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Noch sind deutsche Werften zumeist leer ausgegangen, wenn die Offshore-Windbranche Aufträge für den Bau von Spezialschiffen zu vergeben hatte. Das soll sich möglichst bald ändern.

Nach mehreren schwierigen Jahren in Folge ist die Situation bei den hiesigen Schiffbauern nach wie vor angespannt: So ist derzeit[ds_preview] kein einziges Containerschiff mehr in den Auftragsbüchern zu finden. Für Aufschwung könnte der Ausbau der Offshore-Windenergie sorgen, denn angesichts des Bedarfs an speziellen Schiffen bieten sich hier erhebliche Umsatzpotenziale. »Es bleiben nur noch die Spezial­schiffe, über die man reden kann«, machte Werner Lundt, Hauptgeschäftsführer des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik (VSM), bei einer Veranstaltung mit dem Titel »Spezialschiffbau für die Offshore-Windindustrie« in Hamburg deutlich.

Eingeladen hatten der VSM und die Wirtschaftskanzlei Taylor Wessing, um interessierten Marktteilnehmern einen Überblick über die aktuelle Lage zu präsentieren und ihnen eine Gelegenheit zum Gedan­ken­austausch zu bieten. Lundt erläuterte einleitend, dass Passagierschiffe derzeit den größten Teil des Auftragsbestands ausmachten. Durch den Offshore-Wind ergäben sich nun allerdings neue Potenziale, und die wolle man nutzen: »Die Werften stehen bereit.«

Referenzschiffe sind wesentliche Voraussetzung für Erfolg

Karsten Schulze von der KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die vor einigen Monaten die Studie »Offshore-Wind – Potenziale für die deutsche Schiffbauindustrie« veröffentlicht hatte, berichtete, dass bislang erst drei für diesen Bereich spezifische Schiffe bei deutschen Werften in Auftrag gegeben worden seien: ein Errichterschiff bei Sietas sowie zwei Crew Transfer Vessels bei Abeking & Rasmussen und bei der Schiffswerft Diedrich. Hinzu kämen einige wenige auch für den Offshore-Wind geeignete Schiffe sowie Plattformen bei den P+S Werften, bei Nobiskrug und Nordic Yards. »Ausländische Werften können Aufträge offensichtlich besser akquirieren«, stellte Schulze fest. Hier gelte es anzusetzen. Zwar habe die Studie ergeben, dass der Bedarf an Errichterschiffen für die kommenden Jahre gedeckt sei: Ab 2016 würden jedoch allein für den europäischen Markt zusätzliche Neubauten benötigt, weitere voraussichtlich für die Märkte in China und den USA.

»Eine der wesentlichen Voraussetzungen für Erfolg sind Referenzschiffe«, betonte Schulze. Für die Sietas-Werft, die kürzlich Insolvenz beantragt hatte, sei es daher enorm wichtig, den Auftrag der niederländischen Van-Oord-Gruppe behalten und zu Ende führen zu können. Fehlende Referenzen durch eine Fokussierung auf den Serienschiffbau, vor allem auf Containerschiffe, sind laut KPMG-Studie auch der wesentliche Grund dafür, dass Banken und Betreiber deutschen Werften den Bau von Errichterschiffen nur bedingt zutrauen. Ein Nachholbedarf wird demnach sowohl bei den technischen Abläufen und Kompetenzen als auch nachgelagert im Aftersales-Bereich gesehen. »Die Werften sind hier verpflichtet, sich besser aufzustellen«, forderte Schulze, »und das passiert auch schon an vielen Stellen.«

Neben den Installationsschiffen ergeben sich auch signifikante Umsatzpotenziale bei Kabellege-, Wohn-/Wartungs- und Reparaturschiffen sowie bei den Crew Transfer Vessels – und darüber hinaus, wie Schulze betonte, bei Plattformen und bei den Fundamenten für Offshore-Windenergieanlagen. Hier kämen vor allem Jacket-Konstruktionen in Frage, die in den kommenden Jahren mehr Marktanteile bekommen würden: Mit ihrer Infrastruktur seien Werften durchaus in der Lage, diese zu bauen. »Wenn sich eine Werft auf Fundamente spezialisiert, muss sie allerdings überlegen, den Schiffbau aufzugeben – man muss hier zur Serienfertigung kommen.« Unter dem Strich stehen als Ergebnis der Studie 18 Mrd. €, die die Branche bis 2020 durch die Offshore-Windindustrie umsetzen könnte: 6,5 Mrd. € aus klassischen Werfttätigkeiten wie Schiffbau und Umbau sowie 11,5 Mrd. € aus Offshore-Strukturen wie Jackets und Plattformen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen allerdings zunächst bestehende Hemmnisse beseitigt werden.

