Print Friendly, PDF & Email

Mit der Inbetriebnahme des JadeWeserPorts soll sich die Erfolgsgeschichte des Hafenstandortes Wilhelmshaven fortsetzen. Nikša Maruši und Mathias Lüdicke beschreiben die Entwicklung von der Marinestadt zum Welthafen

Die Gründung Wilhelmshavens geht auf den Plan Preußens zurück, am tiefen Tidestrom der Jade einen großen Kriegshafen anzulegen. Zu diesem[ds_preview] Zweck hatte Preußen 1853 vom Großherzogtum Oldenburg per Staatsvertrag (Jade-Vertrag) ein fast unbesiedeltes Gebiet von 313 ha Land am Jadebusen erworben. 1869 erhielt die Stadt ihren Namen durch den damaligen König Wilhelm I. von Preußen, dem späteren Deutschen Kaiser. Die Reichsverfassung von 1871 bestimmte den Jadehafen zum Reichskriegshafen. Die Stadtgeschichte Wilhelmshavens ist seither eng mit der Entstehung und Entwicklung der deutschen Marine verbunden.

In der Anfangsphase des Hafenbaus wurden nur die von der Marine benötigten Anlagen als tidegeschützter Innenhafen errichtet, der über verschiedene Schleusen erreicht werden konnte. Zivile Hafenanlagen waren nicht vorgesehen und wurden von der Marine nicht gewünscht. Erst als nach dem Ersten Weltkrieg die Marine stark verkleinert wurde, stellte sich die Frage nach der zivilen Nutzung freigewordener Einrichtungen, und wirtschaftliche Hafenaktivitäten gewannen langsam an Bedeutung.

Im Laufe der nächsten Jahrzehnte erlebte die Marinestadt Wilhelmshaven das Wechselspiel der Geschichte mit Aufbau, Krieg, Zerstörung und Wiederaufbau. Nach der Demontage des Kriegshafens nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Mitte der 1950er Jahre mit dem Bau neuer Hafenanlagen für die Bundesmarine begonnen. Zwischen 1959 und 1964 entstanden der Neue Vorhafen für die Marine und die große Seeschleuse mit ihren beiden Kammern. Daneben war die Entscheidung der Mineralölindustrie, im Jahre 1957 an der Jade eine Umschlaganlage mit Pipeline-Anschluss mehrerer Raffinerien über das Ruhrgebiet bis nach Köln – und später auch nach Hamburg – zu errichten, für die Stadt von entscheidender Bedeutung. Hierfür waren die günstigen natürlichen Voraussetzungen des Jadereviers ausschlaggebend, weil die immer größer werdenden Massengutschiffe für den Transport von Rohöl und Kohle große Wassertiefen benötigen. Wilhelmshaven ist der deutsche Seehafen mit der größten Fahrwassertiefe (SKN -17,60 m).

Das tiefe Fahrwasser der Innenjade prägt die Wirtschaft bis heute und ist die Basis für Ansiedlungen von Großbetrieben der petrochemischen Industrie, der chemischen Industrie, der stromerzeugenden Industrie sowie weiterer Wirtschaftszweige. Damit verbunden war der Ausbau Wilhelmshavens zum Industriestandort und Handelshafen. Im 1963 eingedeichten Rüstersieler Groden wurde ein Chemiewerk errichtet. Das Land Niedersachsen baute hierfür eine zweite Brücke an der Jade, die dann später auch der Versorgung des Kraftwerkes diente. Im von 1971 bis 1974 eingedeichten Voslapper Groden entstanden eine Raffinerie und ein weiteres Chemiewerk mit den dazugehörigen Umschlagbrücken.

Ein wichtiger Schritt für die Hafenwirtschaft und die Stadt erfolgte im Jahr 1975. Die Bundesrepublik Deutschland, das Land Nieder­sachsen und die Stadt Wilhelmshaven einigten sich im Hafenauseinandersetzungsvertrag über die Aufteilung der Hafenflächen. Das Land konnte forthin große Investitionen für Umschlag und Hafenanlagen mit neuer Infrastruktur im Nord­hafen tätigen, der Stadt bot sich die Möglichkeit, Teile des Großen Hafens und des Banter Sees für Freizeit, Sport, Erholung und anspruchsvolle Wohnbauten zu nutzen. Niedersachsen Ports vertritt mit ihrer Niederlassung in Wilhelmshaven die Landesinteressen im größten niedersächsischen Seehafen.

