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Während im Zuge der von Russland ausgelösten Energiekrise in Deutschland und Europa über LNG-Importe und den Bedarf für Terminals diskutiert wird, können Dutzende Gastanker ihre Ladung nicht abgeben.[ds_preview]

Allein vor den spanischen Küsten warten über 35 beladene LNG-Tanker darauf, ihre Ladung abgeben zu können, wie die Nachrichtenagentur reuters berichtet. Mit Verweis auf spanische Quellen heißt es, dass es durchaus ein Risiko gibt, dass die Schiffe unverrichteter Dinge wieder abziehen könnten.

Seitdem Russland die Gaslieferungen drosselt – nicht zuletzt als Reaktion auf die EU-Sanktionen im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine – sieht sich Europa mit einem Engpass bei der Energieversorgung konfrontiert. Eine Alternative ist bekanntermaßen der Import von LNG über den Seeweg zwecks Weiterverteilung durch Pipelines an Land. Doch in einigen Teilen des Kontinents mangelt es noch an entsprechender Infrastruktur und Terminals – so unter anderem auch in Deutschland.

»Außergewöhnliche Betriebssituation«

Aktuell warten mehr als 35 mit LNG beladene Schiffe vor Spanien und im Mittelmeer, wobei allein vor der Bucht von Cádiz mindestens acht Schiffe vor Anker liegen, wie Händler, Analysten und mit der Situation vertraute Quellen mitteilten, schreibt reuters. Spanien bietet in dieser Woche demnach nur sechs Slots an seinen Anlagen an. Das Land verfügt über insgesamt sechs Terminals.

In einer am späten Montagabend veröffentlichten Erklärung mit dem Titel »Erklärung einer außergewöhnlichen Betriebssituation« erklärte der spanische Gasnetzbetreiber Enagas, dass er aufgrund von Überkapazitäten an seinen Terminals möglicherweise LNG-Ladungen zurückweisen muss. Er fügte hinzu, dass die hohe Auslastung voraussichtlich mindestens bis zur ersten Novemberwoche anhalten werde.

Außerdem liegen LNG-Schiffe in der Nähe anderer europäischer Länder vor Anker, was bedeuten könnte, dass Dutzende weiterer Schiffe warten. »Der Bestand an schwimmenden Lagern in der LNG-Schifffahrt ist mit etwas mehr als 2,5 Millionen Tonnen, die in schwimmenden Lagern gebunden sind, so hoch wie nie zuvor«, wird Oystein Kalleklev, Geschäftsführer des Reeders FLEX LNG Management, zitiert.

Die Engpässe seien durch die geringere industrielle Nachfrage im Zuge der Verlangsamung der europäischen Wirtschaft und den unerwartet niedrigen Inlandsverbrauch in Spanien aufgrund des für die Jahreszeit ungewöhnlich warmen Wetters noch verschärft worden. Alex Froley, LNG-Analyst beim Datenanalyseunternehmen ICIS, sagte, ein weiterer Grund für die Engpässe liege darin, dass die Preise voraussichtlich steigen werden, wenn der Winter naht und die Heizungsnachfrage zunimmt, so dass einige Schiffe darauf warten, ihre Ladungen zu einem höheren Preis zu verkaufen, der die zusätzlichen Transportkosten ausgleichen kann, die durch das Liegenbleiben vor der Küste entstehen.

»Diese Strategie funktioniert zum Teil, weil einige Unternehmen aufgrund von Ausfällen wie der Schließung der US-Anlage Freeport über Flexibilität in ihrem Verschiffungsportfolio verfügen«, so Froley. Er bezog sich damit auf den zweitgrößten US-Exporteur von LNG, der im Juni nach einer Explosion und einem Brand den Betrieb einstellte. »Wenn mehr Ladungen produziert würden, könnten die Unternehmen ihre Schiffe nicht so lange warten lassen«, meint er.

Zuvor hatte China am Montag die LNG-Verkäufe an ausländische Käufer gestoppt, um die eigene Versorgung sicherzustellen.

Pipeline-Politik

Spanien verfügt über die größten Regasifizierungskapazitäten in der Europäischen Union, auf die 33% des gesamten LNG und 44% der LNG-Speicherkapazität entfallen. Für diese Woche ist ein Treffen der Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Deutschland, Spanien und Portugal angesetzt, um eine Einigung über die MidCat-Pipeline zu erzielen, die spanisches Gas – und in Zukunft auch Wasserstoff – nach Mitteleuropa transportieren könnte. MidCat würde eine dritte Gasverbindung zwischen Frankreich und Spanien schaffen, die nach Ansicht ihrer Hauptbefürworter, Madrid, Lissabon und neuerdings auch Berlin, Europa helfen würde, seine Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern.