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Der Verband für Schiffbau und Meerestechnik beschreibt den Zustand der deutschen Werftenlandschaft trotz der geringen Anzahl an Ablieferungen und Bestellungen als

solide. Der durchschnittliche Auftragswert der Spezialschiffe liegt deutlich höher als in

der Vergangenheit, weshalb sich die Umsätze auf auskömmlichem Niveau halten
Die im Schiffbau und der Meerestechnik tätigen deutschen Unternehmen konn­ten im Jahr 2012 ihre Position weitgehend behaupten. Sie erzielten[ds_preview] Gesamtumsätze in Höhe von 5,1 Mrd. € und konnten damit das niedrige Vorjahresergebnis um 10 % übertreffen, teilte der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) kürz-lich in Hamburg am Rande seiner Jahresmitgliederversammlung mit. Während die Inlandsumsätze um 11 % auf 1,4 Mrd. € erneut zurückgingen, erhöhten sich die Exportumsätze um 22 % auf 3,7 Mrd. € und machten damit 72 % der Gesamterlöse aus. Zur Stei­gerung trugen vor allem höhere Ablie­fe­rungsvolumina im Seeschiffsneubau mit einem Exportanteil von 97 % bei.

Der VSM erklärte die starke Gewichtung in Richtung Ausland mit gut funktionierenden Exportfinanzierungsinstrumenta­rien, während inländische Besteller keine vergleichbaren Konditionen wie etwa im Rahmen des CIRR-Kreditprogramms (CIRR steht für Commercial Interest Reference Rate) der KfW IPEX Bank erhielten. So sei auch zu erklären, dass inländische Kreuzfahrtreedereien zunehmend im Ausland bestellten, weil sie im Grunde gegenüber ausländischen Wettbewerbern benachteiligt würden.

VSM-Hauptgeschäftsführer Reinhard Lüken betonte, dass das Umsatzniveau der deutschen Werften insgesamt trotz der niedrigen Zahl an Schiffsneubauten passabel sei. In den 1980er-Jahren habe der Durchschnittsumsatz der Werften pro Jahr bei ins­gesamt 3,4 Mrd. € gelegen, in den beiden darauffolgenden Dekaden bei 4,4 bzw. 5,4 Mrd. €. Damit habe die deutsche Werftindustrie seit dem Hoch in den 2000er-Jahren nur geringe Abschläge in Kauf nehmen müssen.

Die Zahl der im Schiffbau Direktbeschäftigten blieb mit rund 18.500 im Jahr 2002 stabil, nachdem bei acht Werftinsolvenzen in den vergangenen fünf Jahren zahlreiche Arbeitsplätze verloren gegangen waren. Allerdings seien für fünf Betriebe zukunftsfähige Lösungen gefunden worden, weshalb die Lage besser sei als die öffentliche Wirkung, sagte Lüken. »Weitere Insolvenzen sind derzeit nicht zu befürchten«, so der Verbandsgeschäftsführer.

Lediglich 18 Seeschiffe bestellt

Nachdem die Auftragseingänge bei den deutschen Werften in den ersten drei Quartalen 2012 zunächst recht verhalten ausgefallen waren, konnte die Auftragsbilanz im vierten Quartal durch mehrere große Projekte verbessert werden. Mit 18 Bestellungen für Schiffsneubauten im Jahr 2012 wurde die Anzahl der Aufträge in den Vorjahren zwar nicht erreicht, aber mit 495.000 cgt konnte an das Vorjahreser­gebnis angeknüpft werden. Damit liegt Deutschland vor Italien und Rumänien in Europa noch an der Spitze; weltweit steht hinter China, Südkorea, Japan, den Philippinen und Vietnam immerhin ein sechster Platz zu Buche – wobei der Abstand zu den Top drei freilich gewaltig ist.

Zusammen mit den zwei neu bestellten – und nicht in cgt vermessenen – Plattformen für Offshore-Windparks erreichte der Wert der Auftragseingänge für das Gesamtjahr 3,4 Mrd. € und übertraf damit den Vorjahreswert um 11 %. Trotz der Stornierung von acht Aufträgen mit 89.000 cgt und einem Auftragswert von 0,4 Mrd. € infolge einer Unternehmensinsolvenz stieg der Gesamtwert der Auftragsbestände um 1,2 % auf 8,5 Mrd. € an, bei einer rückläufigen Anzahl von 55 Schiffen mit einer Tonnage von insgesamt 1,5 Mio. cgt.

