Chinas Staatschef Xi Jinping lässt den massiven Ausbau der Marine der Volksrepublik vorantreiben (Archivbild © PLAN)
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Stürmische Zeiten sind es, in denen die »International Conference on Maritime Security and Defence« (MS&D) stattgefunden hat. Der Krieg in der Ukraine und Spannungen im Westpazifik bestimmen die aktuelle Sicherheitslage. Von Ole Henckel[ds_preview]

Die Rivalität zwischen »dem Westen« auf der einen und China und Russland auf der anderen Seite steigt immer weiter. Die beiden Brennpunkte, Ukraine und Westpazifik, beschleunigen diese Prozess, der sich seit langem anbahnt, ungemein. Diese Weltlage bestimmte weitestgehend die Vorträge auf der Konferenz zu maritimer Sicherheit und technologischen Entwicklungen im maritimen Rüstungssektor, die im Rahmen der SMM abgehalten wurde.

Abstract: Conflicts, war and military challenges in Eastern Europe and Asia

A war in Europe, tensions in the Western Pacific and, above all, an increasing confrontation between »the West« on the one side and China and Russia on the other: This current geopolitical and military situation was the defining theme of the »International Conference on Maritime Security and Defence« (MS&D) at trade fair and exhibition SMM in Hamburg. The first consequences are already noticeable. Fighting in the Black Sea, sanctions against Russia and high energy prices are causing a damper on shipping. It became clear that the maritime industry must also adapt to the new situation.

Der Angriffskrieg ist zurück in Europa. Eine allgegenwärtige und dennoch unbegreifliche Tatsache. General a.D. Egon Ramms brachte mit seiner Analyse Struktur in die Geschehnisse, die sich seit dem 24. Februar dieses Jahres in der Ukraine abspielen. Der ehemalige Heeresgeneral verdeutlichte nochmals, dass das internationale Recht auf der Seite der Ukraine steht. Zentral ist hier das Memorandum von Budapest aus dem Jahr 1994. In diesem Vertrag garantiert Russland der Ukraine ihre Unabhängigkeit, ihre Souveränität sowie ihre bestehenden Grenzen zu respektieren. Bereits 2014, mit der Annexion der Krim und dem Krieg im Donbas hat Russland diesen Vertrag und viele weitere völkerrechtliche Regeln gebrochen.

Sanktionen zeigen Wirkung

Spätestens mit Putins Rede vom 21. Februar wurde auch die Ideologie dahinter klar: Die Ukraine sei integraler Bestandteil Russlands und in keinerlei Hinsicht eigenständig, hatte der Kremlchef behauptet. Bezüglich der schweren Kämpfe in der Ukraine sprach der General a.D. von einem rücksichtslosen Vorgehen der russischen Kräfte gegen Zivilisten und zivile Infrastruktur. Neben der Kampfweise der russischen Streitkräfte ging Ramms auch auf die Wirkung der westlichen Sanktionen ein.

Als Beispiel nannte er die Aussetzung des Handels mit elektronischen Komponenten. Diese Sanktionen, die seit 2016 in Kraft sind, hätten dazu geführt, dass Russland kaum noch in der Lage sei, seinen modernsten Kampfpanzer, T14 Armata, zu produzieren, so der Ex-Offizier. Hinzu käme auch ein Mangel an verschlüsselten Kommunikationsmitteln innerhalb des russischen Militärs. Letzteres führe dazu, so der General a.D., dass russische Kommandeure vermehrt mit normalen Mobiltelefonen kommuni­zieren, dadurch geortet und als Konsequenz durch die Ukrainer bekämpft werden könnten.

Mit Blick auf den weiteren Verlauf des Krieges plädierte Ramms für die Lieferung weiterer schwerer Waffen durch den Westen, auch von Kampf- und Schützenpanzern, um die Rückeroberung von großen Gebieten zu ermöglichen. Zum Abschluss seines Vortrages sagte er: »Ob die Ukraine in der Lage sein wird, diesen Krieg zu gewinnen hängt von uns ab.«

»Das ist die größte maritime Aufrüstung seit dem Ende des zweiten Weltkrieges.«

Sarah Kirchberger

Dass der Krieg in der Ukraine auch Auswirken auf die Schifffahrt hat, ist hinlänglich bekannt. Blockierte ukrainische Häfen, Berichte über den Einsatz von Seeminen und der unmittelbare Waffeneinsatz vor der ukrainischen Küste führen zu großer Unsicherheit im Schwarzen Meer. Zudem haben die westlichen Sanktionen gegen Russland für einen Einbruch im Handel gesorgt, was sich auch auf den Linienverkehr in der Ostsee auswirkt. Darüber hinaus tun die steigenden Energiepreise ihr Übriges, um die Branche weiter unter Druck zu setzen.

