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Für Errichtung und Betrieb von Offshore-Windparks werden zahlreiche Spezialschiffe

benötigt. Allerdings werden diese Schiffe unter dem deutschen Tonnagesteuerregime nicht begünstigt. Anders sieht das in den Niederlanden aus, erläutert Andreas Fieber
Im Rahmen der Energiewende wird zurze[ds_preview]it eine im Wesentlichen politisch getriebene Diskussion geführt, da es auch um die Höhe der für jedermann spürbaren Stromkosten geht. Je nachdem, welchen Vorschlag man zur Begrenzung des Anstiegs der Stromkosten umsetzt, sind am Ende möglicherweise auch die Betreiber von Windenergieanlagen betroffen, die dann weniger Subventionen erhalten. Offshore-Windparks müssen unter dem Einsatz von speziell ausgerüsteten Schiffen aufgebaut und unterhalten werden.

Hier bietet sich manchen deutschen Reedereien ein neues Betätigungsfeld für an anderer Stelle vielleicht weggebrochene Einkünfte. Allerdings ist auch dieses Geschäftsfeld nur dann attraktiv, wenn die Kosten mit einer Gewinnmarge an die Betreiber von Windparks weitergegeben werden können. Deren Gewinnsituation dürfte sich trotz eines gesellschaftlichen Bekenntnisses zum Ausbau alternativer Energien infolge der Strompreisdiskussion in absehbarer Zeit nicht verbessern.

Die für Reeder in der internationalen Handelsschifffahrt zur Verfügung stehende deutsche Tonnagesteuer kann für die zum Aufbau und Betrieb von Windenergieanlagen eingesetzten Schiffe (Service- und Errichterschiffe) nicht zur Verminderung des Kostendrucks eingesetzt werden, da diese Schiffe – anders als z.B. in den Niederlanden – nicht dem Anwendungsbereich der deutschen Tonnagesteuer, der auf die Handelsschifffahrt beschränkt ist, unterliegen.

Vorteile der niederländischen Tonnagesteuer

Das niederländische Tonnagesteuersystem tut sich mit der Einbeziehung von der Handelsschifffahrt verwandten Geschäftsfeldern leichter. Zum einen reicht es im Grundsatz schon aus, dass ein Schiffstransport von Waren und Menschen auf See stattfindet (damit sind alle Gewässer außerhalb der Küstenlinie gemeint einschließlich der tidenbeeinflussten Teile der Elbe, Weser und Ems sowie der Nord-Ostsee-Kanal; EU-Richtlinie 13/2004 vom 8. Dezember 2003). Ein Transport zwischen den Häfen verschiedener Länder bzw. nur zwischen ausländischen Häfen und der Hohen See ist nicht erforderlich. Insbesondere erstreckt sich die niederländische Regelung auf die Versorgung von Ölplattformen und Offshore-Windparks. Darüber hinaus qualifizieren sich die nachfolgend aufgeführten Schiffstypen für die niederländische Tonnagebesteuerung. Bei diesen Multipurpose-Schiffen erstreckt sich die Einbeziehung in den Tonnagesteuergewinn auf die Einkünfte aus dem Transport von Gütern oder Menschen und es ist eine entsprechende Aufteilung erforderlich:

• Forschungsschiffe

• Kabel- und Pipelineleger

• Kran- und Dockschiffe

• Baggerschiffe, wenn sie mindestens zu 50 % für den Transport des ausgebaggerten Materials genutzt werden

• Schlepper (außer Hafenschlepper) und Schiffe für die Versorgung auf See

• Alle Tätigkeiten, die sich unmittelbar auf die zuvor genannten Tätigkeiten beziehen, sind ebenfalls begünstigt

Im Ergebnis wird der maritime Bereich in den Niederlanden damit weiter definiert als im deutschen Tonnagesteuersystem, obwohl primär die Förderung der niederländischen Schifffahrt im Vordergrund steht. Das sich in den letzten Jahren neu entwickelnde Geschäftsfeld des Aufbaus und der Versorgung von Offshore-Windparks lässt sich dort problemlos integrieren. Die Bereederung als zentrale Aufgabe des in den Reedereien beschäftigten Personals muss lediglich zu 30 % (oder mehr) in den Niederlanden vorgenommen werden und gleichzeitig können wie in Deutschland die Reedereiaufgaben auf verschiedene verbundene Unternehmen verteilt werden. Ob für Einkünfte dieser Unternehmen dann auch die Tonnagesteuer in Anspruch genommen werden kann, wäre in Deutschland wie in den Niederlanden gesondert zu prüfen.

