»Pulaski« gehörte in der Anfangszeit zur Chipolbrok-Flotte © Chipolbrok

In sieben Jahrzehnten ist viel passiert in der Mehrzweckschifffahrt. Viele Akteure kamen, viele gingen. Die Reederei Chipolbrok, als staatliches chinesisch-polnisches Joint Venture, hat sich dabei immer aus den Konsolidierungswellen herausgehalten. Von Michael Meyer

Aktuell betreibt die Reederei 14 eigene Schiffe plus sechs g[ds_preview]echarterte Frachter und ist damit kein unbedeutender Player in der MPP-Branche. Zu vier 31.600-Tonnern des Pacific-Typs kommen zehn 30.400-Tonner des Orkan-Typs. Vier der Charterschiffe sind vom größeren Warnow-Typ. Der Hamburger Makler Toepfer Transport führt Chipolbrok zuletzt auf Rang 5 im Weltmarkt für Tonnage mit mindestens 100 t kombinierter Krankapazität. Die gleiche Platzierung nimmt die chinesisch-polnische Kooperation im Markt für mindestens 240 t Krankapazität ein. 6,75 % Marktanteil vereint Chipolbrok in der Flotte.

Im Laufe der Jahrzehnte hat sich die Reederei als fester Bestandteil in der MPP-Branche etabliert. Mehr noch, ist Chipolbrok doch einer der am längsten aktiven Akteure im Markt – länger auf jeden Fall als einige Andere, die mit hochtrabenden Plänen den Markt aufrollen wollten, zum Teil aber schon gar nicht mehr da sind.

Politischer Hintergrund

Ein Grund für die Konstanz ist sicherlich das besondere Setup. Im Juni steht nun das 70-jährige Jubiläum an. Die Feierlichkeiten fallen aufgrund der Corona-Pandemie sicher anders als ursprünglich geplant aus. Man wird sich aber dennoch an die Anfänge erinnern. Ein Blick zurück …

In den frühen 1950er Jahren hatte die noch junge Volksrepublik China mit großen Herausforderungen zu kämpfen – nicht zuletzt durch den 2. Weltkrieg und den Koreakrieg. Ein Embargo der Vereinten Nationen beeinträchtigte die Entwicklung. Die Regierung sah sich gezwungen, nach Verbündeten zu suchen – vor allem solche mit Expertise in der maritimen Wirtschaft. Im kommunistischen Einflussbereich der damaligen Sowjetherrschaft stieß man auf die ebenfalls erst wenige Jahre junge Volksrepublik Polen.

Chinas Premierminister Zhou Enlai schaffte es, 80 Mio. Rubel einzusammeln – Chipolbrok sollte damit zum ersten Unternehmen Chinas werden, dass mit ausländischem Kapital gegründet wurde.

Angesichts der staatlichen und wirtschaftlichen Strukturen setzten sich, wenig überraschend, die Regierungen beider Länder an die Spitze des Projekts, mit Anteilen von jeweils 50 % und heute vertreten durch Staatssekretäre. Der Kooperationsvertrag wurde schließlich am 15. Juni 1951 unterzeichnet. Gemäß der Vereinbarung wurde die Unternehmenszentrale in Tianjin und eine Niederlassung in Gdynia in Polen eingerichtet.

»Broker« als falsche Fährte

Schon die Konstruktion des Unternehmens war besonders, den politischen Rahmenbedingungen geschuldet. Denn die Aktivität unterlag natürlich den UN-Beschränkungen. Um die Aufmerksamkeit abzulenken wurde beschlossen, eine unverfängliche Firmierung zu wählen, nicht als Reederei, sondern als Makler (Broker). Daraus entstand der Name Chinese-Polish Ship Broker Company, was später nicht zuletzt durch die damalige Telegramm-Adresse zur Marke »Chipolbrok« wurde. Es galt die Vereinbarung, dass alle Leitungsfunktionen im Landbetrieb mit chinesischen und polnischen Führungskräften besetzt sein sollten. Bis heute sind offiziellen Angaben zufolge alle Managementposi­tionen und die darüber liegenden Hierarchie-Ebenen paritätisch besetzt.

Während dieses Joint Venture zum ersten chinesischen Schiffseigner wurde, stammte die erforderliche Tonnage mit der »Pulaski« aus Polen. Weitere Einheiten folgten. Von chinesischer Seite wurden drei Schiffe eingebracht. Nach einem halben Jahr bestand die Flotte bereits aus zehn Frachtern.

Im politischen Spannungsfeld

Grundlage für die Beschäftigung der Schiffe war zunächst der bilaterale Güteraustausch zwischen Polen und China. Später folgten Warenströme aus ganz Europa, vor allem aber aus östlichen Ländern via Gdynia. Die damalige politische Situation und die Blockade in Fernost erzwang auf dem Weg nach China eine Route über einen pazifischen Umweg. Das verlief nicht reibungslos.

