Maritimes Zentrum – kommt der Rotstift?

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Nautiker und Schiffstechniker werden an der Hochschule Flensburg interdisziplinär und praxisnah ausgebildet. Doch damit könnte bald Schluss sein, denn es fehlen dringend benötigte finanzielle Mittel.[ds_preview]

Maritime Kompetenz hatte schon immer eine hohe Bedeutung für das exportstarke Deutschland. Neben einer hohen Auslastung in der Handelsschifffahrt stehen wir aktuell vor zahlreichen weiteren Herausforderungen. Weder die Energiewende auf dem Meer noch ein saubererer, nachhaltiger Schiffsbetrieb und erst recht nicht die Sicherstellung maritimer, von Drittstaaten unabhängigerer, Versorgungsketten werden sich ohne Personal mit ausreichender Kompetenz erfolgreich gestalten lassen. Jüngste Zielsetzungen für eine gestärkte Marine und dem intensivierten Ausbau der Offshore-Windtechnik werden diese Situation eher noch verschärfen.

Maritim ausgerichtete Ingenieure und Ingenieurinnen, die sich auch mit aktuellen sowie zukünftigen schiffstechnischen und nautischen Technologien auskennen und mit diesen umgehen können, werden also dringend benötigt, um die Gegenwart und die Zukunft zu gestalten. Alternative Kraftstoffe, moderne Automatisierungsstandards, neue Antriebs- Abgasreinigungs- und Abwärmenutzungskonzepte, aber auch die Nutzung moderner Medien für Service und Fernüberwachung führen dazu, dass die ohnehin fachlich breit aufgestellten schiffstechnischen Studiengänge ein immer umfangreicheres Themenfeld abzudecken haben. Auch die nautische Ausbildung ist zunehmend durch den fortschreitenden Einzug von technischen und digitalen Technologien rund um die Navigation und den effizienten Schiffsbetrieb geprägt. Für eine praxisnahe Ausbildung in nautischen und schiffstechnischen Feldern sind zeitgemäße und komplexe Simulatoren, Labor- und Forschungsanlagen unabdingbar. Diese kosten jedoch nicht nur bei ihrer Beschaffung, sondern auch für Betrieb, Erhaltung und Modernisierung viel Geld im Vergleich zu den meisten anderen Studien- und Ausbildungsgängen.

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© HS Flensburg

An der Hochschule Flensburg wird bereits seit vielen Jahren eine sehr enge Zusammenarbeit mit Experten aus der Elektrotechnik, dem Maschinenbau, der Logistik und der Verfahrenstechnik in Lehre und Forschung praktiziert. Teure Anlagen werden außerdem gemeinsam mit der Fachschule für Seefahrt genutzt. Dies reduziert den Personalaufwand und erhöht gleichzeitig die Fachkompetenz in einzelnen Feldern. Auch steigert das Einbeziehen der Kollegen die Auslastung der teuren Anlagen, die für eine praxisnahe Ausbildung dicht am Stand der Technik wie auch für die Forschung und den Kompetenzgewinn der Dozenten unumgänglich sind.

Mittels öffentlich geförderter Kooperationsprojekte mit Industrieunternehmen, Partner-Hochschulen, Universitäten und Forschungsinstituten konnten immer wieder Beschaffungen und einzelne Modernisierungsschritte des umfangreichen Anlagenparks finanziert werden. Dies gelang primär durch überdurchschnittliches persönliches Engagement der Mitarbeiter am Maritimen Zentrum. Auch Auftragsforschung, Weiterbildung und andere Dienstleistungen gehören zu den Maßnahmen, mit denen die Hochschule einer chronischen Unterfinanzierung des maritimen Bereichs zu entgehen versucht. Technologietransfer, Kompetenzgewinn, Beteiligung der Studierenden an relevanten Entwicklungen, Ausbau des Netzwerkes und Finanzierung von Modernisierung und Instandhaltung der Anlagen gehen dabei Hand in Hand. Die Zusammenarbeit von Nautik, Schiffsbetriebstechnik und Schiffsmaschinenbau vor Ort, ergänzt um wertvolle Partner auch im Schiffbau ist ebenso einzigartig in der Bundesrepublik Deutschland wie das Spektrum an Anlagen, die hier für Forschung und Lehre noch zur Verfügung stehen.

