Ein knorriger Charakter

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Es wird oft vergessen, dass hanseatische Kaufleute, gemeinhin etwas abschätzig auch »Pfeffersäcke« genannt, nicht nur bewundernswerte Leistungen bei dem Aufbau[ds_preview] ihrer Unternehmen erbracht haben – stets unter persönlicher Führung und mit ihrem eigenen Geld. Sie haben sich aber auch als Mäzene hervorgetan – meistens mit der gewohnten hanseatischen Zurückhaltung, ohne die »große Glocke« zu benutzen und oft gleichfalls mit ihrem eigenen Geld. Zu diesem Typus gehört unzweifelhaft Carl Laeisz. Der 1828 in Hamburg geborene Carl Laeisz trat 1852 als Teilhaber in die von seinem Vater Ferdinand Laeisz gegründete Firma F. Laeisz ein und prägte deren Entwicklung in den folgenden Jahrzehnten entscheidend. Auf ihn geht auch die bis heute gültige Tradition zurück, allen unter der Flagge des Hauses fahrenden Schiffen Namen zu geben, die mit »P« beginnen. Das erste war 1857 der kleine Segler »Pudel«, benannt nach dem Spitznamen seiner Frau Sophie, die diesen wegen ihrer sehr krausen Haarpracht erhalten hatte. Berühmt, ja gar legendär, wurden später die Großsegler der Reederei als »Flying P-Liner« wegen ihrer außergewöhnlich schnellen Reisen vor allem mit Salpeter aus Chile oder Weizen aus Australien.

Carl Laeisz nun, unter anderem Mitbegründer, Initiator und Teilhaber anderer großer Reedereien, galt nicht nur als erfolgreicher Kaufmann und Reeder, der sehr auf die Finanzen achtete, sondern vom Charakter her auch als sehr knorrig und direkt, aber immer auf die Sache

zugerichtet und durchaus im Grunde genommen freundschaftlich. Dazu nur zwei Episoden.

Sehr verbunden war er unter anderem mit dem damals noch jungen Unternehmen Blohm & Voss und offensichtlich besonders als »väterlicher Freund« mit Hermann Blohm, der damals noch bei den Reedereien »Klinken putzte«, um Aufträge heranzuschaffen. Der besuchte ihn eines Tages in dieser Angelegenheit, so etwa 1886, in seinem Kontor – und Carl Laeisz fragte, gleich zur Sache kommend, jovial, das Gesicht bereits eingerahmt von einem schneeweißen Backenbart: »Tja, da braucht ihr wohl mal wieder einen Auftrag von Laeisz, wie?« Wandte sich zu seinem Buchhalter: »Wie viel haben wir denn auf unserem Konto?« Und wenn die Antwort befriedigend war, d.h. wenn das Konto gefüllt genug war, konnte sich Blohm einen neuen Auftrag einstecken.

Mit Blohm & Voss verband ihn, wie auch mit anderen Unternehmen, bei denen er engagiert war, viel. So wurde er nach der Umwandlung der Werft in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) 1891 deren erster Aufsichtsratsvorsitzender. Dabei hatte er doch stets gegenüber Aktien­gesellschaften eine besondere Einstellung. Das bewies er einmal, als er bei gegebener Gelegenheit Albert Ballin, den schon zu der Zeit erfolgreichen Chef der Hamburg-Amerika Linie, barsch anblaffte, dass eine Reederei nicht dazu da sei, um Dividende zu verdienen – wie die Hapag als Aktiengesellschaft –, sondern um Schifffahrt zu betreiben. Der konzi­liantere Albert Ballin ließ ihm daraufhin bei passendem Anlass eine entsprechende Zeichnung überreichen. Was Blohm & Voss betraf, so betrachtete er sogar das Drucken von Dividendenbögen als überflüssige Geldverschwendung. Dass er dennoch den von ihm begleiteten Unternehmen vertraute, zeigte er wiederum bei Blohm & Voss, wo er nicht nur den Aufsichtsratsvorsitz, sondern sogar 300.000 Mark an Obligationen übernommen hatte. Insgesamt war Laeisz also eine herausragende Gestalt der Schifffahrts­geschichte, nicht nur der deutschen. Um aber auf den Eingang zurückzukommen: Carl Laeisz verstarb im Alter von fast 73 Jahren am 22. März 1901 in Hamburg. Testamentarisch vermachte er seiner Heimatstadt Hamburg 1,2 Mio. Mark »zur Erbauung einer Musikhalle«. Diese Summe wurde von seiner Witwe Sophie (Pudel) nachträglich auf 2 Mio. Mark aufgestockt. Diese zwischen 1904 und 1908 entstandene »Laeisz-Halle« ist nach wie vor ein Kleinod im Hamburger Musikgeschehen. Es ist wert, dass man sich des knorrigen Kaufmanns und Reeders erinnert.


Hans-Jürgen Witthöft