Wilhelmshaven hat sich mit Umschlagmengen von etwa 25–40 Mio. t jährlich in der Spitzengruppe der europäischen Häfen etabliert. Mit über 20 Mio. t jährlich ist er Deutschlands größter Rohöl­importhafen und einziger deutscher Tiefwasserhafen. Mit dem JadeWeserPort soll sich die Erfolgsgeschichte des Hafenstandortes Wilhelmshaven im weltweiten Containerverkehr fortsetzen.

Außenhafen

Die Wilhelmshavener Häfen bestehen aus verschiedenen Hafenanlagen im Gebiet der Stadt Wilhelmshaven, die sich von See kommend von Norden nach Süden untergliedern in den Außenhafen, den Marinehafen, den Nordhafen und den Stadthafen.

Großumschlaganlagen am Jadefahrwasser

Zwischen 1958 und 1981 wurde vor den neu aufgespülten Flächen eine Anzahl unterschiedlicher Verladebrücken für Schiffe mit großem Tiefgang am Fahrwasser der Außenjade gebaut. Dadurch gewann Wilhelmshaven erheblich an Bedeutung als Einfuhrhafen für Erdöl und andere Massengüter. Dieser Ausbau wird durch den Bau des JadeWeserPorts fortgesetzt (siehe Tabelle 1).

NWO-Ölhafen

Die Tankerumschlaganlage von Nord-West Oelleitung (NWO) ist die südlichste und älteste (1958) der großen Umschlaganlagen am Jadefahrwasser. An einer Stichpier von 700 m Länge mit abknickendem Anleger befinden sich drei Liegeplätze für Tanker mit bis zu 250.000 t Ladung. Die Anlage verfügt über ein Rohöl-Tanklager für rund 1,6 Mio. m3.

Niedersachsenbrücke

Die 1972 gebaute Niedersachsenbrücke – auch Umschlaganlage Rüstersieler Groden genannt – ist eine im südlichen Abschlussdamm des JadeWeserPorts integrierte Stichpier mit einem in Fahrwasserrichtung abknickenden Anleger. Die drei Liegeplätze dienen dem Umschlag von Kohle und Natronlauge und insbesondere der Versorgung der beiden Kohlekraftwerke mit Steinkohle. Die Umschlagkapazität liegt nach der Ertüchtigung der Niedersachsenbrücke bei 8 bis 10 Mio. t pro Jahr, damit kann Wilhelmshaven größ­ter deutscher Umschlagplatz für Steinkohle werden.

WRG-Anleger

Nördlich des JadeWeserPorts liegt die Tankerumschlaganlage der Wilhelmshavener Raffinerie (WRG). Sie wurde 1974 bis 1976 gebaut und besteht aus einer Stichpier mit querliegendem Anleger und einem davor liegenden Inselanleger ohne Landverbindung. An beiden Anlegern befinden sich zwei Liegeplätze für Schiffe mit bis zu 250.000 t am Inselanleger und bis zu 13.500 t am Küstenanleger. Die Anleger haben Wassertiefen von 7,5 bis 18,5 m unter Seekartennull (SKN). Von hier aus soll nach Einstellung des Raffineriebetriebes und Verkauf der Anlage im Jahr 2011 zukünftig ein Tanklager betrieben werden.

Umschlaganlage Voslapper Groden

Die Umschlaganlage Voslapper Groden (UVG), auch Ineos-Anleger genannt, ist die nördlichste der Umschlaganlagen an der Jade. Sie entstand zwischen 1979 und 1981 und besteht aus einer Stichpier mit einem in Fahrwasserrichtung abknickenden Anleger. Der Anleger verfügt über zwei Liegeplätze für Schiffe bis 18.000 t und einem zurzeit ungenutzten Anleger für Schiffe bis 60.000 t. Sie dient dem Umschlag von Äthylen und anderen chemischen Produkten. Der Anleger gehört dem Land Niedersachsen und wird durch die Chemiefabrik des Unternehmens Ineos genutzt.

Marinehafen: IV. Einfahrt – Neuer Vorhafen

Die Zufahrt zum Innenhafen bildet die Schleusenanlage der IV. Einfahrt. Sie wurde 1964 mit beiden Kammern in Betrieb genommen und ist seit der kurz darauf erfolgten Schließung der I. Einfahrt die einzige Seeschleuse Wilhelmshavens.

