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Das nach eigenen Angaben leistungsfähigste Errichterschiff im Offshore-Markt lässt HGO InfraSea Solutions derzeit auf der polnischen Crist-Werft bauen. Im Juli 2012 soll die »Innovation« erstmals zum Einsatz kommen.

In Auftrag gegeben worden war das 200 Mio. € teure Kranhubschiff Ende vorigen Jahres von der ehemaligen Firma Beluga Hochtief Offshore[ds_preview], die mittlerweile als HGO InfraSea Solutions mit dem neuen Gesellschafter GeoSea firmiert. GeoSea, ein Unternehmen der belgischen DEME-Gruppe, hatte im Juni die Beluga-Anteile übernommen und sich mit Hochtief Solutions zusammengeschlossen, um Spezialschiffe für den Offshore-Wind zu entwickeln, zu bauen und zu betreiben.

Die »Innovation« ist das erste Projekt der gemeinsamen Gesellschaft. Mit gut 147 m Länge, 42 m Breite und einer freien Decksfläche von 3.400 m² wird das Installationsschiff, das in Gdynia bei Danzig entsteht, zu den größten seiner Art gehören. Bei einer Hubgeschwindigkeit von bis zu einem Meter pro Minute wird das Jacking-System im Einsatz auf hoher See eine ordentliche Last zu stemmen haben: Vollgeladen wiegt das Schiff 30.000 t, und das ohne das Eigengewicht der vier Beine (jeweils 1.000 t). Letztere sind 90 m lang und ermöglichen so einen sicheren Stand in Wassertiefen von bis zu 50 m. Die maximale Zuladung beträgt 8.000 t und damit deutlich mehr als bei den beiden Hubinseln »Odin« (900 t) und »Thor« (3.300 t), die Hochtief seit einiger Zeit erfolgreich in Betrieb hat. Im wachsenden Offshore-Markt bieten sich durch die erweiterten Ladekapazitäten zahlreiche Einsatzmöglichkeiten: So können zum Beispiel sieben Offshore-Windenergieanlagen (OWEA) mit einer Leistung von 6 MW und mehr oder aber zwölf Anlagen mit einer Leistung von 3 MW und mehr transportiert werden. In einer anderen Variante würden sieben Monopile-Fundamente bis zu 500 t sowie sieben Transition Pieces (Übergangsstücke zu den Türmen) bis zu 300 t zeitgleich Platz an Bord finden.

»Der Bau von Offshore-Windparks muss berechenbarer und kostengünstiger werden«, sagt Dr. Carsten Heymann, Geschäftsführer von HGO InfraSea Solutions. »Wir brauchen darum leistungsstarke Schwerlast-Kranhubschiffe für Projekte, die immer anspruchsvoller werden.« Fast 50 % der Parks würden künftig in Wassertiefen von 35 bis 50 m errichtet, rund 80 % aller Projekte in einer Entfernung von mehr als 50 km zum nächsten Basishafen. Hinzu komme, dass die Leistung und damit die Größe der Windturbinen in den kommenden Jahren deutlich zunehmen werde – von heute durchschnittlich 3 MW auf über 7 MW bis 2020. »Das erfordert größere Kran-Kapazitäten von mehr als 1.000 t«, so Heymann. Dieser Theorie folgend wird der Hauptkran der »Innovation« sogar bis zu 1.500 t heben können, was dem Schiff nach jetzigem Stand ein Alleinstellungsmerkmal auf dem Markt verschafft. Installiert wird der Kran um eines der Hubbeine herum: Dieses »Crane around the Leg«-Prinzip wurde gewählt, um an Deck möglichst viel Transport- und Arbeitsfläche vorhalten zu können. Und die wird auch benötigt, will man doch eine All-in-one-Lösung vom Beladen über den Transport bis hin zur Installation und späteren Wartung präsentieren.

Gut ein Jahr nach der Auftragsvergabe an die Crist-Werft ist der Rohbau des Spezialschiffes weitestgehend fertig. Der Kran wird von Liebherr in Rostock produziert und soll ebenso wie die Beine, die auf der MIS-Werft in Dubai in Arbeit sind, Anfang 2012 nach Gdynia geliefert und eingebaut werden. Die Investition sei ein starkes Bekenntnis zur Offshore-Windenergie, betont Martin Rahtge, bei Hochtief Solutions für das Offshore-Geschäft verantwortlich. In einer rauen Umgebung wie der Nordsee benötige man solides und verlässliches Arbeitsgerät, erläutert der Leiter der Geschäftseinheit Civil Engineering and Marine Works und zeigt sich überzeugt: »Wir liegen in der Zeit, wir liegen im Budget und wir werden liefern.« Die Hubinsel »Thor«, die ebenfalls bei Crist gebaut wurde, arbeite äußerst zuverlässig, und auch mit dem Fortschritt der »Innovation« sei man sehr zufrieden.

Mit Blick auf die aktuelle Diskussion in Politik und maritimer Branche, warum deutsche Unternehmen bislang keine Spezialschiffe bei hiesigen Werften in Auftrag gegeben haben, verweist Rahtge auf die guten Erfahrungen, die Hochtief mit den Polen gemacht habe – und darauf, dass die angefragten deutschen Werften voriges Jahr keine wirtschaftlichen Angebote abgegeben hätten. Mittlerweile sei man hierzulande allerdings dabei, in den Markt einzusteigen: Jetzt bleibe abzuwarten, was die Zukunft bringe. Ohnehin ist die »Innovation« aus seiner Sicht ein europäisches Projekt, an dem auch viele deutsche Zulieferer beteiligt seien.