1953 wurden zwei Schiffe von der taiwanesischen Küstenwache beschlagnahmt und die Besatzung festgenommen. Eines davon war die 1921 gebaute »Praac«, ein Frachter mit 9.012 tdw, der in den Fokus des Chiang-Kai-shek-Regimes geraten war. Es folgten Jahre der Weiterentwicklung. 1962 zog Chipolbrok von Tianjin in die Handelsmetropole Shanghai. Auch in der Flotte tat sich einiges. So wurden ältere Schiffe durch Neubauten von polnischen Werften ersetzt. Einer Tradition folgend taufte die polnische Seite alle Schiffe auf die Namen polnischer Dichter, Schriftsteller und Komponisten, während in China Namen von Städten, des Universums oder der Ozeane bevorzugt wurden. Wann immer in späteren Zeiten Neubauten in Betrieb genommen wurden, wiederholten sich die meisten Namensgebungen früher oder später. Nur mit Ausnahme der von einem Unglück heimgesuchten »Konopnicka« wird das bis heute so fortgesetzt.

Flottenmodernisierung

Nach einer Serie damals üblicher konventioneller Schiffe erfolgte ein scharfer Schnitt, als Ende der 1980er Jahre die Entscheidung getroffen wurde, die Aktivität auf den westeuropäischen Markt auszuweiten. Bis dahin Zeit liefen Chipolbrok-Frachter nur gelegentlich Häfen wie Antwerpen, Rotterdam oder Hamburg an. Das sollte sich ändern, vor allem im Zusammenhang mit dem Industrieprojekt Baoshan. Zusammen mit dem staatlichen chinesischen Spediteur Sinotrans wurde Chipolbrok »priorisierter Carrier«.

Zu jener Zeit musste sich das Joint Venture in einem harten Wettbewerb beweisen, zumal die Flotte nur begrenzte Möglichkeiten eröffnete. Gleichzeitig nahm der Grad der Containerisierung stark zu, die chinesische Wirtschaft entwickelte sich in enormem Tempo. Um die Kapazitäten zu erweitern, wurden Mitte der 1980er Jahre vier größere, gebrauchte Schiffe japanischen Ursprungs gekauft. Sie erbrachten ihre Dienste bis 2008.

Mehr Heavylift

Schließlich wurde eine erneute Flottenmodernisierung nötig. Man beschloss, anspruchsvollere Schiffe einzusetzen: Zwar für die Beförderung von Containern konzipiert, jedoch mit dem Hauptfokus auf Stück-, Schwer- und Schüttgut. Weil die Frachter der K-Klasse nicht mehr auf dem Stand der Technik waren, musste ein neuer Schiffstyp her.

Die entscheidende Designstudie kam von der damaligen Werft 3. Maj im damaligen Jugoslawien, heute auf kroatischem Boden. Der sogenannte »Rijeka-Typ« war geboren: Insgesamt sieben bekrante Dreidecker mit breiten und langen Luken sowie einer Tragfähigkeit von rund 22.000 t. Vier dieser Schiffe wurden von 1991 bis 1993 in Dienst gestellt. Drei weitere sollten zeitnah folgen, aufgrund des jugoslawischen Bürgerkriegs kamen sie jedoch erst in den Jahren 1997/1998 in Fahrt, dafür zumindest mit einigen technischen Optimierungen.

Die Befrachter konnten mit der Tonnage nun auch andere Projekte ins Visier nehmen. Ein wichtiger Meilenstein war der Auftrag für den Transport von Waggons für das Metro-Projekt in Shanghai im Jahr 1992: Er markierte den Startschuss für sehr regelmäßige Abfahrten in einem Quasi-Liniendienst von Hamburg. Im Herbst 1993 verdichtete sich die Frequenz von einer auf drei Abfahrten pro Monat. In der Elbmetropole und Deutschlands größtem Seehafen, etwa beim Terminal C. Steinweg, sind die Chipolbrok-Frachter bis heute kaum wegzudenken.

Gleichzeitig kam es zu einem Umbruch. Als Carrier ohne Zugehörigkeit zu einer Allianz oder einem Pool, wurde es zunehmend schwierig, Containerver­schiffungen rentabel zu gestalten. Also wurde der Entschluss gefasst, den kompletten Bestand zu verkaufen. Das Hauptaugenmerk lenkte man nun auf jede Art von Projektladung, Stück- und Schwer- sowie Massengut.

Kurs USA

Schritt für Schritt wurde die ältere Tonnage der sogenannten kleineren »Komponisten-Klasse« aus dem Fahrplan gestrichen. Abermals musste neue Tonnage her, die Frage war »woher?«. Die europäische Werftindustrie baute überwiegend Containerschiffe, Mehrzweckschiffe galten nicht unbedingt als zukunftsträchtig. Fündig wurde Chipolbrok schließlich bei der Shanghai Shipyard.

Dort war ein Design eines überarbeiteten Containerschiffs angeboten worden, speziell für die Beförderung hoher und schwerer Ladung konzipiert, mit deutlich größeren Abmessungen, mehr Tragfähigkeit und mehr Schiffsraum, ein Novum für die Flotte. Vor allem die Krankapazität war ein Unterscheidungsmerkmal, bei Chipolbrok galt das Design als »Quantensprung«, auf dessen Grundlage schließlich zehn Schiffe bestellt wurden.

Die ersten Neubauten dieses heute als »Orkan-Typ« bekannten Konzepts wurden 2003/2004 abgeliefert. Nach einer erfolgreichen »Bewährungszeit« folgten zwischen 2009 und 2011 sechs weitere Einheiten. Die Flotte wuchs somit auf 18 eigene Schiffe, in Spitzenzeiten fuhren sogar 21 eigene Mehrzweckfrachter unter der Flagge von Chipolbrok. In der Zwischenzeit war der guten Entwicklung im US-Verkehr mit der Eröffnung einer eigenen Niederlassung in Houston Rechnung getragen worden. An anderen Standorten wurden Joint Ventures geschlossen.

Ein Hauptaugenmerk galt allerdings weiterhin der Tonnage. So wurde beschlossen, die Schiffe vom »Rijeka-Typ« ab 2008 in China mit leistungsstärkeren Kranen nachzurüsten. Bis zu diesem Zeitpunkt reichten 50-t-Bordkrane aus, um Container und einen großen Teil der Stückgüter selbst umzuschlagen. Nun aber stellte der Markt andere Anforderungen. Es wurden schließlich Millionen investiert, um alle sieben Frachter der Serie mit Kranen auszurüsten, die eine Hebefähigkeit von bis zu 300 t haben.

Einige Zeit später, wir schreiben mittlerweile das Jahr 2015, folgte ein weiterer großer Schritt. Mehrzweckschiffe des sogenannten »Pacific«-Typs wurden initiiert: Mit einer Bekranung von bis zu 700 t, Luken mit einer Länge von bis zu 50,56 m, einem Fassungsvermögen von fast 40.000 m³ und einer Ladekapazität von 31.600 t übertreffen diese Schiffe alle ihre Vorgänger.

Bulk-Aktivitäten im Fokus

Die Tonnage wird mittlerweile nicht mehr nur in der Projekt- sondern auch in der Bulk-Schifffahrt eingesetzt. Angesichts der schwierigen Marktbeding­ungen war das in den vergangenen Jahren keine seltene Buchung in den weltweiten MPP-Kontoren. Bei Chipolbrok hat man das Segment sogar eigens als wichtiges Geschäft aufgebaut, »im Hinblick auf die sich verändernde Marktstruktur, was zu einer Optimierung der Schiffseinsätze und Erträge führt«.

Nichtsdestotrotz stehen weitere Modernisierungen für die Flotte an. Die »Rijeka«-Frachter wurden mittlerweile abgegeben, auch die ersten »Orkan«-Typen nähern sich der Altersgrenze von 20 Jahren. So gibt es seit längerer Zeit Pläne für eine Verjüngung der Flotte. Vier 64.000-Tonner sollen in China gebaut werden, bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe konnte sich die Reederei allerdings noch nicht zu einer offiziellen Bestätigung durchringen. Auch der Kauf »solider gebrauchter MPP-Tonnage« könne einen Beitrag leisten, »der Flotte neue Impulse zu verleihen und sie zu modernisieren«, heißt es aus der Reederei. In jedem Fall wären Ersatzschiffe für die langjährigen Arbeitspferde zu finden.

Deutsche Zugänge

Zur Flotte gestoßen waren zuletzt etwa die 33.000-Tonner »Chipol Yongan« und »Chipol Changan« aus der Flotte der ehemaligen deutschen Reederei Hermann Buss. Für Chipolbrok fahren sie als Charterschiffe, der Kauf basierte auf einem Sale- und Lease-Back-Vertrag, kontrolliert von der Zentrale in Shanghai.

Die Ausweitung der Schifffahrtsdienste und ihre Diversifizierung werden als »Bestandteil der Basispolitik bei der künftigen Entwicklung« bezeichnet. Der Schwerpunkt soll auf der Haupthandelsroute von China und Fernost nach Europa sowie separat nach Amerika bleiben, beides unter der Regie des Büros in Shanghai. Der Service von Europa zum Mittleren Osten, nach Indien, Südostasien, China und Fernost wird dagegen von Gdynia aus verantwortet. So sollen die heutige Organisation und Zuständigkeiten unverändert bleiben. Anlässlich des Jubiläums zeigen sich die Verantwortlichen zufrieden: Die Zusammenarbeit habe sich »mehr als bewährt«.