Emissionen, Abgas, Schiffsemissionen, Klimaziele, ICS
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Europas Seehäfen fürchten Ladungsverluste durch das EU-Emissionshandelssystem (EU ETS), in dessen Rahmen auch Bald die Schifffahrt für CO2-Emissionen zahlen muss. Eine Gegenmaßnahme der EU halten sie für zu schwach.

Für Fahrten in EU-Gewässern zwischen EU-Häfen oder aus Drittländern zu Häfen im Unionsgebiet müssen Schiffsbetreiber bald Emissionszertifikate kaufen. Die Hafenwirtschaft fürchtet, dass Reedereien dann einfach auf nahe- aber außerhalb der EU gelegene Häfen ausweichen könnten. Damit würden sich auch Emissionen verlagern und damit das eigentliche Ziel der Reduktion des CO2-Ausstoßes konterkariert. [ds_preview]

Die EU sieht die Gefahr ebenfalls und versucht gegenzusteuern. Im Rahmen des Umsetzungsprozesses der EU-Richtlinie über das Emissionshandelssystem (EU ETS) für den Seeverkehr hat die Europäische Kommission daher eine eine öffentliche Konsultation über die Liste der benachbarten Häfen außerhalb der EU durchgeführt, die unter die sogenannten »Transshipment-Klausel« fallen könnten. Diese wurde in die Richtlinie aufgenommen, um die Risiken der Verlagerung von CO2-Emissionen und der Verlagerung von Unternehmen zu begrenzen, sobald das EU ETS für den Seeverkehr in Kraft tritt.

In ihrer Antwort auf die Konsultation bekräftigt die European Sea Ports Organisation (ESPO) ihre Unterstützung für ein Emissionshandelssystem als Instrument zur ökologischen Wende im Schifffahrtssektor. Der Verband äußert jedoch »ernste Besorgnis über erste Anzeichen einer Verlagerung von CO2-Emissionen und Geschäftsaktivitäten aufgrund des begrenzten Anwendungsbereichs der derzeitigen Rechtsvorschriften.«

EU soll Ausbaupläne in Drittländern beachten

Nach Ansicht der ESPO stellt der Grundsatz, dass das Anlaufen einiger an die EU angrenzender Umschlaghäfen bei der Zählung der ETS-Gebühren nicht als »Anlaufhafen« berücksichtigt wird, nur eine Teillösung des Problems dar. »ESPO ist mit der Einstufung von Tanger Med und East Port Said als wichtige benachbarte Umschlaghäfen einverstanden. Dies wird jedoch nicht ausreichen, um sicherzustellen, dass eine Umgehung nicht stattfinden kann. Zwar erreichen nur wenige benachbarte Häfen die in den Rechtsvorschriften vorgesehenen sehr hohen Schwellenwerte für das Umschlagvolumen (65 %), doch haben viele Häfen und Terminals in ganz Europa Umschlagskapazitäten und/oder bauen diese aus. Die Kommission sollte sich daher nicht nur mit den aktuellen Mengen befassen, sondern auch die Umschlagskapazität in den verschiedenen Nachbarhäfen der EU berücksichtigen«, so der Verband.

Außerdem sei es nach den derzeitigen Rechtsvorschriften selbst dann, wenn das Anlaufen eines Nicht-EU-Umschlaghafens der Sonderregelung unterliege, für Schiffe günstiger, einen Nicht-EU-Hafen anzulaufen als einen EU-Umschlaghafen. Wenn Schiffe einen EU-Umschlaghafen anlaufen, werden für die letzte Strecke zwischen dem Umschlaghafen und einem anderen EU-Hafen für 100 % der Strecke ETS-Gebühren erhoben. Wenn die Schiffe dagegen einen Nicht-EU-Umschlaghafen anlaufen, werden nur 50 % der Strecke angerechnet.

»Wir sehen einen echten Anstieg der Investitionen in zusätzliche TEU-Kapazitäten in Häfen und neue Terminals in Nachbarländern, einschließlich der Investitionen, die von großen Reedereien in diesen Häfen getätigt werden, und wir hören auch von ersten Verlagerungen von Transporten außerhalb Europas. Dies unterstreicht den Eindruck, dass sich die Reedereien gegebenenfalls auf den Ausstieg aus dem EU-Emissionshandelssystem für den Seeverkehr vorbereiten. Wir erkennen die Bedeutung der EU-ETS-Richtlinie an und unterstützen ihr Ziel, aber wir bedauern weiterhin, dass dieser Rechtsrahmen EU-Häfen gegenüber Nicht-EU-Häfen benachteiligt, ohne den erwarteten Nutzen in Bezug auf die Emissionsreduzierung«, betont Zeno D’Agostino, Vorsitzender der ESPO.

»Änderung von Handelsrouten lässt sich schwer rückgängig machen«

Die Europäische Kommission müsse sicherstellen, dass die Umsetzung des Systems die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Häfen gewährleistet und die Verlagerung von Emissionen und Geschäftstätigkeiten in Nachbarhäfen der EU verhindert. Die Kommission solle die Situation bereits jetzt, noch vor Inkrafttreten des EU ETS überwachen, da Umleitungen und Ausweichbewegungen bereits in Vorbereitung seien oder stattfänden, so der Hafenverband. »Außerdem sollte die Überwachung kontinuierlich erfolgen, nicht nur mit einem Bericht alle zwei Jahre«, heißt es.

»Man muss sich darüber im Klaren sein, dass es sehr schwierig sein wird, die negativen Entwicklungen rückgängig zu machen, wenn die Gebührenvermeidung erst einmal etabliert ist und sich die Handelsrouten geändert haben«, sagt Isabelle Ryckbost, ESPO-Generalsekretärin.

»Schwierig, Zusammenhang zwischen EU ETS und Umleitungen festzustellen«

Der Verband gibt zwar zu, dass es schwierig ist, einen direkten Kausalzusammenhang zwischen bestimmten Umleitungen und der Entwicklung von Terminals außerhalb der EU nachzuweisen. Doch  das Ausmaß und die Intensität der jüngsten Entwicklungen in Nicht-EU-Häfen verstärken die Besorgnis vieler europäischer Häfen über die möglichen negativen Auswirkungen des EU-Emissionshandelssystems ohne den erwarteten Nutzen für die Umwelt. »Neben dem Verlust von Umschlagskapazitäten und den damit verbundenen Arbeitsplätzen läuft Europa Gefahr, die Aufsicht und Kontrolle über die gesamte Lieferkette zu verlieren«, so die Mahnung der ESPO.

Am 18. April 2023 hat das Europäische Parlament die endgültige Einigung zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat über das überarbeitete Regelwerk zum EU ETS angenommen. Mit der Regelung muss die Schifffahrt im Hoheitsgebiet der EU ab 2024 für ihre CO2-Emissionen zahlen. Der Handel mit CO2-Zertfikaten wird schrittweise hochgefahren, er betrifft zunächst 40% der gemeldeten Emissionen für 2024, ab 2026 wird der Schadstoffausstoß dann zu 100% erfasst. Für Fahrten von und zu EU-Häfen sind es 50%.