»Wir sollten in der Offshore-Windenergie nicht zu sehr national denken, sondern eher europäisch«, fordert Rahtge. Die Errichterlogistik sei über Grenzen hinweg ein Flaschenhals, weswegen weitere Schiffsneubauten bereits in Planung seien: »Wenn es so weit ist, werden wir den gesamten Markt anfragen – und natürlich auch die deutschen Werften. Am Ende wird es eine rein wirtschaftliche Entscheidung sein.« Aus diesem Grund habe man sich bei der Vergabe des aktuellen Projekts auch gegen die Beauftragung asiatischer Schiffbauer entschieden. Zwar seien Angebote aus Asien vordergründig oft sehr günstig: Wenn man die Gesamtrechnung sehe und mögliche Risiken bedenke, relativiere sich das Ganze aber meist sehr schnell.

Abgesehen vom Bau weiterer Spezialschiffe ist Hochtief auch in anderen Bereichen dabei, tiefer in den Offshore-Markt einzudringen. So ist das Unternehmen an der Errichtung mehrerer deutscher Windparks beteiligt und hat sich als Anbieter von Bau- und Logistikdienstleistungen auf See etabliert. Ein zusätzlicher Wachstumsschwerpunkt soll künftig die Projektentwicklung werden: Hier beabsichtigt man, gemeinsam mit Finanzierungspartnern Großprojekte zu planen und zu finanzieren, um sie vor der Bauphase an einen Endinvestor zu verkaufen. Dieses Angebot stoße auf großes Interesse, berichtet Ullrich Reinke, Leiter des Segments Energy and Infrastructure Solutions: »Viele Player wollen in solche Windparks investieren – wir haben die Planungs- und Entwicklungskompetenz.« Weitere strategische Bausteine zur Umsatzsteigerung im Energiesektor sehe man in der Beteiligung am Netzausbau sowie in der Entwicklung von Technologien zur Speicherung von Strom aus erneuerbaren Energien.

Auch in Forschung und Entwicklung soll laut Reinke weiter investiert werden. In Zusammenarbeit mit der Firma Herrenknecht ist bereits ein Patent für das sogenannte Offshore Foundation Drilling (OFD), also für Gründungsarbeiten unter Verwendung von Vertikalbohrtechnik, angemeldet worden. Ziel des Verfahrens ist es, durch Vermeiden des herkömmlichen Rammens die Schall­emissionen zu mindern und damit die Tierwelt zu schonen. Darüber hinaus können mit dieser Methode Pfähle eingebracht werden, die einen Durchmesser von mehr als 6 m haben. Der Marktzugang soll 2013 erfolgen.

Bis dahin wird die »Innovation« schon einige Monate im Einsatz sein, wenn weiter alles nach Plan verläuft. Ende Mai 2012 sollen die Bauarbeiten auf der Crist-Werft abgeschlossen sein, am 1. Juli soll das Errichterschiff erstmals seinen Dienst aufnehmen. Vom Heimathafen Bremerhaven aus wird es dann regelmäßig zum Offshore-Windpark »Global Tech 1« pendeln, der ab dem kommenden Sommer rund 90 km nordwestlich von Juist entsteht – an Bord unter anderem die dort benötigten Tripods, die sowohl geliefert als auch installiert werden, 80 Stück insgesamt. Unterkünfte gibt es auf der schwimmenden Arbeitsplattform für 100 Personen inklusive Besatzung, wobei die Kabinen als Einzel- oder Doppelkabinen genutzt werden können. Nach Angaben von HGO InfraSea Solutions sind die Kapazitäten erweiterbar für bis zu 180 Personen, an reiner Crew für den Schiffsbetrieb rechnet man mit etwa 25 Mitarbeitern pro Schicht. Damit den Männern und Frauen auf hoher See nicht die Decke auf den Kopf fällt, wird es unter anderem ein Kino und einen Fitnessraum geben.

Das neue Kranhubschiff ist grundsätzlich nicht nur in der Offshore-Windenergie, sondern auch beim Bau und bei der Wartung von Öl- und Gasanlagen auf hoher See einsetzbar. Diese Option dürfte auf absehbare Zeit allerdings eine rein theoretische sein, denn langfristige Charterverträge sind längst abgeschlossen. Zu den Kunden gehört unter anderem der Windturbinenhersteller Areva, der für »Global Tech 1« alle 80 OWEA der 5-MW-Klasse liefern und warten soll. Da die Nachfrage nach leistungsstarken Errichterschiffen angesichts der politischen Energieziele in den kommenden Jahren europaweit rasant steigen dürfte, ist davon auszugehen, dass die »Innovation« in Sachen Windkraft im Dauereinsatz sein wird.

Schon zu Zeiten der Zusammenarbeit mit der Beluga-Reederei hatte Hochtief angekündigt, eines Tages über vier Hubschiffe verfügen zu wollen. An dieser Aussage hat sich nichts geändert, wie die Verantwortlichen betonen. Laut HGO-Geschäftsführer Heymann laufen in seinem Haus derzeit konkrete Planungen für den Bau eines zweiten Installationsschiffes, das in seiner Ausführung der »Innovation« ähneln werde und 2014 fertig sein solle. Heymann: »Wir müssen uns beeilen, denn die Schiffe werden gebraucht.«


Anne-Katrin Wehrmann