassen zum Gegenstand hatten, haben Wirtschaftsunternehmen Klimaklagen oftmals als ein Phänomen wahrgenommen, dass »nur« die Politik und Gesetzgeber betraf.

Milieudefensie gegen Shell

Das änderte sich schlagartig am 26. Mai 2021: Das Bezirksgericht Den Haag verurteilte den Öl- und Erdgaskonzern Royal Dutch Shell dazu, den Ausstoß von CO2 (Scope 1, 2 und 3) bis 2030 um netto 45 % im Vergleich zu 2019 zu senken. Geklagt hatte unter anderem die niederländische Umweltschutzorganisation Milieudefensie. Dieses Urteil war ein Paukenschlag, der weit über die Grenzen der Niederlande hinaus hallte.

Das Bemerkenswerte an der Entscheidung des niederländischen Gerichts war, dass nicht über die Klimaschutzverpflichtung beziehungsweise Klimaschutzmaßnahmen eines Staates geurteilt wurde, sondern über die Frage nach dem Bestehen eines zivilrechtlichen Anspruchs von Umweltschutzorganisationen beziehungsweise Privatpersonen gegen ein Unternehmen auf Reduktion von dessen CO2-Emissionen. Das Bezirksgericht Den Haag bejahte einen solchen Anspruch auf der Grundlage des niederländischen Deliktsrechts. Shell legte dem Vernehmen nach umgehend Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ein.

Bis zu einer endgültigen Entscheidung des Rechtsstreits dürfte es daher noch einige Jahre dauern. Gleichwohl zeigte die Entscheidung des Bezirksgerichts Den Haag bereits Folgen: Auch in Deutschland laufen nun erste zivilrechtliche Klimaklagen, unter anderem gegen deutsche Autobauer. Es überrascht daher nicht, dass das Thema Klimaklagen bei Unternehmensjuristen weit oben auf der Agenda steht und auch der Ruf nach einem regelnden Eingreifen des Gesetzgebers lauter wird.

Klimaschutz durch die Gerichte?

In der juristischen Literatur werden zivil­rechtliche Klimaklagen vielfach mit dem Verweis darauf kritisiert, es sei nicht die Aufgabe der Gerichte, sondern die des Gesetzgebers, den klimabezogenen Transformationsprozess zu steuern und dabei einen angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen vorzunehmen.

In der Vergangenheit zeigte sich auch die deutsche Rechtsprechung bei der haftungsrechtlichen Behandlung von »Globalphänomenen«, etwa Waldschäden infolge der Luftverunreinigung, zurückhaltend. Gleichzeitig zeigt eine aktuelle Klimaklage gegen das Energieunternehmen RWE, dass auch deutsche Gerichte eine mögliche Haftung für Folgen des Klimawandels auf der Grundlage des deutschen Rechts sorgfältig prüfen und nicht unter Verweis auf die hohen rechtlichen Hürden für den Erfolg derartiger Klagen vorschnell abweisen:

In dem Verfahren macht der Peruaner Saúl Lliuya geltend, Treibhausgasemissionen von RWE seien mitursächlich für das Abschmelzen eines Andengletschers, was durch einen dadurch begründeten Wasseranstieg eines Gletschersees zu einer Flutgefahr für sein in Peru befindliches Grundstück führe. Nachdem die Klage erstinstanzlich abgewiesen wurde, entschied das Berufungsgericht, dass die Klage schlüssig und über die Behauptungen des Klägers daher Beweis zu erheben sei. Entsprechend steht dem Vernehmen nach im Anschluss an einen kürzlich durchgeführten Ortstermin in Peru als nächstes ein Sachverständigengutachten zu Behauptungen des Klägers an.

Der Ausgang jenes Verfahrens, wie auch derjenige der weiteren anhängigen Klimaklagen, wird zeigen, welchen Weg die deutschen Gerichte bei der zivilrechtlichen Behandlung des Klimawandels und seiner Folgen einschlagen werden. Dabei geht es letztlich auch um die Frage, ob die deutschen Gerichte zivilrechtliche Klimaklagen streng rechts-dogmatisch beurteilen werden oder ob sie, angesichts der besonderen Bedeutung des Klimawandels, gegebenenfalls bereit sein werden, rechtliches Neuland zu betreten.

Ausblick und weitere Entwicklung

Die Zahl der Klimaklagen dürfte künftig weiter zunehmen. Gleichzeitig ist damit zu rechnen, dass neben den bisher betroffenen Industriesektoren weitere emittierende Wirtschaftszweige ins Visier genommen werden. Das Ausmaß dieser Entwicklung wird zum einen stark beeinflusst werden durch den Erfolg beziehungsweise Misserfolg der bisher anhängigen Klimaklagen.

Die parallele Entwicklung in verschiedenen Ländern lässt zum anderen erwarten, dass die Rechtsunterschiede – etwa in den nationalen Zivilrechten der EU-Mitgliedsstaaten – und die daraus resultierende unterschiedliche gerichtliche Entscheidung von Klimaklagen an Bedeutung gewinnen werden. Für die maritime Wirtschaft, die regelmäßig Berührungspunkte zu verschiedenen Rechtsordnungen aufweist, dürfte dies besondere Herausforderungen begründen.

Autor: Martin P. Lögering Rechtsanwalt & Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht, Hamburg