Die IV. Einfahrt ist die größte Schleuse Deutschlands und zweitgrößte Schleuse der Welt. Mit der Aufrüstung der Kriegsmarine ab 1935 wurden die bereits während des Ers­ten Weltkriegs vorhandenen Pläne, eine noch größere Seeschleuse zu bauen, in angepasster Form wieder aufgenommen. Zwischen 1939 und 1942 entstand die neue Anlage mit zwei Schleusenkammern von je 390 m Länge und 60 m Breite. Es wurde allerdings während des Krieges nur die Ostkammer soweit fertiggestellt, dass sie in Betrieb genommen werden konnte.

Am 27. Januar 1949 wurde die IV. Einfahrt gesprengt. Dabei blieben jedoch die Schleusenkammern erhalten, nur die Schleusenköpfe und Molen wurden zerstört. Beim Aufbau der Bundesmarine wurde der neue Marinestützpunkt Heppenser Groden als größter Marinestützpunkt der Bundesmarine im der IV. Einfahrt vorgelagerten Neuen Vorhafen aufgebaut. Der Stützpunkt ist Heimathafen von Fregatten und Versorgungsschiffen und beherbergt weitere militärische Dienststellen. Außerdem wird der Hafen von zivilen Behörden und Schleppern als Liegeplatz genutzt.

Bauhafen – Marinearsenal

Der Bauhafen ist der älteste Teil der Wilhelmshavener Hafenanlagen. In ihm befindet sich das Marinearsenal mit Werkstätten und Schwimmdocks. Der Bauhafen ist vom Ausrüstungshafen über eine Einfahrt zu erreichen, die von einer Klappbrücke, der Jachmannbrücke, überspannt wird. Er wird ausschließlich von der Marine genutzt. Das Marinearsenal verfügt über eine Anzahl von Werkstätten und ein Schwimmdock, das Schiffe bis 8.000 t aufnehmen kann.

Nordhafen

Für den Betrieb des Nordhafens (mit Ausrüstungs-, Flut- und Pontonhafen sowie dem Altem Vorhafen), der Niedersachsenbrücke (Kohleentladung) und der Umschlaganlage Voslapper Groden (Ethylen und andere chemische Rohstoffe) ist die landeseigene Gesellschaft Niedersachsen Ports mit der Niederlassung Wilhelmshaven zuständig.

Der im tidefreien Innenhafen gelegene Nordhafen ist ein Multifunktionsterminal, im Grunde genommen der »Alleskönner« des Wilhelmshavener Hafens. Über die modernen Kaianlagen (wie etwa Lüneburgkai und Braunschweigkai) können Massen- und Stückgüter, Container, RoRo-Ladung sowie Schwerlast- und Projektladung umgeschlagen werden. Ausreichend Lagerfläche steht für offene und geschlossene Lagerhaltung zur Verfügung (siehe Tabelle 2).

Die im Nordhafen gelegene öffentliche Kaianlage Hannoverkai bietet mit einer Länge von 325 m und einer Wassertiefe von 11,0 m gute Voraussetzungen für den Umschlag von Projektladung. Auf den 4.000 m² befestigter Kaifläche und etwa 20.000 m² Montagefläche wurden in der Vergangenheit größere Bauprojekte endmontiert und für den Seetransport verladen (z. B. Krananlagen, Rohre, Offshore-Anlagen). Neben dem Umschlag von Gütern aller Art ist der Nordhafen aber auch ein maritimes Dienstleistungszentrum. Etwa 20 Unternehmen mit ca. 500 Mitarbeitern haben sich hier angesiedelt, die verschiedene Dienstleistungen rund um die maritime Industrie bieten. Neben Bau- und Reparaturwerften für Marine, Handelsschifffahrt und Yachtbau befinden sich im Hafen auch Unternehmen der Zulieferindustrie und Services für Schiffs- und Meerestechnik, z. B. Korrosionsschutz, Schiffsentsorgung etc. Mit der Neuen Jadewerft am Nordhafen verfügt Wilhelmshaven über eine Werft mit Schwimmdock, die sich neben Reparaturen auf den Bau von kleineren Dienst- und Behördenfahrzeugen spezialisiert hat.