Angespannte Lage im Westpazifik

Auf der anderen Seite des Globus, im Westpazifik, ist zwar noch kein Krieg ausgebrochen, dennoch ist die Lage angespannt. Dies verdeutlichte das im August durchgeführte Militärmanöver Chinas in der Taiwanstraße, auf das Taiwan wiederum mit eigenen Übungen reagierte.

Sahra Kirchberger, Expertin für die chinesische Marine, erklärte anhand der maritimen Strategie Chinas die Bedeutung Taiwans für die Volksrepublik. Betrachtet man die Seekarte, so stellt man fest, dass die chinesische Küste von einer Inselkette eingefasst ist. Diese beginnt bei der koreanischen Halbinsel, an die sich eine Reihe kleinerer japanischer Inseln anschließt und dann über Taiwan bis runter zu den Philippinen und Indonesien führt. Diese Inselkette sei stark überwacht, sodass die strategischen U-Boote der Chinesen, bewaffnet mit ballistischen Raketen, bisher nur im Südchinesischen Meer unbemerkt operieren könnten, so Kirchberger.

Dies limitiert zum einen die Reichweite der Raketen und grenzt zum anderen das mögliche Suchgebiet stark ein. Würde Taiwan jedoch ein Teil der Volksrepublik werden, so wie es die kommunistische Partei anstrebt, hätten die chinesischen U-Boote freien Zugang zu den Tiefen des pazifischen Ozeans, erklärte die Expertin die Sichtweise chinesischer Strategen.

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General a.D. Egon Ramms analysierte das bisherige Geschehen im Ukraine-Krieg (© HMC)

Das China deutliche Ambitionen hat, eine global operierende Marine zu unterhalten zeigt sich auch im Flottenbauprogramm des Landes. Allein zwischen den Jahren 2014 und April 2018 habe China, gemessen in Tonnen an Stahl, die eigene Flotte um die Gesamtgröße der Royal Navy vergrößert, so Kirchberger. Sie fügte hinzu: »Das ist die größte maritime Aufrüstung seit dem Ende des zweiten Weltkrieges.« Insgesamt habe China mit der Geschwindigkeit seines Flottenbaus die Erwartungen westlicher Analysten um das Doppelte übertroffen.

Dass die Volksrepublik in der Lage sein wird, diese umfangreiche Flotte auch mit Personal und Waffensystemen auszustatten, hält die Expertin für plausibel. Vielmehr hebt sie hervor, dass zukünftig die immensen Unterhaltskosten einer solchen Flotte zu einem Problem werden könnten. Betrachtet man nämlich die Kosten eines Marineschiffes über die gesamte Dienstzeit, so mache die Beschaffung lediglich 25 % aus. Der restliche Anteil setze sich aus den laufenden Kosten zusammen. Sollte es also zukünftig zu Einbrüchen in der chinesischen Wirtschaft kommen, dürfte es erkennbare Einschnitte im Flottenbauprogramm geben, so die Erwartung Kirchbergers.

Das eine solche Aufrüstung nicht ohne Reaktion bleibt liegt auf der Hand. So hat zum Beispiel Japan bereits seit einiger Zeit damit begonnen die eigene Marine ebenfalls aufzurüsten. Zudem arbeitet das Land, dass sich sowohl durch China als auch durch Nordkorea bedroht fühlt, verstärkt mit Partnern in der Region zusammen. Hinzu kommen die USA, die sich schon seit der Präsidentschaft von Obama verstärkt zum Indo-Pazifik hinwenden und China als ihre größte Herausforderung betrachten. Hierfür benötigen sie ungemein viele Ressourcen, weshalb sie auch von den Europäern erwarten, ihre Konflikte selbständig zu lösen. Dass es bis dahin noch ein sehr langer Weg ist, zeigt der Krieg in der Ukraine.

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China-Expertin Sarah Kirchberger, Head of Asia Pacific Strategy and Security, ISPK Kiel (© HMC)

Insgesamt ist eine starke Militarisierung im Westpazifik zu verzeichnen, mit der die Gefahr einer scharfen Auseinandersetzung im Seegebiet steigt. Bedenkt man, dass etwa 30 % des globalen maritimen Handels das Südchinesische Meer passieren, hätten Einschränkungen in diesem Seegebiet gravierende Auswirkungen auf die globale Wirtschaft. Entspannung in der Welt ist also nicht abzusehen. Im Gegenteil. Dieses Jahrzehnt und möglicherweise auch die Folgenden, werden geprägt sein von Aufrüstung und Konfrontation. Damit wird auch eine zunehmende Entflechtung der globalen Wirtschaft einhergehen. Abhängigkeiten verringern ist hier das Stichwort. Somit wird selbst ohne den Ausbruch eines heißen Konflikts die Schifffahrtsbranche die Auswirkungen der internationalen Spannungen spüren und damit umgehen müssen.