1986war ein ganz besonderes Jahr für Torsten Conradi. Der Schiffbauingenieur aus Bremen feierte seinen 30. Geburtstag, heiratete[ds_preview] seine Frau Claudia, wurde Partner im Yachtdesignbüro Judel/Vrolijk & Co – und er taufte das erste Schiff, das er selbst entwickelt hatte. Den Auftrag dazu hatte er im Jahr zuvor von einem ganz besonderen Kunden bekommen: Sein Vater Egmont wollte sich eine Yacht konstruieren lassen, mit der man sowohl Regatten segeln als auch Urlaub machen konnte. Für die Entwicklung und das Design des Schiffes, das schließlich auf der Wegener Jachtwerft in Wedel gebaut wurde, engagierte Conradi Senior seinen Sohn.
»Ich fand es damals sehr bemerkenswert, dass mein Vater mir in dem Alter und ohne konkrete Vorerfahrungen in diesem Bereich das Vertrauen geschenkt hat«, sagt Torsten Conradi rückblickend. »Das war mein erstes eigenes Projekt, darum ist da natürlich besonders viel Herzblut reingeflossen.« Kein Wunder also, dass die Yacht seine Liebste wurde. Bis heute ist sie es geblieben. »Esta« heißt die Gute, benannt nach den Anfangsbuchstaben der vier Söhne des Auftraggebers: Egmont, Sören, Torsten und Aeuke. Konstruiert als Cruiser Racer, ist das Schiff 11,4 m lang, 3,7 m breit und hat am Wind eine Segelfläche von 76 m². Das Besondere
an der »Esta« ist, dass sie, anders als die meisten anderen Yachten, aus Mahagoniholz gebaut ist.
Ihm sei es ein Rätsel, dass Holzboote so wenig gefragt seien, meint Conradi. »Holz ist ein extrem leichter Werkstoff, der keine Ermüdungserscheinungen zeigt – und außerdem auch einfach schön ist.« War die Yacht anfangs noch 5 t schwer, legte sie im Laufe der Jahre durch den Einbau von Gerätschaften wie Herd, Ofen und anderen Annehmlichkeiten an Gewicht zu.
Das Fahren von Regatten, das in den ersten Jahren noch im Mittelpunkt gestanden hatte, verlor mit der Zeit an Bedeutung: Die »Esta« wurde mehr und mehr zum Familienboot, auch wenn sie für das eine oder andere Rennen noch immer gut ist. Erst vor wenigen Monaten gewann Conradi bei der diesjährigen Nordseewoche den Family-Cruiser-Cup mit der Yacht, die er Ende der 1990er Jahre von seinem Vater übernommen hatte.
»Die ›Esta‹ gehört zur Familie«, betont der 57-Jährige, »an ihr hängen ganz viele Emotionen.« Seine vier Kinder seien auf dem Boot, das über zwei Kojen im Vorschiff und zwei Kabinen mit jeweils zwei Kojen im Hinterschiff verfügt, praktisch groß geworden. Dass er das Cockpit
für acht Regattasegler und damit vergleichsweise geräumig geplant hat, zahlte sich später bei den Urlaubsreisen, die zumeist nach Dänemark oder Schweden führten, aus. »Seinen Urlaub verbringt man schließlich lieber draußen als drinnen«, so Conradi.
Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm die erste Regatta, die er und seine Frau gemeinsam mit den beiden Söhnen und Töchtern Anfang des Jahrtausends auf der Ostsee segelten – und die das Team Conradi gleich gewann. »Wir waren im Urlaub da und haben am Four-Corners-Race von Schweden über Bornholm und Polen nach Rügen teilgenommen. Die Kinder waren
alle ganz begeistert bei der Sache, das war schon ein tolles Erlebnis.« Überhaupt sei es immer »eine gute Familienübung« gewesen, Eltern und Kinder auf der Yacht versammelt zu haben.
Heute wird die »Esta« hauptsächlich im Sommer bewegt und liegt ansonsten die meiste Zeit im Hafen von Helgoland. »Ich segle ja ganz oft mit den Schiffen, die wir bei der Arbeit entwickeln«, erläutert Conradi. Probefahrten, Regatten, Einladungen – da komme das eigene Schiff manchmal etwas kurz. Der Bremer achtet aber darauf, mindestens einmal im Jahr Urlaub mit seiner Liebsten zu machen. Und wie in der wahren Liebe mag er seine »Esta« genau so, wie sie ist. »Selbst nach hunderten von Schiffen, die ich seither entworfen habe: Ich würde es genau so wieder machen.«
Anne-Katrin Wehrmann