Als derzeit größte Herausforderungen im deutschen Offshore-Windenergiemarkt identifizierte Schulze die Finanzierung, die Logistik und den Betrieb von Windparks sowie die Netzanbindung, wenngleich das KfW-Sonderprogramm »Offshore-Windenergie« und die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) bereits für Verbesserungen gesorgt hätten. Auch für die Werften seien die Finanzierungsbedingungen aufgrund der Schifffahrts- und der allgemeinen Finanzkrise äußerst schwierig. Sowohl für die Bauzeitfinanzierung der Werften als auch für die Finanzierung der benötigten Spezialschiffe müssten rasch Lösungen gefunden werden, so Schulze.

»Europcar« für die Offshore-Branche?

Als Planer, Errichter und Betreiber von Offshore-Windparks ist vor einiger Zeit die EnBW Erneuerbare Energien GmbH in den Markt eingetreten. Ganz zu Beginn habe man darüber nachgedacht, auch als Reeder tätig zu werden, erzählte Stefan Thiele, Sprecher der Geschäftsführung. »Wir haben uns dagegen entschieden, weil es nicht in unserer Kernkompetenz liegt, Schiffe zu planen, zu bauen und zu betreiben.« Die Einschätzung seines Unternehmens sei es gewesen, dass es einen Engpass bei Spezialschiffen nicht geben werde, und das habe sich bislang auch bestätigt.

Thiele berichtete, dass beim Bau des Offshore-Windparks »Baltic 1« in der Ostsee bis Mitte Oktober vorigen Jahres 60 unterschiedliche Schiffe zum Einsatz gekommen sind, wobei bis zu 21 von ihnen gleichzeitig auf dem Baufeld waren. Insgesamt wurden 1.270 Schiffsbewegungen gezählt, die Crew Transfer Vessels brachten 365 Menschen zur Arbeit auf hoher See und leisteten zusammen 2.594 Personentransporte. Nach Aussage des Geschäftsführers werden die maritimen Dienstleistungen in seinem Haus EU-weit ausgeschrieben, und zwar derzeit bevorzugt als Sublieferung des jeweiligen Gewerks, perspektivisch jedoch als eigenes Gewerk.

Als wesentliche technische Anforderungen an Errichterschiffe nannte Thiele unter anderem die satellitengesteuerte Positionierung mit DP2-Ausstattung, Jack-up-Fähigkeit bei Wassertiefen bis zu 50 m sowie Hubkapazitäten von 600 t bei 50 m Auslage für Fundamente und von 400 t bei 40 m Auslage für Windenergieanlagen.

Für besonderes Interesse bei den Zuhörern sorgte ein Wunschszenario von EnBW, das der Geschäftsführer mit dem Schlagwort »Offshore-Europcar« umriss: Gemeint sind damit kurzfristig verfügbare, »dem Einsatzzweck technisch und wirtschaftlich angepasste« Schiffe und Transportkapazitäten. »Es wäre uns sehr recht, wenn wir die Schiffe, die wir brauchen, mit einem Vorlauf von wenigen Wochen in einem geeigneten Pool anmieten könnten«, erläuterte Thiele. Das sähen andere Errichter und Betreiber ähnlich, allerdings gebe es seines Wissens bislang niemanden, der entsprechende Pläne verfolge. Eine solche Kurzzeitcharter sei für Reeder ja auch ein großes Hemmnis, hieß es aus dem Publikum: Um mit Banken ins Geschäft zu kommen, müsse die Finanzierung langfristig gesichert sein. »Es gibt aber doch nicht nur einen Errichter von Offshore-Windparks, sondern mehrere«, erwiderte Thiele, »und die Parks werden nicht alle gleichzeitig gebaut.«

Partnerschaftliche Kooperations-verträge können Kosten reduzieren

Ist Schiffbau in Deutschland eine Frage des Preises? Und wenn ja, kann man durch vertragliche Gestaltungen den Preis beeinflussen? Diese Fragen stellte Dr. Michael Baumhauer von Taylor Wessing an den Anfang seiner Ausführungen über Schiffbauverträge und partnerschaftliche Kooperationsverträge. Der Jurist beschrieb den Weg vom ursprünglichen AWES-Standard-Schiffbauvertrag von 1972 sowie dessen Neufassung von 1999 über verschiedene, regional verbreitete Schiffbauverträge wie den Norwegian Shipbuilding Contract bis hin zum LOGIC-Vertrag (Leading Oil and Gas Industry Competitiveness), dessen Hauptziele eine bessere Vergleichbarkeit der britischen Öl- und Gasindustrie sowie eine Kostenreduzierung um 30 % sind.

Dabei wurde deutlich, dass die Standardverträge im Laufe der Jahre immer umfangreicher geworden sind und teilweise deutliche Über- und Unterordnungen zwischen Auftraggebern und Werften festzustellen sind. »Ich habe mehr Sympathien für Verträge, die auf Augenhöhe geschlossen werden«, betonte Baumhauer. Im Offshore-Bereich gebe es sowohl vergleichsweise einfach auszuführende Projekte wie Stelzenpontons ohne Antrieb als auch komplexe Neubauten wie Errichterschiffe oder Maxi-Kranschiffe: Hierfür müsse es unterschiedliche Verträge geben.