In den Niederlanden wird für die Bereederung insbesondere auf das strategische und kaufmännische Shipmanagement abgestellt. Damit dürften die niederländischen Reedereien flexibler mit dem in der gegenwärtigen Krise bestehenden Kostendruck umgehen können, ohne die Begünstigung der Tonnagesteuer zu verlieren.

Begünstigung über zehn Jahre

Wie in Deutschland werden von der niederländischen Tonnagesteuer Einkünfte aus dem Betrieb von Seeschiffen über einen Zeitraum von zehn Jahren einschließlich der Veräußerung der Schiffe begünstigt. Der Betrieb von Seeschiffen umfasst den Einsatz von eigenen (rechtliches oder wirtschaftliches Eigentum) oder (bareboat) gecharterten Schiffen. Bei den Anforderungen an die Flagge ist die niederländische Regelung flexibel. Es ist lediglich eine EU/EWR-Flagge für das Schiff erforderlich und zudem ist eine Schiffsregistrierung in den Niederlanden entbehrlich. Seit 2012 gibt es unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen von der EU/EWR-Flagge. So kann zum Beispiel darauf verzichtet werden, wenn im Einzelfall die vom steuerpflichtigen Reeder betriebene Tonnage bereits zu 60 % unter einer EU/EWR-Flagge betrieben wird oder die Niederlande im Hinblick auf die insgesamt unter einer EU/EWR-Flagge betriebene Schiffsflotte niederländischer Reeder eine allgemeine Befreiung aussprechen.

Um die niederländische Tonnagesteuer in Anspruch zu nehmen, muss eine Steuerpflicht in den Niederlanden bestehen, die auch an eine Betriebsstätte anknüpfen kann. Mit der beschränkten oder unbeschränkten Steuerpflicht in den Niederlanden verbunden ist die Besteuerung des Gewinns aus dem Schifffahrtsbetrieb durch die reguläre niederländische Einkommensteuer für natürliche Personen mit einem progressiven Steuersatz bis 52 % oder für Kapitalgesellschaften die Körperschaftsteuer mit 25 % (20 % für Gewinne bis 200.000 €). Die Be­steuerungsbasis ist trotz der scheinbar unterschiedlichen Höhe der Beträge grundsätzlich vergleichbar mit der deutschen Ton­­­nage­steuer (siehe Tabelle oben).

Planungssicherheit garantiert

Da die niederländische Finanzverwaltung für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft zu den einzelnen Kriterien der Tonnagesteuer und dem geplanten Einsatz von Schiffen sowie den Steuerfolgen eines bestimmten Sachverhalts keine Gebühren

erhebt, kann eine geplante Investition im Vorwege mit den niederländischen Steuerbehörden besprochen und durch eine solche verbindliche Auskunft im Wesentlichen abgesichert werden. Wenn der geplante Sachverhalt verwirklicht wird, kann dann später nicht von der Finanzverwaltung eine abweichende Besteuerung durchgeführt werden. Das gibt dem Steuerpflichtigen bereits im Vorwege eine hohe Planungssicherheit.

Angesichts der geografischen Nähe zu den Niederlanden läge es für eine deutsche Reederei, die sich in dem Geschäftsfeld der Offshore-Windenergie engagieren möchte, nahe, sich die niederländische Tonnagesteuer zunutze zu machen. Neben den Voraussetzungen der niederländischen Tonnagesteuer sind natürlich Überlegungen hinsichtlich der deutschen Besteuerung des Schifffahrtsbetriebes sowie des Rückflusses der in den Niederlanden erzielten Gewinne anzustellen. Nicht zuletzt sind hiermit eine Reihe organisatorischer Maßnahmen verbunden.

