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Die durch die International Maritime Organisation vorgeschriebene Absenkung der Grenzwerte in Abgasen von Schiffantriebsanlagen wird große Auswirkungen auf die Schifffahrt haben. Als Alternative zur Verwendung von schwefelarmen Kraftstoffen hat das finnische Unternehmen Wärtsilä Abgasentschwefelungsanlagen entwickelt und im Einsatz, über die Matthias Hagedorn berichtet
1. Einführung

Der weltweite Verbrauch von Schweröl in der Schifffahrt wird mit ca. 350 Mio. t im Jahr angenommen[ds_preview]. Bei der Verbrennung in den Schiffsdieselmotoren und Kesseln reagiert der im Schweröl enthaltene Schwefel mit dem Sauerstoff in der Luft zu den Schwefelverbindungen SO2 und SO3 und wird an die Umwelt abgegeben.

Zur Reduzierung der Schwefeloxidemissionen wurde in den zurückliegenden Jahren zunächst der Schwefelanteil im Kraftstoff global von 4,5 % auf 3,5 % reduziert. Die zeitliche Einführung der Schwefelreduktionen sowie die darüber hinaus in speziellen Fahrtgebieten und den europäischen Häfen geltenden Schwefelgrenzwerte sind in Abb. 1 dargestellt.

1.1. Emission Control Areas

Die Weltschifffahrtsorganisation IMO de­finiert seit 2012 ein globales Limit für den Schwefelgehalt in Kraftstoffen von 3,5 %. Das Internationale Übereinkommen von 1973 und 1978 (MARPOL 73/78 Anlage VI) beinhaltet, dass Mitgliedsländer für spezielle Seegebiete strengere Grenzwerte für den Schwefelaustausch definieren können.

Somit wurden die Gebiete Nord- und Ostsee und der Ärmelkanal sowie eine 200-Seemeilen-Zone entlang der nordamerikanischen Atlantik- und Pazifikküsten als Emission Control Areas (ECAs) erklärt. Die gültigen Grenzwerte und Zeitpunkte der Einführung für die ECA-Zonen sind ebenfalls in Abb. 1 aufgeführt.

Weitere Regionen wie das Mittelmeer, das Schwarze Meer, die Küstengebiete von Australien, Hawaii, Alaska und Südkorea sind in der Diskussion über die Einführung von strengeren Grenzwerten für den Schwefelgehalt.

Die Maßnahmen nach MARPOL Anlage VI bewirken für den Schiffsbetrieb erhebliche Veränderungen und erhöhte Kraftstoffkosten. Statt Schweröl ist in den ECA-Zonen schwefelarmes Schweröl und ab dem Jahr 2015 Gasöl oder schwefelarmes Marinedieselöl (MDO) zu bunkern.

Als Alternative zu schwefelreduzierten Kraftstoffen erlauben die IMO und die EU auch eine Entschwefelung der Abgase, vorausgesetzt, dass mit der Abgasentschwefelung die gleiche Schwefeloxidkonzentration im Abgas nachgewiesen wird als wenn ein schwefelreduzierter Kraftstoff zum Einsatz kommen würde.

2. Konzepte zur Entschwefelung der Schiffsabgase

Für die Einhaltung der Grenzwerte bei der Schwefelemission gibt es im Wesentlichen vier Ansätze (Abb. 2).

Welcher Lösungsansatz für die jeweiligen Reedereien zum Tragen kommt, kann nur im Einzelfall und abhängig von den Projektparameten entschieden werden. Kriterien wie Neubau, Nachrüstung bei bestehenden Schiffen, Alter des Schiffes, Einsatzzeit im ECA-Gebiet, Maschinenleistung sowie der Preisunterschied von entschwefeltem zu schwefelhaltigem Kraftstoff entscheiden über die technisch und wirtschaftlich beste Lösung.

Für das Konzept der Abgasentschwefelung auf Schiffen hat die Schiffbauzulieferindustrie mit dem Trocken- und Nasswäscher zwei Verfahren aus dem Kraftwerksbau übernommen und für den Einsatz in der Schifffahrt weiterentwickelt. Bei dem »trockenen« Entschwefelungsverfahren wird der Abgasstrom durch einen mit Kalkgranulat-Pellets gefüllten Festbett-Absorber geleitet.