Das herkömmliche Konzept sehe vor, dass die Werft zum Generalunternehmer werde und das Risiko allein trage, während die Subunternehmer nur eine partielle und separierte Verantwortung zu tragen hätten. In der Praxis führe das vielfach zu Problemen und Ärgernissen. Um das zu ändern, schlug der Jurist als Alternative den partnerschaftlichen Kooperationsvertrag vor, in dem sich Werft und Subunternehmer die Generalunternehmer-Verantwortung teilen: »Aus dem Gegeneinander wird ein Miteinander.« Allein die Werft stehe in vertraglicher Beziehung zum Reeder, die Verteilung von Haftung und Risiko könne im Innenverhältnis entweder nach dem Verursachungs- oder dem Solidarprinzip beziehungsweise einer Mischform aus beiden erfolgen. Geeignet für solche Verträge seien Bereiche wie Konstruktion, Stahlbau, Antriebsanlage, Ausrüstung, Kräne, Innenausbau und anderes mehr. Baumhauer: »In diesem Umkreis wird man Subunternehmer finden, die sich damit einverstanden erklären werden, ein anderes Verhältnis mit den Werften einzugehen als üblich.« Der VSM habe vor einigen Jahren einen entsprechenden Mustervertrag erstellt, den man lediglich überarbeiten und anpassen müsse. Für die Beteiligten habe ein solches Konzept den Vorteil, dass extreme Haftungsrisiken entfielen und allgemeine Risiken wie verspätete Kundenzahlungen geteilt würden. Durch die frühzeitige Einbindung der Partner in die Verhandlungen des Bauvertrags sowie eine kontinuierliche Abstimmung und Mitgestaltung würden insgesamt Haftungs- und Schnittstellenrisiken reduziert. »Das wird, wenn man es umsetzt, Kosten reduzieren können – davon bin ich überzeugt«, machte Baumhauer deutlich.

Engpässe bei Versorgungs- und Errichterschiffen

Über die technischen Herausforderungen beim Bau von Spezialschiffen für die Offshore-Windindustrie berichtete Teena Tillessen vom Germanischen Lloyd (GL). Ein wesentlicher Punkt bei der Projektierung von Offshore-Schiffen sei die signifikante Wellenhöhe, erläuterte sie: Am Standort der Forschungsplattform »FINO 1« beispielsweise wären auf eine signifikante Wellenhöhe von 1 m ausgelegte Schiffe lediglich zu 40 % der Zeit einsetzbar, während auf 2,5 m ausgelegte Schiffe zu 80 % genutzt werden könnten. »Bei der Installation von Offshore-Windenergieanlagen entstehen 19 % der Kosten nur dadurch, dass man auf passendes Wetter wartet«, so Tillessen. Bei Errichterschiffen habe es der GL aus der Normen- und Regelungsperspektive heraus immer wieder mit der Frage zu tun, um was es sich eigentlich konkret handele. »Aber es ist eben nicht ein Schiff oder ein Jack-up oder ein Heavy Lifter oder ein Passagierschiff, sondern es ist alles gleichzeitig«, stellte Tillessen klar. »Das Problem ist nicht, dass es keine Regeln gibt, sondern dass es unterschiedliche Regelungssysteme gibt, die sich teilweise widersprechen.« Hier gebe es häufig Diskussionen mit den Kunden – inzwischen wisse man jedoch, wie man durch den »Regel­dschungel« komme. Bei kleineren Einheiten wie den Crew Transfer Vessels gebe es ein ganz anderes Problem: Hier hingen die anzuwendenden Regeln immer von der jeweiligen Flagge ab, unter der das Schiff fahre. Tillessen: »Wir brauchen da dringend eine europäische Regelung.«

Mit Blick auf die Perspektiven für den deutschen Schiffbau sagte Tillessen, dass es Engpässe aus ihrer Sicht vor allem bei den Versorgungs- und bei den Errichterschiffen geben werde. Das größte Potenzial sehe sie darin, die Schiffe künftig noch spezieller für ganz bestimmte Einsatz­bereiche zu bauen. »Ich bin ein Fan von Pool-Lösungen: Man könnte sich die Schiffe teilen und damit viel Geld sparen.« Dieser Pool-Gedanke geistere schon seit Jahren durch die Offshore-Branche, ohne allerdings bisher ernsthaft verfolgt worden zu sein. »Vielleicht wäre der ›Europcar‹-Gedanke wirklich zielführend – wenn ein neuer Anbieter ins Spiel kommt, der nicht selbst Stakeholder ist.«


Anne-Katrin Wehrmann