Ein weiterer Schwerpunkt des Terminals wird zukünftig im Bereich der Offshore-Windenergie liegen. Zu diesem Zweck werden die Flächen und Anlagen des Nordhafens gerade erweitert bzw. umgerüstet. Hierzu werden zwei alte Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg rückgebaut, Flächen und Schwerlasttrassen hergestellt, eine Halle errichtet und die Kaianlage erweitert. Ab Ende 2013 sollen im Hafen dann Stahlfundamente für Offshore-Windenergieanlagen (WEA) endmontiert und für den Transport zu den Windparks in der Nordsee verschifft werden. Weitere Planungen sehen den Ausbau von Logistik, Service, Wartung und Instandhaltung für die Offshore-Wind­industrie vor.

Um auch zukünftig für weiteren Umschlag im Innenhafen und die Ansiedlung von Unternehmen aus der maritimen Industrie gerüstet zu sein, werden derzeit Bereiche nördlich des Nordhafens sowie die dem Nordhafen gegenüberliegende Schleuseninsel entwickelt. Des Weiteren stehen im tidefreien Innenhafen größere Kapazitäten an Dalbenliegeplätzen für Auflieger zur Verfügung.

Flut- und Pontonhafen (Nassauhafen)

Neben den für den Güterumschlag genutzten Hafenterminals exis­tieren in Wilhelmshaven auch Hafenbereiche, die überwiegend touristisch genutzt werden oder auch Liegeplätze für Versorgungs- und Betriebsfahrzeuge, Behördenschiffe (z. B. des Wasser- und Schifffahrtsamtes, der Wasserschutzpolizei, des Zolls) und die DGzRS bieten. Hierzu zählt der Flut- und Pontonhafen, der sich zwischen der ehemaligen I. und II. Einfahrt befindet. Er dient auch als Liegeplatz für Sportboote, die nicht nach Wilhelmshaven einschleusen wollen. Ein Teil der Liegeplätze befindet sich an der Schutzmole, ein anderer an einer als Nassau-Brücke bezeichneten Pontonbrücke. Diesem Namen folgend wird der ganze Hafen auch Nassauhafen genannt.

Alter Vorhafen

Der Alte Vorhafen ist die ehemalige Zufahrt zur I. Einfahrt. Er hat zwei Kajen, die als Start- und Zielpunkt für Hafenrundfahrten und in den Sommermonaten für den Seebäderverkehr nach Helgoland genutzt werden. Die Südkaje trägt die Bezeichnung Helgolandkai, die Nordkaje Wangeroogekai. Technische Daten und Informationen zu den Kaianlagen im Wilhelmshavener Innenhafen sind in Tabelle 2 dargestellt.

Stadthafen

Für den Betrieb des Stadthafens Wilhelmshaven ist die Stadt­werke Verkehrsgesellschaft Wilhelmshaven zuständig. Diese Hafen­gebiete in der Nähe der Kaiser-Wilhelm-Brücke umfassen 2.500 m Kaianlagen, 21 ha Land- und 67 ha Wasserflächen. Zum Stadthafen gehören die in Tabelle 3 aufgeführten Kaianlagen.

Verbindungshafen

Der Verbindungshafen besteht aus dem Nordwestkai mit einer RoRo-Anlage, dem an der Hafeninsel gelegenen Nordostkai, der einem Reparaturbetrieb als Liegeplatz dient, und dem Südwestkai als allgemeine Umschlaganlage für Schiffe mit bis zu 10 m Tiefgang. Auf der Südseite des Verbindungshafens liegt der Tonnenhof des Wasser- und Schifffahrtsamtes im Bereich der Ansteuerung zur ehemaligen I. Einfahrt. Westlich davon befindet sich das Deutsche Marinemuseum. Den westlichen Abschluss des Verbindungshafens bildet die Durchfahrt zum Großen Hafen, die von der 1907 errichteten Kaiser-Wilhelm-Brücke überspannt wird, welche als nationales Baudenkmal anerkannt ist.