Bei der »nassen« Entschwefelung wird entweder im offenen oder geschlossenen System das natürliche Absorptionsvermögen von Meer- beziehungsweise Frischwasser für die Entschwefelung der Abgase genutzt. Auslegungskriterien für die nasse Abgasentschwefelung sind:

• Einsatz von Kraftstoffen bis 3,5 % Schwefelanteil,

• Senkung des Schwefelgehalts im Abgas auf unter 0,1 % in allen Betriebspunkten,

• Dauerbetrieb bis zu 100 % Maschinenleistung,

• weltweiter Einsatz.

2.1. Scrubber: Entschwefelung im offenen Konzept

Im offenen Entschwefelungsprozess wird Seewasser als Medium zur Entschwefelung der Abgase genutzt: Ausgenutzt wird hierbei das natürliche Reaktions- und Neutralisa­tionsvermögen des Seewassers. Als Endprodukt des Entschwefelungsprozesses ist der im Abgas oxidierte Schwefel in Calciumsulfat (CaSO4, bekannt als Gips) umweltverträglich gebunden.

Die technische Umsetzung des chemischen Prozesses ist in Abb. 3 dargestellt. Das Abgas der Motorenanlage wird hierbei durch die Scrubber-Einheit geleitet und mit Seewasser besprüht. Feinster Wassersprühnebel gewährleistet, dass die Schwefeloxide aus dem Abgas ausgewaschen werden. Das Prozesswasser wird nach dem Verlassen der Scrubber-Unit in einem Tank beruhigt und in einer Water-Treatment-Anlage gereinigt. Ein Monitor überwacht die Einleitung des Prozesswassers und die Einhaltung der dafür vorgesehen Kriterien.

Die SO2/CO2-Überwachungsmethode durch den Laser-Gas-Analyser ermöglicht eine direkte Überwachung der Abgasemissionen und die Einhaltung der Schwefelgrenzwerte.

2.2. Scrubber: Geschlossenes System mit Frischwasser

Bei diesem Konzept wird Frischwasser in einem geschlossenen Kreislauf zur Abgasentschwefelung genutzt. Die chemischen Prozesse sind denen im offenen Kreislauf gleich. Durch die teilweise Verdampfung des Prozesswassers und die Aufkonzentration von Feststoffen muss dem Prozess kontinuierlich Frischwasser zugeführt werden und gleichzeitig Prozesswasser zur Reinigung (Bleed Off Treatment) entnommen werden.

Um die Verdampfungsrate zu reduzieren kann ein mit Seewasser beaufschlagter Rückkühler in den Waschwasserkreislauf eingebunden werden. Zur Vermeidung der Aufkonzentration (»Aufdickung«) des Prozesswassers wird in einem Teilstrom Waschwasser durch die sogenannte Bleed Off Treatment Unit geführt und gereinigt.

Das gereinigte Waschwasser kann entweder in einem Puffertank im »Zero Discharge Mode« zurückgehalten oder von Bord gegeben werden. Die Überwachung und Einhaltung der Kriterien zur Einleitung von Waschwasser wie pH-Wert, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Trübung und Temperatur übernimmt das »Effluent Monitoring«-Modul.

Zur Regelung des pH-Wertes im Waschwasser wird in Abhängigkeit vom Schwefelgehalt des eingesetzten Kraftstoffes und der Maschinenleistung durch das »Alkali Feed«-Modul« dem Waschwasser Caustic Soda (NaOH) zugemischt. Das Anlagenkonzept ist in Abb. 4 schematisch dargestellt.

2.3. Hybrid-Scrubber: Offenes und geschlossenes Konzept

Das hybride Scrubber-Konzept verbindet die vorgestellten offenen und geschlossenen Systeme. Der Hybrid-Scrubber aus dem Hause Wärtsilä verwendet als Prozesswasser ausschließlich Seewasser. Der Hybrid-Scrubber gibt dem Betreiber ein Höchstmaß an Flexibilität bei gleichzeitiger Einhaltung aller Kriterien zur Einleitung von Waschwasser. Abb. 5 zeigt das komplette Anlagenschema.

3. Ausgeführte Anlagen

Die erste industrielle Frischwasser-Entschwefelungsanlage hat Wärtsilä im Jahr 2008 auf dem Tanker »Suula« installiert. Die erfolgreiche Testphase wurde 2010 abgeschlossen. Alle wesentlichen Designkriterien wurden in der Praxis bestätigt.