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© HS Flensburg

Im Zuge einer verschärften finanziellen Situation der Hochschule droht dieses mühsam errichtete Konstrukt nun jedoch in sich zusammen zu fallen. Es fehlen die Mittel, das erfolgreiche Agieren des Maritimen Zentrums wirksam zu unterstützen und auslaufende Stellen erneut zu besetzen. Die kritische Anzahl an Personen ist in allen Ebenen bereits unterschritten, selbst mit dauerhafter Überlast des verbliebenen Personals in eigenen Bereichen nicht mehr auszugleichen. Die derzeitigen Überlegungen ziehen sogar die vollständige Einstellung des Bachelorstudiengangs Nautik in Betracht. Dieser Schritt hätte außerordentlich negative Folgen für den maritimen Standort Flensburg, denn gerade die vereinte Symbiose aus allen maritimen Disziplinen zeichnet die Hochschule aus und ist elementar für den Erfolg des Maritimen Zentrums.

Die Flensburger Hochschule, die sich aktuell in einem finanziellen Konsolidierungsprozess befindet, nimmt betriebswirtschaftlichen Grundsätzen folgend diejenigen Studiengänge in den Fokus, in denen für relativ wenige Studierende ein besonders hoher Aufwand erforderlich ist. Folgt man ausschließlich solch betriebswirtschaftlichen Regeln werden jedoch technisch-praxisnahe Studiengänge im Vergleich zu den meisten anderen keine Chance haben, unabhängig davon, dass deren Absolventen und Beitrag zur maritimen Wirtschaft dringend benötigt werden. Die Landespolitik hat in der Vergangenheit mit Hilfe einer Einmalzahlung versucht, den Erhalt der maritimen Kompetenz am gefährdeten Standort zu sichern. Wie hierdurch auch die unbefristeten Personalstellen direkt im maritimen Bereich und innerhalb der mitgenutzten Infrastruktur finanziert werden können, blieb jedoch leider offen. Eine relativ ungerichtete Unterstützung führt aufgrund der Hochschulautonomie zu Verteilungskämpfen innerhalb der Hochschule.

Die Überlast des Personals hat bereits dazu geführt, dass zahlreiche Aktivitäten komplett eingestellt oder zunächst einmal temporär auf Personen verlagert werden, die die notwendigen Aktivitäten außerhalb der Hochschule weiterzuführen versuchen. Hierdurch werden zunehmend auch Nachwuchswerbung und Einwerbung der dringend benötigten Drittmittel auf der Strecke bleiben.

Keinesfalls fehlt es dem maritimen Standort im hohen Norden an inhaltlicher Perspektive und Qualität. Sowohl im Bereich der Lehre als auch in Forschung und Technologietransfer ist das Maritime Zentrum der Hochschule Flensburg belegt durch gute Studierendenzahlen, Nachfrage nach Absolventen und Forschungsprojekten bis hin zu Auszeichnungen exzellent zukunftssicher aufgestellt.

Soll das hohe Potenzial des maritimen Ausbildungs- und Forschungsstandorts Flensburg nicht fahrlässig verspielt werden, wird es erforderlich sein, sehr schnell dauerhaft finanzielle Mittel zu generieren, die dem fortwährenden finanziellen Bedarf entsprechen. Sowohl eine Kofinanzierung durch Vertreter der maritimen Wirtschaft als auch das Herauslösen der maritim gewidmeten Finanzen aus dem Gesamthaushalt der Hochschule sind Aspekte, die dringend geklärt werden müssen. Laufende Gespräche hierzu müssen schnell zu einem Ergebnis kommen.