Der Schwerpunkt des Auftragsbestandes lag Ende 2012 auf Basis des Auftragswertes mit 80 % bei Passagierschiffen und Yachten. Auch der Offshore-Markt war mit Schiffen (Seismik-Forschungsschiffe, Windpark-Errichter- und Serviceschiffe) und Umspann-/Konverter-Plattformen f am Auftragsbestand signifikant beteiligt.

Nur nötigste Reparaturen getätigt

Obwohl die im Reparatur- und Umbaugeschäft tätigen deutschen Werften die Entwicklung der Auftragszahlen im Jahr 2012 überwiegend positiv bewerteten, sind die Auftragsvolumina der durchgeführten Reparaturen, Umbauten und Wartungen (einschließlich Bootsbau) um 8 % auf 722 Mio. € zurückgegangen. Der Durchschnitt der letzten drei Jahre betrug rund 750 Mio. € und lag damit um rund 20 % niedriger als in den Jahren 2008/09. Ursache ist die schwierige Situation der Reedereien, die durch niedrige Einnahmen und hohe Treibstoffkosten ausgelöst wurde. Dadurch bestand die Tendenz, Reparatur- und Wartungsarbeiten auf das Nötigste zu beschränken.

Insbesondere bei Großumbauten für Fähr- und Passagierschiffe sowie bei Bohr-und Produktionsschiffen für die Offshore-Öl- und Gasindustrie sind deutsche Werften sehr gut aufgestellt. Hohe Erwartungen haben die Reparatur- und Umbauwerften hinsichtlich der Diversifizierungsmöglichkeiten ihrer Tätigkeiten auf die Nachrüstung von Schiffen gesetzt, die zur Erfüllung internationaler Klima- und Umweltschutzregelungen erforderlich ist.

Marineschiffbau bleibt stabil

Das Auftragsvolumen der Deutschen Marine für Neubauten, Reparaturen/Umbauten und Wartungen blieb 2012 weitgehend stabil. Aufgrund der Haushaltseinsparungen des Bundesverteidigungsministeriums und der Verkleinerung der Flotte wird jedoch tendenziell ein Rückgang von Aufträgen der Marine befürchtet. Daher nimmt die Bedeutung von Exportaufträgen für den deutschen Marineschiffbau weiter zu. Die Exportquote der Werften, Zulieferer und Dienstleistungsunternehmen im Marineschiffbau lag bisher bei deutlich über 70 %. Der mehrjährige Werftenumsatz im Marineschiffbau liegt bei ca. 1 Mrd. € per annum.

40 Binnenschiffe abgeliefert

Der deutsche Binnenschiffbau war auch 2012 von der anhaltenden Nachfrageschwäche aus der Binnenschifffahrt geprägt. Die Nachfrage nach spezialisierten Wasserfahrzeugen für öffentliche Auftraggeber sowie die anhaltend starke Nachfrage nach innovativen Fahrgast- und Flusskreuzfahrtschiffen hat dennoch zu einem insgesamt guten Jahresergebnis geführt. Zudem haben sich in den letzten Jahren viele Werften auf anspruchsvolle Umbauten, Modernisierungen und Reparaturen für die Bestandsflotte spezialisiert. Die im Binnenschiffbau tätigen Werften lieferten im Berichtsjahr 40 Binnenschiffe im Wert von rund 224 Mio. € ab. Im Jahr 2012 konnten 33 Einheiten im Wert von rund 245 Mio. € neu hereingenommen werden. Darunter befanden sich acht Flusskreuzfahrtschiffe sowie sechs in ihrer Konzeption unterschiedliche Fahrgast- und Fährschiffe. Hinzu kamen sechs Frachtschiffe bzw. Fracht tragende Einheiten sowie 13 Hafen-, Behörden- und Sonderfahrzeuge.