Im Jahr 2011 wurde im Rahmen eines Nachrüstungsprojektes auf dem Feederschiff »Containerships VII« eine Wärtsilä-Frischwasser-Scrubber-Anlage für eine Maschinenleistung von 12.000 kW nachgerüstet (Abb. 6). Die erforderliche Werftliegezeit konnte durch die Vorfertigung eines Modulträgers zur Aufnahme der Scrubber-Unit sowie den Einsatz eines Containers für die Systemkomponenten auf ein Minimum reduziert werden.

Ferner wurde in der Zeit von 2006 bis 2010 ein offener Seewasser-Scrubber durch Hamworthy/Krystallon auf dem Kreuzfahrtschiff »Zaandam« der Holland America Line erfolgreich installiert und erprobt. Der installierte Frischwasser-Scrubber für das Diesel­aggregat Nr. 5 erbrachte den Nachweis, dass der Schwefelausstoß um 97 % und die Partikelemission (PM) um bis zu 85 % reduziert werden konnten.

Das 5.510 TEU fassende Containerschiff »APL England« wurde vor zwei Jahren mit einem integrierten offenen Seewasser-Scrubber von Hamworthy/Krystallon für drei Bordaggregate (je 3.270 kW) in Betrieb genommen. Die Installation konnte erfolgreich den Nachweis erbringen, dass der Seewasser-Scrubber unter allen Betriebsbedingungen (See- und Hafenbetrieb) sowohl die Abgasgrenzwerte der IMO als auch die Kriterien für das Einleiten von Waschwasser der Richtlinie für Abgasreinigungssysteme erfüllt.

Zurzeit wird der Autotransporter »Tamesis« (39.500 dwt) der Reederei Wilhelmsen mit einer Hybrid-Seewasser-Scrubber-Anlage für die Hauptmaschine und Bordaggregate nachgerüstet. Die Anlage ist für eine Gesamtmotorenleistung von ca. 30.000 kW ausgelegt und soll zu einer Schwefelreduktion von 97 % und einer Partikelsenkung von 85 % führen (Abb. 7). Die Inbetrieb­nahme und Einbindung der Anlage in den Schiffbetrieb ist noch für die zweite Hälfte 2013 geplant.

Das Unternehmen Hamworthy wurde im Januar 2012 von der Wärtsilä Corporation übernommen. Das technische Know-how ist erfolgreich integriert worden und das Scrubber-Produktportfolio wird als Wärt­silä Hamworthy weitergeführt.

Mitte 2013 entschied sich die Fährreederei Color Line, die »Super Speed 2« mit vier offenen Seewasser-Scrubbern nachzurüsten. Die »Super Speed 2« verbindet die Häfen Larvik (Norwegen) und Hirtshals (Dänemark) und hat eine Kapazität für 1.900 Passagiere und 764 Autos bzw. 117 Lkw.

Vier RoRo-Neubauten (45.000 dwt) mit offenem Scrubber-Konzept für die Reede­-

rei Messina, acht Bulker für die Reederei Algoma mit Frischwasser-Scrubbern sowie Kreuzfahrtschiffsneubauten mit Hybrid-Scrubber-Konzept sind nur ein Auszug aus einer Vielzahl von Projekten, die Wärtsilä bis Ende 2014 installiert haben wird und die das Unternehmen führend in der Abgasentschwefelung für die Schifffahrt macht.

4. Zusammenfassung

Die Richtlinie der IMO bezüglich der Grenzwerte für die Schwefelemission stellt die Reeder schon heute für die fahrende Flotte und auch zukünftige Neubauten vor große Herausforderungen bei der Entscheidung, ob der Schiffsbetrieb mit unterschiedlich schwefelhaltigen Kraftstoffen oder alternativ durch den Einsatz einer Abgasentschwefelungsanlage durchgeführt werden soll. Basierend auf den umfangreichen Tests und Erprobungen im Schiffsbetrieb in den Jahren 2006 bis 2010 konnte Wärtsilä/Hamworthy den Nachweis in der Praxis erbringen, dass der Scrubber als offenes, geschlossenes und hybrid eingesetztes System eine wirtschaftliche und technische Alternative zur Umstellung der Kraftstoffe darstellt.

Autor:

Matthias Hagedorn

Sales Manager Ship Power

Wärtsilä Deutschland


Matthias Hagedorn