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Segel als Antriebsunterstützung für Frachtschiffe werden immer attraktiver, wie eine wachsende Flotte von Schiffen mit Windantrieb zeigt. Systemhersteller sehen jetzt ein ernsthaftes Interesse an der Technologie bei allen Reedereien

Im Zuge der Dekarbonisierung werden Segel zur »echten Option für moderne Schiffe«, mein[ds_preview]t der Branchenverband International Windship Association (IWSA). Mit Stand von Ende September sind an Bord von 21 großen kommerziellen Schiffen Windantriebssysteme installiert, zeigen IWSA-Daten. Zusammen kommen die Schiffe auf über 1 Mio. tdw. Auf der Grundlage öffentlicher Ankündigungen und Werftaufträge schätzt die IWSA, dass es bis Ende 2023 bis zu fünfzig große Schiffe mit einer Gesamttonnage von über 3 Mio. tdw sein werden. Außerdem nutzen derzeit zehn kleine Kreuzfahrtschiffe mit insgesamt 50.000 GT Segeltechnologie, hinzu kommt eine wachsende Zahl kleinerer Schiffe (unter 400 GT).

Neben traditionellen Segeln aus Tuch sind die markanten Flettner-Rotoren eine Option, die vermehrt zum Einsatz kommt. Auch Starrsegel, die sich ein- und ausfahren lassen oder Tragflächensegel, haben mittlerweile Marktreife erlangt.

Anfang der 2000er wurden in Deutschland Zugdrachen für Schiffe untersucht. Das französische Unternehmen Airseas hat ein solches System unter dem Namen »Seawing« kommerzialisiert. Warum der Markt heute annimmt, was vor 20 Jahren teils belächelt wurde, erklärt Airseas-CEO Vincent Bernatets im Gespräch mit der HANSA: »Die Umstände sind heute ganz anders als zu Anfang der 2000er. Jetzt besteht ein hoher Druck zur Dekarbonisierung, hinzu kommen hohe Energiekosten.« Der Zugdrachen oder die Segeltechnologie im Allgemeinen biete eine Möglichkeit für Reedereien, »sofort etwas zu tun«.

Das Unternehmen wurde von ehemaligen Airbus-Ingenieuren gegründet. 2016 begann die Arbeit an dem automatisierten Zugdrachen. Jetzt ist das System im Einsatz und Bernatets berichtet von weiteren Aufträgen. In Japan installiert die Reederei K Line Airseas-Windantriebe auf Großbulkern. Zunächst hatte K Line 51 Systeme bestellt, davon 50 als Option, mittlerweile sind es fünf feste Aufträge für die Franzosen. Die ersten beiden sind für Capesize-Bulker bestimmt, drei weitere Seawings sollen auf Panamax-Bulkern installiert werden. »Unser Interesse ist es, das System auf allen möglichen Schiffstypen zu installieren. Aktuell testen wir es auf einem RoRo-Schiff, der in Airbus-Charter fahrenden ›Ville de Bordeaux‹. Dabei gibt es einige Ähnlichkeiten mit Containerschiffen – hier die Aufbauten am Bug, dort Containerstapel«, sagt Bernatets.

Seawing fliegt in 300 m Höhe über dem Schiff, wo die Windgeschwindigkeit 50 % höher ist und die Windbedingungen stabiler sind. Während der Gleitschirm in einer eine Acht beschreibenden Flugbahn im Wind hin und her schwenkt beschleunigt er noch. Im Gegensatz zu einem statischen Segel erhöht das nach Angaben von Bernatets die Zugkraft um das Zehnfache. »Das ist er Schlüssel des ganzen Konzepts«, sagt er. Sowohl bei RoRo-Tests als auch beim Einsatz auf Capesize-Bulkern beobachte man durchschnittliche Kraftstoffeinsparungen von 20 %.

Per Knopfdruck wird der Seawing entfaltet und steigt auf, Einsatz und Steuerung erfolgen völlig automatisiert, inklusive Weather Routing. Der Drachen und seine Komponenten bestehen aus erprobten Materialien. Der Service von Airseas beinhaltet die Zustandsüberwachung und den Austausch des Segels. »Wir sehen, dass der Windantriebsmarkt jetzt stark an Fahrt gewinnt. Alle Reedereien beschäftigen sich heute ernsthaft mit dem Thema. Zusammen mit Luftschmierung sind Wandantriebe heute vielleicht die besten Technologien auf dem Markt für mehr Energieeffizienz«, sagt Bernatets.

Auf den Spuren Cousteaus

In Spanien gründeten Luftfahrtingenieure 2014 bound4blue. »Im Gegensatz zu dem, was viele Leute denken, hat der Windantrieb mehr mit Flugzeugen als mit Schiffen zu tun«, sagt COO und Mitgründerin Cristina Aleixendri. Bound4blue hat ein sogenanntes Suction Sail auf den Markt gebracht. Die Technologie wurde in den 1980ern von Jacques Cousteau zusammen mit Lucien Malavard und Bertrand Charrier, die heute beide zum Team von bound4blue gehören, erfunden. Man suchte nach einer Hybridlösung zwischen starren Tragflächen- und Rotorsegeln. Das Suction Sail soll Vorzüge beider Technologien bieten, aber deren Nachteile vermeiden.

Das Segel weist ein Tragflächenprofil auf und saugt über eine Turbine im Innern über Öffnungen den Luftstrom in der Grenzschicht an. Nach Angaben von Aleixendri bietet das »eSail« das beste Verhältnis von Auftrieb zu Luftwiderstand und von Auftrieb zu Leistung. Man müsse bei solche einem Segel sowohl den Auftriebs- als auch den Widerstandsbeiwert betrachten. »Es geht nicht nur darum, eine hohe Vortriebskraft zu erzeugen, sondern auch darum, keine große Seitenkraft zu erzeugen«, erklärt sie. »Die Widerstandskomponente ist diejenige, die in hohem Maße zu dieser Seitenkraft beiträgt, deshalb begrenzen einige Geräte ihren maximalen Auftriebskoeffizienten.« Bei Technologien, die selbst Energie benötigen, müsse auch das Verhältnis von Auftrieb zu Leistung beachtet werden. »Wenn man einen hohen Auftrieb erzeugt, dafür aber große Mengen an Energie benötigt, ist die Nettoleistung gleich Null«, so Aleixendri.

Auch bound4blue setzt im Betrieb der Segel auf Automatisierung, per Knopfdruck wird das System gestartet. Auf der Grundlage von Sensordaten kontrolliert das Steuerungssystem die drei wichtigsten Trimmvorgänge – Rumpfdrehung, Klappenstellung und das Ansaugen. Bound4blue verspricht 20 % Kraftstoffeinsparungen bei günstigen Windbedingungen. Mit dem integrierten Weather Routing sollen zusätzliche Einsparungen von 3–6 % möglich sein.

Heute sind zwei Suction Sails auf einem Fischereischiff und einem Stückgutfrachter installiert, mehr als zehn Einheiten werden derzeit für einen Stückgutfrachter von Amasus Shipping, ein RoRo-Schiff von Louis Dreyfus Armateurs und einen Panamax-Bulker von Marubeni hergestellt. fs

 

Abstract: Sails – a real option for modern vessels

Sails are becoming increasingly attractive as auxiliary propulsion system for commercial vessels. As decarbonisation regulations tighten, all shipowners seriously consider the technology as a way to improve energy efficiency. HANSA spoke with represenatives of the companies Airseas and bound4blue about their very different approaches to wind propulsion – one using a kite solutions, the other a suction sail.