Kostendruck steigt weiter

Durch den intensivierten Wettbewerb steigt der Kostendruck der Werften unterdessen weiter. Die oft mit umfassender staatlicher Unterstützung arbeitenden Wettbewerber insbesondere in den asiatischen Schiffbauländern versuchen nun auch in Marktnischen vorzudringen. Die dort mit atemberaubender Geschwindigkeit entstandenen Kapazitäten ist bei der derzeitigen schwachen Nachfrage nicht mehr auszulasten. Viele Werf­ten müssten aus Sicht des VSM als Inves­titionsruinen enden, doch die Hilfsmaßnahmen z. B. der koreanischen und chinesischen Regierungen würden die notwendigen Kapazitätsanpassungen verschleppen – mit erheblichen Auswirkungen auch auf die internationalen Schifffahrts- und Schiffbaumärkte.

Ein Subventionswettlauf sei keine Antwort, so der Verband. Gleichzeitig bleibe eine kluge Gestaltung der Rahmenbedingungen am Standort Deutschland Voraussetzung für den nachhaltigen Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit in dem Wachstumsmarkt maritime Industrie.

Aus dieser Konstellation leitet der VSM die Kernforderungen der Industrie ab: Innovationskraft stärken, wettbewerbsfähige Finanzierung sicherstellen, Kosten am Standort Deutschland reduzieren.

Nadelöhr Finanzierung

Die Verfügbarkeit von Bauzeitfinanzierungen für die Werften durch Kredite und Avale sei eine entscheidende Vorbedingung für das Einholen von Neubauaufträgen, betonte der Verband. Garantie- und Bürgschaftsinstrumente öffentlicher Institution spielten dabei eine zentrale Rolle. So müsse dringend eine Anpassung bestehender Instrumente an das veränderte Produktportfolio erfolgen und die Diskriminierung von Inlandsaufträgen bei den Absicherungsmöglichkeiten beseitigt werden. Zudem gehören dem VSM zufolge die Konditionen bestehender Instrumente wie z. B. des CIRR-Programms auf den Prüfstand. »Ein OECD-konformes Instrument zur Herstellung der Wettbewerbsneutralität darf nicht durch erhobene Aufschläge Wettbewerbsnachteile schaffen«, erklärte VSM-Hauptgeschäftsführer Lüken. »Weiter müssen endlich öffentliche Finanzierungsinstitutionen zur erfolgreichen Gestaltung der Energiewende auch im Offshore-Bereich direkt in entsprechende Bauzeit- und Endfinanzierungen von Spezialschiffen und Offshore-Strukturen aktiv werden.«

Diversifizierung und Systemintegration

Aus Sicht eines Werftmanagers berichtete Vitaly Yusufov, Geschäftsführer der Nordic Yards, über die aktuelle Branchenlage. Der Russe betonte, dass ein Schiffbauer heutzutage nur als Systemintegrator erfolgreich sein könne. Dies sei eine Voraussetzung, um solch komplexe Produkte wie etwa die Umspannplattformen für die Offshore-Windindustrie kontrahieren und bauen zu können. Allerdings müsse besonderes Augenmerk darauf gerichtet werden, dass die Aufträge auch ausreichende Margen abwerfen. Sonst könne nicht in F&E inves­tiert und neue, innovative Produkte entwickelt werden. »Heutige Aufträge sind mit zuweilen 100 bis 200 Mio. € deutlich größer als in der Vergangenheit, was einen erhöhten Finanzierungsaufwand nach sich zieht. Deshalb werden staatliche Unterstützungsinstrumente immer wichtiger, insbesondere Bauzeitfinanzierungen«, so Yusufov. Nordic Yards hat jüngst Bestellungen verbucht für ein Windanlagen-Serviceschiff, zwei eisbrechende Bergungs- und Serviceschiffe sowie eine Offshore-Umspannplattform für den Energiekonzern Alstom. Das kumulierte Auftragsvolumen soll bei rund 900 Mio. € liegen, weshalb die Werft auf weitere Landesbürgschaften für Bankkredite hofft.

Wichtig sei es für Unternehmen zudem, sich zu diversifizieren, so Yusufov. »Nur mit einem Hauptprodukt hat man keine tragfähige Existenz«, unterstrich der Werftmanager, der mit Nordic Yards neben Offshore- und eisfähigen Schiffen sowie Umspannplattformen künftig auch weiterhin Passagierschiffe bauen möchte.


nis/VSM