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Die jüngsten Russland-Sanktionen der Europäischen Union betreffen auch die Schifffahrt. Für die HANSA kommentieren Katharina Oechsle und Heiko Bloch von der Kanzlei Ahlers & Vogel die juristischen Auswirkungen der Sanktionen aus maritimer Sicht.[ds_preview]

Welche der Sanktionen betreffen die maritime Wirtschaft am meisten und in welcher Form?

Zu beachten sind sich mit hoher Frequenz verändernde verschiedene Sanktionslisten. Die EU-Sanktionsliste beruht auf der EU-Verordnung Nr. 269/2014. In der jeweils aktuellen Fassung der EU-Verordnung Nr. 833/2014 finden sich weitestgehend, aber nicht vollständig mit dem Vereinigten Königreich abgestimmte EU-Sanktionsregeln. Für die maritime Wirtschaft sind sie weitreichend, ihre Wirksamkeit hängt davon ab, ob ein Nexus zur EU besteht; die US-Sanktionen haben hingegen extraterritoriale Wirkung. Unabdingbar in der Praxis ist es daher, die Einhaltung aller Sanktionsregeln sicherzustellen. Damit verbindet sich mittlerweile ein hohes Maß an Komplexität, das überblicksartige Kommentare beinahe verbietet. Wesentliche Kernelemente können wir darstellen. Dazu ist das Einlaufverbot für russische Schiffe in europäische Häfen und Schleusen zu zählen, Beschränkungen von Waren- und Dienstleistungsverkehren, Einfuhrverbote und teilweise sogar weitgehendere Durchfuhrverbote von Waren sowie Ausfuhr- und Verbringungsverbote.

Da die Verbote jegliche – auch mittelbare – Finanzhilfen, Dienstleistungen, technische Hilfe und sonstige Unterstützungshandlungen umfassen, sind davon auch Transport-, Finanzierungs- und Managementtätigkeiten sowie Versicherungen berührt. Es gibt nur wenige Ausnahmetatbestände. In eng definierten Fällen gibt es die Möglichkeit, bestimmte Vorhaben vom BAFA genehmigen zu lassen. Für bestimmte Güter bestehen bedarfsorientierte Kontingentregelungen (z.B. Agrarsektor) und preisrelevante Übergangsregelungen, (z.B. Öllieferungen im Spotmarkt).

Die automatische Zollfreigabe für Güter aus Russland wurde ausgesetzt. Damit wird die einzelfallbezogene Überprüfung der Warenströme durch den Zoll sichergestellt.

Für den Schiffbau und die Hafenwirtschaft hat die Veränderung von Warenströmen offensichtliche Auswirkungen, der Handel mit Russland ist weitestgehend unterbrochen oder steht vor massiven, bedarfsorientierten Einschränkungen.

Was droht den Betroffenen im schlimmsten Fall?

Verstöße gegen die europäischen Sanktionsvorschriften können nach Maßgabe des des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) mit Geldstrafen oder Bußgeldern geahndet werden. Bei vorsätzlicher Tatbegehung droht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Die Sanktionskontrolle wird vom Zoll sehr gewissenhaft durchgeführt. Nach Maßgabe des ersten Sanktionsdurchsetzungsgesetzes stehen den Verfolgungsbehörden weitreichende Befugnisse zu, insbesondere Rechte auf Auskunft, Betretung, Sicherstellung/Verwahrung und Beschlagnahme.

Was ist angesichts der Sanktionspakete überhaupt noch möglich im Geschäft mit russischen Unternehmen/Akteuren?

Mit gelisteten Personen und Unternehmen dürfen keine Geschäfte mehr getätigt werden. Zudem haben die Sanktionen den Zweck, dass die russische Kriegswirtschaft geschwächt werden soll, indem ihr Schlüsseltechnologien vorenthalten werden und Geldzuflüsse unterbunden werden.

Ein wichtiger Stichtag für Öltransporte ist der 5. Dezember 2022, dann endet die derzeitige Regelung für Spotmarktgeschäfte zur Einfuhr in die EU. Dank der Dominanz europäischer Versicherer und Tankreedereien ist die Konzeption preisorientierter Einschränkungen der Lieferungen an Drittstaaten möglich.

Weiter einschränkende Maßnahmen der EU und streng bedarfsorientierte Anpassungen sind zu erwarten.

Was sind die größten »maritim-juristischen« Probleme oder Herausforderungen bei der Bearbeitung entsprechender Fälle?

Die Aufdeckung komplexer Gesellschaftsstrukturen kann für Compliance-Prüfungen aufwendig sein. Die hohe Frequenz der Veränderung von einzuhaltenden Vorschriften stellt eine erhebliche Herausforderung für Unternehmen dar. Schließlich kann es auch Schwierigkeiten bereiten, die Reichweite einer Sanktionsregelung im Einzelfall zu erfassen, weil es zu den ständig neuen Regelungen kaum Präzedenzfälle in der Rechtsprechung gibt. Auslegungshilfen und FAQ-Listen der EU und des BAFA sind hilfreich, liefern aber nicht immer eindeutige Antworten. Strafrechtliche Einordnungen von Verstößen werden die Komplexität und Frequenz der Regelungen ebenfalls berücksichtigen müssen. Auch hier wird insoweit Neuland betreten.

Wie sollten sich Unternehmen aus der maritimen Wirtschaft Ihrer Ansicht nach auf die Situation einstellen bzw. was sollten sie bei der Vorbereitung ihrer Geschäfte und nicht zuletzt bei laufenden Verträgen/Geschäftsbeziehungen beachten?

Bei umfassenderer Auswirkung der Sanktionen in Russland besteht vermehrt das Risiko von ausgeklügelten Umgehungsgeschäften. Im Zweifel ist es besser, einmal zu viel als zu wenig vor Durchführung eines bestimmten Geschäftes anwaltlichen Rat einzuholen oder beim BAFA anzufragen, ob das geplante Geschäft auch tatsächlich erlaubt ist.