In jedem Einzelfall zu prüfen sind die Bestimmungen des Doppelbesteuerungs­abkommens mit den Niederlanden, um eine doppelte Erfassung der Einkünfte aus dem Betrieb dieser Schiffe zu vermeiden, denn über das strategische und kaufmännische Shipmanagement erfolgt in jedem Fall eine Anknüpfung des Steuerrechts der Nieder­lande.

Daneben darf man nicht außer Acht lassen, dass das deutsche Außensteuergesetz unter bestimmten Umständen auch Erträge ausländischer Kapitalgesellschaften der deutschen Besteuerung unterwirft. Angesichts der in den letzten Jahren in ganz Europa gesunkenen Ertragssteuersätze und der erheblichen Begünstigung der Schifffahrtserlöse durch die Tonnagesteuer dürfte die effektive Besteuerung der Erträge aus der Seeschifffahrt in Deutschland wie in den Niederlanden unter dem für das Außensteuergesetz maßgeblichen effektiven Satz von 25 % liegen, sodass die eigentlich für niedrigbesteuerte Einkünfte aus sogenannten Steueroasen konzipierte Regelung prinzipiell Anwendung finden könnte.

Hier sind die niederländischen Anforderungen an das Shipmanagement und die deutschen Ausnahmevorschriften des Außensteuergesetzes jedoch sorgfältig hinsichtlich des Aufbaus und der Aufgabenverteilung innerhalb der beteiligten Organisationen abzustimmen, um eine wirtschaftlich nachteilige Doppelbesteuerung in beiden Systemen auszuschließen. Denkbar ist auch, diese Aufgabe durch eine bereits bestehende niederländische Organisation im Rahmen eines Joint Ventures unter dem krisenbedingten Stichwort der Marktbereinigung wahrzunehmen.

Soweit für einzelne Dienstleistungen die deutsche Reedereiorganisation eingesetzt wird, ist auch an die Vereinbarung von Entgelten gemäß den Vorgaben eines Fremdvergleiches zu denken sowie an die sich daran anknüpfende Dokumentation, die zur Vermeidung von Verzögerungsgeldern in der nächsten Betriebsprüfung zeitnah zu erstellen ist. Für die Rückführung des durch den niederländischen Geschäftsbereich erzielten Gewinns ist nach der Eigenschaft des Empfängers, natürliche Person oder Kapitalgesellschaft, zu unterscheiden.

Besteuerung einer BV

Im Hinblick auf die üblichen Strukturen ausländischer Investments sei angenommen, der niederländische Schifffahrtsbetrieb wird in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft (BV) geführt. Die tonnagebesteuerten Erträge der BV können dann im Wege einer Dividende nach Deutschland ausgeschüttet werden. Die Besteuerung für den Gesellschafter der BV richtet sich danach, ob es sich um eine Kapitalgesellschaft handelt oder eine natürliche Person. Hieran schließt sich eine unterschiedliche Besteuerung der Dividende sowie bei Kapitalgesellschaften die Frage einer eventuellen Freistellung der Dividende von niederländischer Quellensteuer an.

Diese Schilderung verdeutlicht, dass die niederländische Tonnagesteuer im Bereich der Offshore-Windenergie eine attraktive Option ist, es aber für einen deutschen Reeder einiges zu beachten gilt, um die Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen. Andererseits sind gerade Reedereien traditionell mit dem Aufbau einer internationalen Organisationsstruktur vertraut und eine Umstrukturierung innerhalb der EU ist in den vergangenen Jahren leichter geworden.

Erweiterung der deutschen Tonnagesteuer?

An dieser Stelle stellt sich daher aus deutscher Sicht die Frage, ob nicht eine Erweiterung der deutschen Tonnagesteuerregeln eine Möglichkeit wäre, um der deutschen maritimen Wirtschaft in diesem Geschäftsfeld den Wettbewerb mit anderen europäischen Reedern zu ermöglichen und andererseits den Plan, Offshore-Windenergie als wichtigen Teil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien zu verfolgen, zu unterstützen.

Der Schifffahrtstandort Deutschland unterliegt derzeit in vielfacher Hinsicht erheblichen Umwälzungen aufgrund der Überkapazitäten an Schiffsraum, der Verlagerung der globalen Warenströme aus der traditionellen Ost-West- oder Nord-Süd-Richtung in den asiatischen und südamerikanischen Raum und nicht zuletzt der Finanzierung des Schifffahrtsbetriebes.