Großer Hafen

Der Große Hafen schließt sich im Westen an den Verbindungshafen an. An seiner Südseite wird er durch den Fliegerdeich vom Jadebusen getrennt. In diesem Bereich befinden sich Sportbootliegeplätze und -werften. Im Südwesten verschließt der Grodendamm die Durchfahrt zu den ehemaligen Hafenteilen, die heute den Banter See bilden. Auf der nördlich davon gelegenen Wiesbadenbrücke sind einige Unternehmen sowie die magnetische Messstelle der Marine angesiedelt. Im mittleren Teil des Hafenbeckens liegen die zu dieser Messstelle gehörenden Kabelschlaufen für die mag­netische Vermessung und Behandlung von Kriegsschiffen.

An der Nordseite des Großen Hafens erstreckt sich der Bontekai, die Hafenpromenade Wilhelmshavens. Hier liegen einige Museumsschiffe und Gastlieger. Im Nordwesten, nördlich der Wiesbadenbrücke, mündet der Ems-Jade-Kanal in die Wilhelmshavener Häfen. Die ihn überspannende Deichbrücke ist die westliche Begrenzung des Großen Hafens.

Handelshafen

Der Handelshafen liegt zwischen der Deichbrücke und der Rüs­tringer Brücke zu beiden Seiten des Ems-Jade-Kanals. Er entstand Ende des 19. Jahrhunderts und ist der älteste zivile Hafenteil. Am Handelshafen angesiedelt sind die Betriebe Interseroh Jade-Stahl und das MWB Motorenwerk Wilhelmshaven.

Ausblick

Die nahe Zukunft des Hafens Wilhelmshaven wird maßgeblich durch zwei Themenfelder bestimmt werden: den Umschlag von Containern und die deutsche bzw. europäische Energiewende.

Wilhelmshaven setzt neben dem Containerumschlag über den Containerterminal des JadeWeserPorts auf den Ausbau des Hafens zur größten Energiedrehscheibe Deutschlands. Den Mittelpunkt hierzu bilden die Ölumschlagterminals und die Umschlaganlage Niedersachsenbrücke sowie das damit verbundene Massenschüttgutlager für den Umschlag von Steinkohle. Zukünftig wird auch die Offshore-Windenergie als Themenfeld hinzukommen.

Ausbau der Niedersachsenbrücke

Es ist vorgesehen, künftig mehr Kohle als bisher für den Weitertransport umzuschlagen, um dem steigenden Strombedarf aus konventionellen Kohlekraftwerken bei Abschaltung der deutschen Atomkraftwerke Rechnung zu tragen. Dies dient zum einen der Versorgung der Kraftwerke vor Ort (E.on: in Betrieb, GDF Suez: im Bau), zum anderen wird Wilhelmshaven aber auch zu einem wichtigen Versorgungsstandort für Kohlekraftwerke im deutschen und europäischen Hinterland. Zu diesem Zweck wurden die Umschlagkapazität und -produktivität der Niedersachsenbrücke durch eine Runderneuerung der Anlage, einer Vertiefung der Liegewanne auf -18,50 m SKN und neue Kran- und Förderanlagen massiv erhöht.

Durch die Vertiefung des Liegeplatzes können seit diesem Jahr Massengutschiffe jeder Größe (vor allem voll abgeladene Capesize-Bulkcarrier mit einem Tiefgang von bis zu 18,5 m) in Wilhelmshaven gelöscht werden. Beim Bau des JadeWeserPorts ist die Niedersachsenbrücke weitgehend in dessen südlichen Abschlussdamm integriert worden. Außerdem wurde die Pier verstärkt, um zwei weitere Krane vom Typ Doppellenker-Wippdrehkran mit einem Gewicht von je 1.000 t aufstellen zu können. Im August 2011 wurden die beiden Portalkrane, von denen jeder mit einem Griff eine Last von 44 m3 Kohle transportieren kann, geliefert und neben

ihrem älteren Vorgänger montiert. Nach der Inbetriebnahme der neuen Krane können alle drei Krane zusammen bis zu 4.000 t Kohle pro Stunde entladen. Die Umschlagkapazität liegt nun bei ca. 8 bis 10 Mio. t pro Jahr, damit kann Wilhelmshaven größter deut­scher Umschlagplatz für Steinkohle werden.

Für den Weitertransport der Importkohle wurde auf der Niedersachsenbrücke ein zweites Kohletransportband montiert. Dazu entsteht im Rüstersieler Groden ein Massenschüttgutlager mit einer Kapazität von über 3 Mio. t Kohle und eine der modernsten und leistungsfähigsten Kohleumschlaganlagen für die Bahnverladung (Waggonverladestation) in Europa.

