In der Schifffahrtsbranche herrscht Verunsicherung, wenn es um den Seetransport von E-Autos und das Brandrisiko auf RoRo-Schiffen geht. Jetzt gibt es Richtlinien für den sicheren Transport solcher Ladung.
Brennt ein RoRo-Frachter und waren E-Autos an Bord, so steht auch schnell die Behauptung im Raum, diese seien ursächlich für das Feuer gewesen. Als Reaktion darauf hat die International Union of Marine Insurance (IUMI) diese Behauptungen untersucht und Empfehlungen zur sicheren Beförderung von Elektrofahrzeugen (EVs) veröffentlicht. [ds_preview]
Als vor kurzem der Autofrachter »Fremantle Highway« in der Nordsee in Brand geriet, waren auch schnell die E-Autos an Bord unter Verdacht, die einen kleinen Teil der Ladung ausmachen. Beim Entladen des Schiffs zeigten sich diese dann aber unbeschädigt. Die IUMI hatte anschließend bereits erklärt, es gebe aus ihrer Sicht kein erhöhtes Brandrisiko durch den Seetransport von E-Autos. Lars Lange, Generalsekretär der IUMI, erklärt: »Unser Papier stützt sich auf eine Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen, die zeigen, dass Brände in batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen nicht gefährlicher sind als Brände in konventionellen Fahrzeugen und auch nicht häufiger auftreten. Obwohl die Statistiken noch nicht abgeschlossen sind, gehen sie derzeit davon aus, dass es im Allgemeinen weniger Brände in E-Fahrzeugen im Vergleich zu Bränden in konventionellen Fahrzeugen gibt, wenn sie über die gleiche Strecke gefahren werden.«
Die Forschung beweist auch, dass es nur einen geringen Unterschied zwischen der Gesamtenergie, die bei einem EV-Brand freigesetzt wird, und der eines Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor (ICEV) gibt. Einmal festgestellt, werden Fahrzeugbrände größtenteils (ca. 80 %) durch die Karosserie und die Innenteile und nicht durch das Antriebssystem ausgelöst. Allerdings besteht bei Elektrofahrzeugen die Gefahr des thermischen Durchgehens (wenn die Batterie eine instabile chemische Reaktion eingeht), während dies bei Verbrennungsfahrzeugen nicht in Betracht gezogen wird. Ein thermisches Durchgehen erschwert das Löschen von Bränden, so dass Maßnahmen zur Brandbekämpfung, wie beispielsweise eine Kühlung angrenzender Bereiche, schnell ergriffen werden müssen. Außerdem ist das Risiko einer erneuten Entzündung über einen längeren Zeitraum hinweg höher.
Unterschiede zwischen Seetransport von E-Autos auf RoRo-, RoPax-Schiffen und PCTCs
In dem nun veröffentlichten Papier macht die IUMI wichtige Unterscheidungen zwischen Roros und reinen Auto- und Lkw-Frachtern (PCTCs) und weist darauf hin, dass viele RoRo-Schiffe Autos auf offenen Decks stauen, wo der Luftstrom die Brandbekämpfung erschwert. RoPax-Schiffe (auf denen auch Fahrgäste befördert werden) werfen zusätzliche Probleme auf, zum Beispiel wenn Fahrgäste an Bord ihre Wagen aufladen wollen oder wenn ältere und möglicherweise weniger sichere Fahrzeuge geladen werden. Umgekehrt werden an Bord von PCTCs Fahrzeuge dicht gedrängt befördert, so dass nur wenig Platz für einen Notzugang bleibt und die schnelle Ausbreitung eines Feuers begünstigt wird.
Vor diesem Hintergrund zieht die IUMI den Schluss, dass eine frühzeitige Branderkennung und Verifizierung/Bestätigung von entscheidender Bedeutung ist, um die Zeit zwischen Entdeckung und Feuerwehreinsatz auf ein Minimum zu reduzieren. Zusätzlich zu den herkömmlichen Systemen könnten Wärmebildkameras und KI-gestützte Systeme eingesetzt werden. Drencher-Systeme sind nach EInschätzung der Versicherer für die Brandbekämpfung an Bord von RoRo- und Ropax-Schiffen sowohl für EV- als auch für ICEV-Brände wirksam und sollten neben Videoüberwachungssystemen installiert werden.
Auch CO2-Löschsysteme seien, wenn sie schnell eingesetzt würden, erfolgreich bei der Bekämpfung von PCTC-Bränden und ihre Kapazität sollte nach Ansicht der IUMI verdoppelt werden. Schaumlöschanlagen hätten sich ebenfalls als wirksam erwiesen, um eine Wärmeübertragung von einem Fahrzeug auf ein anderes zu verhindern.
Fest installierte Systeme vor manueller Brandbekämpfung
An Bord von PCTCs sollten vor der manuellen Brandbekämpfung immer fest installierte Systeme eingesetzt werden. Es muss nach Ansicht der Versicherer klar festgelegt werden, welche Ladung angenommen oder abgelehnt wird. Fahrzeuge sollten überprüft werden, wobei gebrauchte Fahrzeuge sorgfältig auf versteckte Schäden untersucht werden sollten.
Das Aufladen von E-Autos an Bord von RoPax-Schiffen sollte vorbehaltlich entsprechender Risikobewertungen und Kontrollmaßnahmen gestattet werden. Die in E-Fahrzeugen eingebauten Sicherheitsmechanismen würden in der Regel während des Ladevorgangs aktiviert.
Seetransport von E-Autos schon Thema auf IMO-Agenda für 2024
Ab März 2024 wird der IMO-Unterausschuss für Schiffssysteme und -ausrüstung (SSE) mit der Arbeit an der »Bewertung der Angemessenheit von Brandschutz-, Detektions- und Löschvorkehrungen in Fahrzeug-, Sonderkategorie- und Ro-Ro-Räumen zur Verringerung des Brandrisikos von Schiffen, die neue Energiefahrzeuge befördern« beginnen.
»Der Regulierungsprozess wird eine Gelegenheit sein, die Sicherheitsanforderungen zu verbessern und sie an die neue Realität der großen Anzahl von Fahrzeugen mit alternativen Kraftstoffen an Bord von Schiffen anzupassen. Die IUMI wird sich weiterhin an dieser Debatte beteiligen«, so IUMI-Generalsekretär Lange.