In welchem Ausmaß dies die deutsche maritime Wirtschaft zur Anpassung zwingen wird, ist in allen Einzelheiten noch gar nicht abzusehen. Deutschland hat sich gerade im maritimen Bündnis zum Schifffahrtsstandort Deutschland bekannt und einen Rekordbetrag für die Förderung der Ausbildung und Beschäftigung bereitgestellt. Der Verband Deutscher Reeder hat die Stiftung »Schifffahrtsstandort Deutschland« gegründet, um die Ausbildung von Schiffsmechanikern und Offiziersassistenten zu fördern. Dabei geht es auch um die Sicherung von Know-how für das gesamte maritime Cluster. In diesem Sinne wäre es begrüßenswert, wenn sich die Anstrengungen zum Einsatz erneuerbarer Energien auch im Bereich der Schifffahrt niederschlagen würden, denn ohne Schiffe können Offshore-Windparks nicht realisiert werden. Sofern sich deutsche Reeder diesem Wettbewerb nicht erfolgreich stellen können, werden die Schifffahrts­unternehmen anderer Länder zum Zuge kommen.

An den Betrieb der Schiffe knüpft sich der Einsatz sowohl von Personal an Bord wie auch an Land. Im Vergleich zu den traditionellen Geschäftsfeldern der Schifffahrt mutet das Potenzial in diesem Bereich zurzeit noch nicht sehr groß an, andererseits werden erneuerbare Energien angesichts sinkender Ressourcen fossiler Energie ein globales Thema. Hier bestünde die Chance, Teilen der maritimen Industrie die Verwertung des Know-how bzw. dessen Aufbau zu sichern. Dies betrifft nicht nur die Reeder, sondern auch Werften, denn die Spezialschiffe, die in diesem Bereich benötigt werden, müssen zum Teil erst noch gebaut werden.

Kein Tatbestand der Steuerflucht

Tonnagesteuersysteme sind in der EU seit Ende der neunziger Jahre verbreitet und gehören in der Besteuerung der Handelsschifffahrt mittlerweile zum europäischen Standard. Alle zielen auf die Unterstützung des nationalen Schifffahrtsstandortes unter Berücksichtigung der Mobilität dieses Wirtschaftszweiges ab. Auch wenn die Tonnage­besteuerung regelmäßig eine erhebliche

Reduzierung der Steuerlast auf den Schifffahrtsbetrieb für die Reeder bedeutet, muss man sich vor Augen führen, dass zumindest alle Regelungen in der EU mit den Beihilfe­regelungen des EU-Vertrages konform gehen müssen. Die Einbeziehung der Transportleistungen im Rahmen der Errichtung und Versorgung von Offshore-Windparks in die niederländische Tonnagesteuer, ohnehin Vorbild für die deutsche Tonnagesteuer, entspräche daher den Regeln der

Europäischen Gemeinschaft. Die regel­konforme Nutzung eines anderen europäischen Steuersystems sollte daher nicht per se einer Flucht in eine Steueroase gleich­gesetzt werden. Auch hier wird die Entwicklung der Schifffahrtsmärkte zeigen, ob die globale Verlagerung der Warenströme und Transportkapazitäten am Ende nicht auch zu einem Wettbewerb der jeweiligen nationalen Besteuerungs- und Abgabenregeln führen wird. Denn die Kosten eines Schifffahrtsbetriebs sind weitgehend internationalisiert. Lediglich die Ertragsbesteuerung wird national festgelegt.

Im Ergebnis kann sich für den maritimen Standort Deutschland in der sich derzeit rasant ändernden wirtschaftlichen Lage auch der Blick über die Grenze lohnen, um günstige Rahmenbedingungen für ein zwar begrenztes, aber neues Geschäftsfeld zu schaffen, das darüber hinaus auch einen Beitrag zur Umsetzung der deutschen Energiepolitik leistet.

Autor: Andreas Fieber

Rechtsanwalt und Steuerberater

KPMG, Hamburg

Der Autor dankt Harrie van Duin,

Steuerpartner bei KPMG Meijburg in

Rotterdam, für die Mitwirkung

Andreas Fieber