Des Weiteren wird auch der Umschlag des zukunftsträchtigen Energieträgers Flüssiggas als sinnvolle Alternative zu den Pipeline-Anbindungen aus Osteuropa und als potenzieller Treibstoff für einen umweltschonenden Schiffsantrieb weiterentwickelt. Hierzu steht eine geeignete und vorbereitete Umschlaganlage direkt am tiefen Fahrwasser der Jade zur Verfügung.

Ausbau der Schleuseninsel

Neben dem Umschlag von Massengütern am tiefen Fahrwasser wird auch der tidefreie Innenhafen in Wilhelmshaven sukzessive weiterentwickelt. Ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Montage und dem Umschlag von Elementen für die Offshore-Windenergie und einer Nutzung des Hafens als Offshore-Servicehafen. Hierfür stehen neben dem laufenden Ausbau des Terminals Nordhafen weitere Erweiterungsflächen zur Verfügung.

Auf der Schleuseninsel könnten durch einen bestehenden Bebauungsplan Unternehmen aus dem hafenaffinen Gewerbe – insbesondere aus der Offshore-Windenergie – unmittelbar angesiedelt werden. Sollte durch eine Ansiedelung straßengebundener Hinterlandverkehr in größerem Umfang, insbesondere Schwerlastverkehr, entstehen, so müsste die bestehende Anbindung der Schleuseninsel durch eine Brückenverbindung zum Nordhafen (sogenannte Hafentorbrücke) erweitert werden. Die Planungen für eine solche Verbindung sind fortgeschritten und könnten kurz- bis mittelfristig umgesetzt werden.

Ein wesentlicher Vorteil der Schleuseninsel ist die Lage sowohl am tidefreien Innenhafen als auch am seeschifftiefen Tidegewässer. Hier wie dort könnten durch den Bau von Kaianlagen weitere Umschlagkapazitäten geschaffen werden. Eine Übersicht über eine mögliche Nutzung der Schleuseninsel wird in Abb. 6 aufgezeigt.

Erweiterung der Hafenanlagen am Jadefahrwasser

Der Containerterminal Wilhelmshaven im JadeWeserPort verfügt über große Erweiterungspotenziale – sowohl was Kaianlagen als auch Land- bzw. Logistikflächen anbelangt. In einer zweiten Ausbaustufe könnte der Containerterminal nach Norden dupliziert werden. Damit würde sowohl die Kailänge als auch die Terminal- und Logistikfläche verdoppelt werden.

Weiterhin könnte in der zweiten oder dritten Ausbaustufe ein neuer tideunabhängiger Hafen für den Umschlag von Offshore-Elementen, RoRo-Ladung und ähnlichen Gütern geschaffen werden. Dieser könnte rückwärtig hinter einem Containerterminal gebaut werden. Die ersten Überlegungen zu einem solchen tidefreien Hafen sind in Abb. 7 dargestellt.

Demnach könnte im Norden hinter einem an die Umschlag­anlage Voslapper Groden (Ineos) angelehnten Vorhafen im Tidebereich eine Schleuse gebaut werden, deren Abmessungen aus heutiger Sicht eine Länge von 350 m und eine Breite von 60 m betragen sollten, sodass Offshore-Installa­tionsschiffe die Schleuse problemlos passieren könnten. Südlich der Schleuse entstünde ein Hafenbecken, welches neben den oben genannten Funktionen (Offshore, RoRo etc.) auch als Feeder- oder Binnenschiffshafen für den Containerterminal (dritte Ausbaustufe) dienen könnte. Neben etwa 2 km Kaianlagen im tidefreien Gewässer sollte das Hafenbecken einen Wendekreis mit einem Durchmesser von 500 m erhalten. Landseitig könnten die Flächen für Logis­tik-, Service- und Produktionsbetriebe eingerichtet werden.

Die Entwicklungsmöglichkeiten des Hafens Wilhelmshaven sind für die nächsten Jahre und Jahrzehnte somit nahezu unerschöpflich. Kurzfristig wird der heutige Innenhafenbereich weiterentwickelt werden, mittelfristig bestehen im Außenhafenbereich erhebliche Potenziale für den Ausbau der bestehenden Anlagen sowie für komplett neue Terminals und Hafenanlagen.


Nikša Maruši , Mathias Lüdicke